B. Mängelrechte des Reisenden

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Referendarin)

I. Anwendbarkeit und Konkurrenzen

Das Verhältnis zu den allgemeinen Vorschriften ist ähnlich dem Kauf- und Werkvertragsrecht, daher gilt das oben Gesagte. Die Anwendbarkeit des Reisevertragsrechst greift ab Vertragsschluss iSd § 651a BGB.

II. Ansprüche des Reisenden

IRd Ansprüche des Reisenden müssen verschiedene Stadien voneinander unterschieden werden:

III. Grundvoraussetzungen der Mängelrechte nach Reisebeginn gem. § 651i BGB

  1. Vorliegen eines wirksamen Reisevertrags, § 651a I BGB

  2. Vorliegen eines Reisemangels, § 651i I, II BGB

  3. Mängelanzeige, § 651o BGB (für § 651 III Nr. 6 u. 7 BGB)

  4. Keine Verjährung, § 651j BGB

  5. Keine Haftungsbeschränkung, § 651p BGB

IV. Reisemangel, § 651i BGB

Der Mängelbegriff iSd § 651i I, II BGB entspricht dem § 434 BGB. Eine Besonderheit liegt im Reisevertragsrecht darin, dass jeder Mangel zählt und sich diese summieren. Eine andere Besonderheit liegt in der erforderlichen Mängelanzeige nach § 651o BGB. Diese hat den Hintergrund, dass der Reiseveranstalter idR nicht selbst die Leistungen erbringt, sondern sich Leistungsträgern bedient, sodass er die Möglichkeit haben muss sich zu informieren. Es ist zwar nicht erforderlich eine Doppelanzeige, d.h. vor Ort und nach Beendigung der Reise direkt beim Reiseveranstalter, vorzunehmen, doch es genügt keine Anzeige allein bei einem Leistungsträger vor Ort, sondern der Reisende muss entweder dem Reiseveranstalter direkt oder zumindest einem Vertreter des Reiseveranstalters vor Ort (= örtliche Reiseleitung) ausdrücklich und unverzüglich den Mangel anzeigen.

V. Abhilfe nach §§ 651i III Nr. 1 - 4, 651k BGB

Der Anspruch auf Abhilfe entspricht dem Grundgedanken pacta sunt servanda und kann wie eine Nacherfüllung verstanden werden. Somit kann der Reisende zunächst Abhilfe seitens des Reiseveranstalter nach § 651k I BGB verlangen. Hierfür hat er ihm eine angemessene Frist zu setzen. Ist diese erfolglos verstrichen, kann er nach § 651k II BGB selbst Abhilfe leisten und entsprechend die erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen. Weiter sieht der § 651k III BGB die Möglichkeit vor Ersatzleistungen anzubieten mit entsprechend preislicher Berücksichtigung. Der Absatz 4 und 5 sehen darüber hinaus die Erstattung notwendiger Beherbergungskosten vor.

VI. Kündigungsrecht, §§ 651i Nr. 5, 651l BGB

Nach Reisebeginn steht dem Reisenden kein Rücktrittsrecht mehr zu, sondern er kann eine Kündigung nach § 651l BGB aussprechen. Das hat den Hintergrund, dass nach Reisebeginn eine Rückabwicklung iSe Rücktritts nur schwer vorzunehmen ist. Die Kündigung wirkt lediglich ex nunc. Voraussetzung ist auch hier die erfolglose Fristsetzung für die Abhilfe, § 651l I S. 2 BGB. Weiter müssen die Reisemängel eine erhebliche Beeinträchtigung des Reisezwecks verursachen oder aus ihnen resultiert eine Unzumutbarkeit für den Reisenden die Reise fortzusetzen. Eine derartig erhebliche Beeinträchtigung ist anhand der Gesamtumstände unter Berücksichtigung aller Aspekte zu bestimmen. Die Rechtsfolgen einer Kündigung ergeben sich aus § 651l II u. III BGB.

VII. Minderung, §§ 651i Nr. 6, 651m BGB

Für die Minderung darf kein Ausschluss gem. § 651o II BGB vorliegen, d.h. der Reisende muss den Mangel gem. § 651o I BGB unverzüglich anzeigen. Es handelt sich hierbei – wie im Mietrecht – um eine Minderung ipso iure, d.h. kraft Gesetz. Der Reisepreis mindert sich für die Dauer des Mangels gemäß § 651m I BGBG. Die Berechnung erfolgt im Wege einer Gesamtwürdigung und nicht allein anhand einer Addition der Mängel. Es sind dennoch alle zu berücksichtigen. Der § 651m II BGB regelt einen entsprechenden Rückzahlungsanspruch.

Merke: Im Reisevertragsrecht findet das Bereicherungsrecht keine Anwendung, sonst könnte sich der Reiseveranstalter immer auf § 818 I BGB berufen.

VIII. Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen, §§ 651i Nr. 7, 651n BGB

Unbeschadet der oben dargestellten Rechte kann der Reisende Schadensersatz nach §§ 651i Nr. 7, 651n BGB verlangen. Die Ausnahmen von einem Anspruch auf Schadensersatz sind direkt im § 651n I BGB geregelt und erfassen die Fälle in denen den Reiseveranstalter kein Verschulden trifft. Grundsätzlich gilt für das Vertretenmüssen aufgrund des „es sei denn“ eine Beweislastumkehr bzw. Vermutung.

Auf Rechtsfolgenseite werden vom § 651n BGB alle kausalen Nichterfüllungs- sowie Mängelfolgeschäden erfasst und nach Abs. 2 sogar der immaterielle Schaden iFd nutzlos aufgewendeten Urlaubszeit. Für die Bestimmung der angemessenen Entschädigung für die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit wird nicht ein mögliches Arbeitseinkommen herangezogen – da auch ein Arbeitsloser einen solchen Anspruch geltend machen kann – sondern der Reisepreis auf den Tag runtergerechnet. Weiter kann auch der Minderwert der Reise infolge eines Mangels iRd Schadensersatzes verlangt werden, sofern noch keine Rückzahlung seitens des Reiseveranstalters erfolgt ist.

IX. Sonstige Rechte des Reisenden

Neben den Gewährleistungsrechten ist immer an das Deliktsrecht als sog. „Minimumrecht“ zu denken. Der Reiseveranstalter hat seine Leistungsträger ordnungsgemäß auszusuchen und zu überwachen. Zwar sind diese keine Verrichtungsgehilfen des Reiseveranstalters – mangels Weisungsgebundenheit – dennoch treffen ihn entsprechende Verkehrssicherungspflichten, sodass auch ein mögliches Fehlverhalten des Leistungsträgers ihm zugerechnet werden kann.

Merke: Die Leistungsträger sind niemals Verrichtungsgehilfen des Reiseveranstalters, sodass keine Haftung nach § 831 BGB in Betracht kommt!