Autorin: Yvonne Mannsfeld (Referendarin)
Grundlegendes und Voraussetzungen
Durch den Bürgschaftsvertrag nach § 765 I BGB verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten (auch sog. Hauptschuldner) für die Erfüllung dessen Verbindlichkeit (als fremde Schuld) einzustehen.
I. Vorliegen eines Bürgschaftsvertrages
Grundsätzlich setzt eine wirksame Bürgschaft einen Bürgschaftsvertrag zwischen dem Bürgen (Sicherungsgeber) und dem Gläubiger (Sicherungsnehmer) voraus, der sich aufgrund der strengen Akzessorietät der Bürgschaft auf eine bestehende Hauptforderung beziehen muss.
1. (Bürgschafts-) Vertrag
Ein Bürgschaftsvertrag kommt nach dem allgemeinen Schuldrecht durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustanden.
Merke: Bei einem Vertragsschluss mit einer Bank, hat immer die Bank das letzte Wort! D.h. bei einem Vertragsschluss hinsichtlich eines Darlehens oder einer Bürgschaft gibt man immer selbst das Angebot ab und die Bank kann dieses nach Prüfung der Liquidität annehmen.
Es handelt sich bei diesem um eine Sicherungsabrede, die von einem Garantievertrag und Schuldbeitritt abzugrenzen ist.
a) Abgrenzung zum Garantievertrag
Bei einem Garantievertrag übernimmt derjenige eine Garantie für das Eintreten eines bestimmten Erfolges und zwar unabhängig von dem Bestehen einer Forderung. Er haftet somit verschuldensunab-hängig. Er kann auch keine Einreden des Hauptschuldners geltend machen. Aufgrund der strengen Haftung muss ein solcher ausdrücklich und eindeutig erklärt werden.
b) Abgrenzung zum Schuldbeitritt
Ein Schuldbeitritt ist gesetzlich nicht geregelt, aber aufgrund der Privatautonomie gem. § 311 BGB grundsätzlich möglich. Der Unterschied liegt darin, dass ein Bürge iRd Bürgschaft für eine fremde Schuld haftet, während er iRd Schuldbeitritts eine eigene Verbindlichkeit begründet. Es handelt sich hierbei um eine rechtsgeschäftliche Begründung einer Gesamtschuld, sodass er folglich mit dem Hauptschuldner als Gesamtschuldner für die Forderung haftet. IRd Auslegung ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Akzessorietät der Bürgschaft, er als Bürge besser steht und ihm die Schriftform als Warn- und Schutzfunktion zu Gute kommt. Im Zweifel ist daher immer eine Bürgschaft anzunehmen.
2. Form, § 766 BGB
Der § 766 BGB bestimmt die Schriftform für die Bürgschaftserklärung. Es handelt sich bei dieser um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die nur in schriftlicher Form zugehen kann. Nach § 126 I BGB muss demnach die originalunterschriebene Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangen. Hierfür spricht der Wortlaut des § 766 S. 1 BGB „Erteilung“. Eine Erteilung der Erklärung in elektronischer Form ist nicht zulässig, § 766 S. 2 BGB. Primär dient dies dem Schutz des Bürgen. Für einen Kaufmann wird dies für nicht erforderlich gehalten. Der § 350 HGB regelt somit eine Ausnahme von diesem Erfordernis, soweit die Erklärung für ihn ein Handelsgeschäft iSd § 343 HGB darstellt.
Eine Heilungsmöglichkeit sieht der § 766 S. 3 BGB für den Fall vor, dass der Bürge die Hauptverbind-lichkeit erfüllt.
Problem: Blankobürgschaft
In einer erklärten Blankobürgschaft könnte eventuell eine „Ausfüllungsbefugnis“ iSd §§ 164 ff. BGB analog gesehen werden. Nach überzeugender Meinung wird diese als Vollmachtserteilung zur Eingehung einer Bürgschaft ausgelegt. Diese ist grundsätzlich nach § 167 BGB formlos. Der BGH nimmt iRd Bürgschaftsvertragsrecht auch für eine derartige Vollmachtserteilung ein Schriftform-erfordernis nach § 766 BGB an. Der Schutzzweck dürfe nicht umgangen werden, sodass er bei Erteilung einer Vollmacht zur Eingehung einer Bürgschaft ebenso über die Gefahren aufgeklärt werden müsse.
3. Inhalt bzw. Bestimmtheit der Erklärung
Die Bürgschaftserklärung muss alle essentialia negotii enthalten und hinreichend bestimmt sein, da ansonsten beim Fehlen eines Elements die Formnichtigkeit der gesamten Erklärung droht.
II. Die zusichernde Forderung
Aufgrund der strengen Akzessorietät der Bürgschaft nach § 766 S. 1 BGB muss die zu sichernde Hauptforderung wirksam bestehen. Die Bürgschaft ist von ihrem Bestehen und Umfang abhängig. Insoweit ist eine inzidente Prüfung der Hauptforderung erforderlich. Dabei kann sich die Bürgschaft nach § 765 II BGB auch auf zukünftige Forderungen beziehen, es sind insoweit nur strengere Voraussetzungen hinsichtlich der Bestimmtheit zu berücksichtigen.
III. keine rechtshindernden Einreden
1. Anfechtung, § 142 I BGB
Der Bürge kann seine Erklärung nur in einem begrenzten Umfang anfechten. Zum Beispiel, irrt er sich über die Liquidität des Hauptschuldners, ist ihm der Anfechtungsweg nach § 119 II BGB versperrt. Zwar stellt die Liquidität grundsätzlich eine wesentliche Eigenschaft dar, doch liegt gerade hierin das typische Risiko des Bürgen, welches dem Gläubiger abgenommen werden soll.
Tipp: Mit derselben Argumentation kann auch die Anwendbarkeit des § 313 BGB abgelehnt werden. Zum Beispiel, wenn der Hauptschuldner einen Lottogewinn oder den Erhalt einer Erbschaft in Aussicht stellt und der Bürge nur aufgrund dessen sich zur Bürgschaft bereit erklärt.
Eine Anfechtung aufgrund einer arglistigen Täuschung durch den Hauptschuldner über seine finanziellen Verhältnisse gem. § 123 I BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht, außer der Sicherungs-nehmer (d.h. die Bank) wusste von der Täuschung oder hätte davon wissen müssen. Der Haupt-schuldner ist Dritter iSd § 123 II BGB, da er selbst ein eigenes wirtschaftliches Risiko übernimmt. Seine Täuschung kann nicht dem Gläubiger zugerechnet werden.
Merke: § 123 II BGB bezieht sich allein auf die Täuschung. Eine Anfechtung wegen Drohung bleibt möglich!
2. Sittenwidrigkeit, § 138 I BGB
Lange war es umstritten, wann eine Sittenwidrigkeit nach § 138 I BGB iRd Bürgschaft gegeben ist. Das BVerfG hat klargestellt, dass sich eine Nichtigkeit der Bürgschaft aus einer Inhaltskontrolle ergeben kann und zwar dann, wenn eine der Parteien ungewöhnlich hoch belastet wird. Die Annahme bleibt die Ausnahme, kann aber bei Vorliegen folgender Voraussetzungen angenommen werden:
(1) emotionale Verbundenheit iRe Näheverhältnisses (z.B. Familienmitglieder)
die Sittenwidrigkeit wird widerlegbar vermutet. Die Widerlegung der Vermutung ist idR nur möglich, wenn der Bürge ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt bzw. selbst daraus einen Vorteil ziehen kann
(2) finanzielle Überforderung
Eine solche ist gegeben, wenn der Schuldner bereits nicht in der Lage ist, die laufenden Zinsen zu zahlen
(3) Kenntnis der Bank von den die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen
Die Bank nimmt idR immer eine umfassende Liquiditätsprüfung sowie Prüfung der Umstände vor, sodass sie sich nicht auf Unkenntnis berufen kann.