III. Einreden des Hauptschuldners, § 770 BGB

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Referendarin)

1. Einrede nach § 770 I BGB

Der Bürge kann nach § 770 I BGB die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dem Hauptschuldner das Recht zusteht das seiner Verpflichtung zugrundeliegende Rechtsgeschäft anzufechten. Der Grundsatz des § 770 I BGB besagt also, dass der Bürge nicht zur Leistung verpflichtet sein soll, solange nicht feststeht, ob eine Schuld eventuell rückwirkend erlischt. Denn sofern dies der Fall ist, müsste der Bürge seine Zahlung entsprechend kondizieren und dieses Hin und Her soll verhindert werden. Zwar obliegt es grundsätzlich der jeweiligen Vertragspartei, ob sie einen Vertrag anfechten möchte, aber der § 770 I BGB fungiert als Schutzvorschrift des Bürgen.

Problem: Analoge Anwendung des § 770 I BGB auf andere Gestaltungsrechte

Umstritten ist die Anwendung des § 770 I BGB analog auf z.B. Rücktritt oder Minderung. Zunächst könnte der § 768 BGB in Betracht kommen, sofern dem Hauptschuldner eine Mängeleinrede o.ä. zusteht. Der § 768 BGB findet jedoch keine Anwendung auf die Geltendmachung von Gestaltungsrechten. Eine direkte Anwendung des § 770 I BGB scheidet ebenfalls aus, da sich dieser nach seinem Wortlaut nur auf die Anfechtung und Aufrechnung bezieht. Es bleibt somit nur die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 770 II BGB. Nach allgemeiner Ansicht besteht bei einem unbehebbaren Mangel sowohl eine Regelungslücke als auch eine vergleichbare Interessenlage aufgrund des sich aus § 770 I BGB ergebenden Grundsatzes. Anders sei es jedoch bei einem behebbaren Mangel, es gilt dann der vorrangige Grundsatz pacta sunt servanda, sodass es bereits an einer Regelungslücke fehle.

2. Einrede nach § 770 II BGB

Nach § 770 II BGB hat der Bürge die gleiche Befugnis wie in Abs. 1., solange der Gläubiger sich durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Hauptschuldners befriedigen kann.

Problem: Analoge Anwendung des § 770 II BGB

Fraglich ist, ob der Bürge ebenfalls ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 770 II BGB analog hat, wenn nicht der Gläubiger, sondern der Hauptschuldner aufrechnen kann. Eine direkte Anwendung scheidet aufgrund des eindeutigen Wortlauts aus, sodass nur eine analoge Anwendung in Betracht kommt.

e.A. verneint eine entsprechende Anwendung des § 770 II BGB

  • es fehle bereits an der Ähnlichkeit der zu regelnden Tatbestände

  • weiter bestehe keine planwidrige Regelungslücke, da in Abs. 1 Hauptschuldner und in Abs. 2 Gläubiger explizit benannt wird

  • zudem müsse es dem Hauptschuldner überlassen bleiben, ob er eine mit ihm zustehende Forderung aufrechnen möchte oder nicht

a.A. nimmt eine analoge Anwendung des § 770 II BGB an

  • dies resultiere aus der oben dargelegten Ratio der Norm, d.h. dem Schutz des Bürgen, dass er seine Zahlung umständlich kondizieren muss

  • es mache auch keinen Unterschied, ob die Hauptschuld aufgrund einer Anfechtung oder Aufrechnung rückwirkend erlischt, sodass eine vergleichbare Interessenlage gegeben ist

Für den Fall, dass der Hauptschuldner mit einer Forderung gegen den Gläubiger aufrechnen kann, greift nach dem Grundgedanken des § 770 BGB der § 770 II BGB analog ein.