II. Rücktritt, § 24 StGB

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)

Bei einem Rücktritt gem. § 24 StGB handelt es sich nach h.M. um einen Strafaufhebungsgrund. Er ist im Anschluss nach der Schuld des Versuchs zu prüfen und dient als Anreiz sowie Opferschutz, indem er dem Täter eine „Goldene Brücke“ zurück in ein straffreies und sozialadäquates Leben bietet. Maßgeblich für diesen ist allein der Rücktrittshorizont des Täters nach der letzten Ausführungshandlung.

1. kein fehlgeschlagener Versuch

Für den strafbefreienden Rücktritt darf der Versuch nicht fehlgeschlagen sein. Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn aus der Sicht des Täters der Taterfolg mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht oder nicht ohne erhebliche zeitliche Zäsur erreicht werden kann. Das hat den Hintergrund, dass bei einem Versuch, bei dem der Täter den Erfolg ohnehin nicht mehr herbeiführen kann, das Untätig bleiben kein Ausdruck für eine Abkehr von dem strafrechtlich relevanten Verhalten darstellt.

z.B. der Täter ist dem Opfer körperlich unterlegen, das Opfer willigt ein (rechtlich fehlgeschlagen), das begehrte Diebesgut ist wertlos (tatsächlich)
Problem: Mehraktiges Geschehen / wiederholte Tatausführung
Fraglich kann sein, wann ein Versuch als fehlgeschlagen angesehen werden kann, wenn ein mehraktiges Geschehen oder wiederholte Tatausführungen des Täters gegeben sind.

a) Die Tatplantheorie bestimmt das Fehlschlagen des Versuchs allein anhand des Tatplans. Hat der Täter diesen auf eine ganz bestimmte Handlung beschränkt, so ist der Versuch fehlgeschlagen, sobald er mit dieser Handlung keinen Erfolg hatte und der Rücktritt entsprechend ausgeschlossen. Hat der Täter eine solche Beschränkung nicht vorgenommen, ist der Versuch auch bei weiteren Handlungen nicht fehlgeschlagen und er kann entsprechend noch zurücktreten.
Gegen diese Theorie spricht, die damit verbundene unangemessene Bevorzugung eines skrupellosen Täters, der in seinem Tatplan jede erdenkliche Möglichkeit der Erfolgsherbeiführung aufgenommen hat.

b) Die Einzelaktstheorie möchte jeden Versuchsakt unabhängig voneinander für sich betrachten. Dagegen spricht die unnatürliche Trennung eines einheitlichen Lebenssachverhalts und die unangemessene Erschwerung der Rücktrittsmöglichkeit innerhalb eines einheitlichen Tatvorsatzes. Nach ihr ist trotz einer noch bestehenden Vollendungsmöglichkeit keine Rückkehr in die Legalität mehr möglich. Dies widerspricht jedoch dem Grundgedanken des Rücktritts als „Goldene Brücke“, die als Anreiz und dem Opferschutz dienen soll.

c) Nach der Gesamtbetrachtungslehre sei der Rücktrittshorizont des Täters nach der letzten Ausführungshandlung entscheidend. Der BGH und auch die h.L. fordern hierfür jedoch eine natürliche Versuchseinheit bzw. einen zusammenhängenden Lebenssachverhalt. Der Tatvorgang ist nach dieser als einheitliches Ganzes zu betrachten.

Diese Ansicht ist vorzugswürdig, da für sie der Wortlaut des § 24 StGB („weitere“) spricht. Sie führt auch zu den überzeugenderen Ergebnissen, indem sie die einzelnen Teilakte als Aufrechterhaltung des ursprünglichen Tatentschlusses ansieht.

z.B. Der Täter möchte in ein Haus einbrechen. Zunächst möchte er ein Fenster einschlagen. Dies gelingt ihm mit den ersten zwei Schlägen nicht. Obwohl ihm bewusst ist, beim nächsten Schlag bricht das Glas, packen ihn nun Zweifel. Er lässt von seinem Vorhaben ab und geht.

Nach der Tatplantheorie wäre nun allein entscheidend, wie viele Schläge T am Anfang geplant hatte. In einem Verfahren würde dies zu Schutzbehauptungen führen, wie z.B., dass er so viele Versuche geplant hatte, bis es klappen würde. Damit wäre ein Rücktritt, mangels Fehlschlag, unproblematisch durch Ablassen möglich. Nach der Einzelaktstheorie würden in diesem Fall drei voneinander unabhängige Versuche vorliegen. Von denen er von zwei, aufgrund des eingetretenen Fehlschlagens, nicht mehr zurücktreten kann. Lediglich von dem letzten ist er schuldbefreiend zurückgetreten.
Die Gesamtbetrachtungslehre, die hier eine natürliche Versuchs- bzw. Handlungseinheit annimmt, sieht hier einen Versuch das Fenster einzuschlagen. Von diesem bisher nicht fehlgeschlagenen Versuch ist der T durch Ablassen schuldbefreiend zurückgetreten. Nur diese Ansicht kommt zu einem überzeugenden Ergebnis, indem sie im konkreten Einzelfall eine Bestimmung vornimmt.

2. beendeter oder unbeendeter Versuch

Um die Anforderungen an die Rücktrittshandlung des Täters bestimmen zu können, ist zunächst festzustellen, ob es sich bei dem Versuch um einen beendeten oder unbeendeten Versuch handelt. Bei einem unbeendeten Versuch geht der Täter davon aus, noch nicht alles – ihm mögliche – zur Vollendung der Tat Erforderliche getan zu haben. Bei einem beendeten Versuch denkt er nach seiner letzten Ausführungshandlung, alles Erforderliche zur Vollendung der Tat getan zu haben. Entscheidend ist der Rücktrittshorizont des Täters nach der letzten Ausführungshandlung, gem. der sog. Lehre vom Rücktrittshorizont des BGHs.

3. Rücktrittsanforderung

Der § 24 StGB bestimmt verschiedene Anforderungen an die Rücktrittshandlung. Zum einen unterscheidet er zwischen Alleintäter, für den der Abs. 1 gilt, und mehreren Tätern, für die der Abs. 2 gilt. Weiter ist zwischen einem beendeten und einem unbeendeten Versuch zu unterscheiden. Bei einem unbeendeten Versuch eines Alleintäters genügt gem. § 24 I S.1, 1. Alt. StGB bereits die Aufgabe des weiteren Versuchs bzw. das Abstand nehmen von der weiteren Verfolgung. Im Rahmen eines beendeten Versuchs fordert der § 24 I S. 1, 2. Alt. StGB hingegen ein Verhindern des Erfolgseintritts bzw. ein ernsthaftes Bemühen der Verhinderung des Erfolgseintritts, sofern der Erfolg ohne Zutun des Täters eintreten konnte, gem. § 24 I S. 2 StGB. Der § 24 I S.2 StGB verlangt dabei eine wirkliche Bestleistung („ernsthaft“) vom Alleintäter, sodass kein Raum mehr für Zufälle bestehen bleiben darf. Fraglich ist, ob dies auch für den § 24 I S. 1, 2. Alt. StGB gilt oder bereits eine „einfache“ Kausalität genügt. Eine herrschende Rspr. gibt es in diesem Punkt bisher nicht. Unstreitig ist, dass eine Kausalität gegeben sein muss. Jedoch wird man in der Regel keine Bestleistung fordern können. Die Erfolgsverhinderung muss dem Täter folglich lediglich hinreichend zugerechnet werden können.

Für den Rücktritt durch mehrere Täter folgt der § 24 II StGB der Systematik des Abs. 1 und ist für jeden einzeln zu bestimmen. Im Examen spielt der Abs. 2 jedoch idR eine untergeordnete Rolle.

4. Freiwilligkeit

Die Freiwilligkeit ist die subjektive Voraussetzung des Rücktritts. Nach der psychologischen Theorie des BGHs und einem Teil der Lit. ist für die Freiwilligkeit maßgeblich, ob die Aufgabe autonom oder heteronom motiviert war. Heteronome Motive sind solche, die vom Willen des Täters unabhängig sind und von „außen“ bzw. der Umwelt herrühren. Demnach ist der Täter autonom motiviert, wenn er „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist und ohne eine Veränderung der Sachlage sich allein aufgrund von inneren, selbstbestimmenden Überlegungen zu einem Rücktritt entschlossen hat. Das heißt, er handelt gerade nicht aufgrund einer Zwangslage oder anderer von außen herrührender Gründe. Dabei hebt der BGH hervor, dass die Freiwilligkeit unabhängig von Motiven oder hochwertigen (sittlichen) Beweggründen zu bestimmen ist, sodass auch etwaige verwerfliche Gründe oder Überlegungen einer Freiwilligkeit nicht entgegenstehen.
Die von Roxin vertretene Normative Theorie, die auf eine Verbrechervernunft abstellt, kann bereits mangels einer genaueren Bestimmung des Begriffs der Verbrechervernunft wegen Art. 103 II GG nicht vertreten werden.