Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)
Der Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts ist nach h.M. gem. § 11 II StGB grundsätzlich möglich. Es ist insoweit als Vorsatz- und nicht als Fahrlässigkeitsdelikt zu behandeln. Ein Versuch kann in drei verschiedenen Formen erfolgen:
1. Der erfolgsqualifizierte Versuch
Bei dem erfolgsqualifizierten Versuch tritt bei dem Versuch des Grunddelikts bereits die schwere Folge ein. Hier stellt sich die Problematik, ob ein solcher Versuch überhaupt möglich ist. Die Frage, ob sich in der schweren Folge der Erfolgsqualifikation die Gefahr der Handlung oder des Erfolges des Grunddelikts verwirklicht haben muss bzw. ob die Handlung oder Erfolg als Anknüpfungspunkt greift, ist umstritten.
a) Anknüpfungspunkt der Erfolgsqualifikation
(1) Die Letalitätstheorie lässt den Versuch des Grunddelikts nicht genügen, um einen erfolgsqualifizierten Versuch anzunehmen. Nach dieser müsse zunächst der Erfolg des Grunddeliktes eintreten und erst aus diesem könnte sich die schwere Folge ergeben.
Für diese Ansicht spricht zum einen der Wortlaut des § 227 StGB „Körperverletzung“ und „Tod der verletzten Person“. Zudem verlange das hohe Strafmaß eine solch restriktive Auslegung, sodass der Erfolg des Grunddeliktes iSe Verletzungserfolges konstitutiv wäre und vorliegen müsste.
(2) Der BGH lässt bereits die Handlung des Grunddelikts genügen, da bereits von dieser eine entsprechende Gefahr ausgehen könne. Dem stehe auch der Wortlaut des § 227 StGB nicht zwingend entgegen. Dieser sei nicht in der Art restriktiv zu verstehen, wie ihn die Letalitätstheorie auslegt. Hierzu bezieht sich der BGH auf den Willen des Gesetzgebers. Dieser wird in dem Wortlaut des § 227 StGB n.F. durch den Klammerzusatz (§§ 223 bis 226a) deutlich. Der Klammerzusatz wurde ergänzt, ohne die Versuchsstrafbarkeiten herauszunehmen. Auch nach kriminalistischer Erfahrung kann sich bereits aus der Gefahr einer Körperverletzungshandlung ein Todeserfolg verwirklichen. Die Anwendbarkeit des § 227 StGB dürfe daher nicht davon abhängen, ob der vorsätzliche Körperverletzungserfolg bereits eingetreten sei oder allein die Handlung vorliege. Dies könne angesichts des Unrechtsgehalts der Tat nur eine untergeordnete Rolle einnehmen.
b) Selbstgefährdendes Opferverhalten
Die Problematik eines selbstgefährdenden Opferverhaltens spielte in dem „Gubener-Hetzjagd“-Fall (BGH Urt. v. 9.10.2002 – 5 StR 42/02) eine Rolle und sollte unbedingt bekannt sein. Der BGH sieht von dem Unmittelbarkeitszusammenhang auch jedes naheliegende und nachvollziehbare Handeln des Opfers auf einen entsprechenden Angriff mitumfasst. Dies erfasst z.B. Handlungen aus Angst, Furcht oder ähnliche Handlungen iRe Panikattacke. Darüber hinaus ist auch eine Flucht „Hals über Kopf“ erfasst, da solche Reaktionen auf Gewalt- oder Bedrohungstaten als deliktstypisch anzusehen sind. Es entspricht dem elementaren Überlebenswillen und dem Lebenserhaltungstrieb eines Menschen. Daher können die dabei zugezogenen Verletzungen oder im schlimmsten Fall der in diesem Rahmen eintretende Tod des Opfers dem Täter ebenfalls zugerechnet werden. Dennoch ist in jedem konkreten Fall abzugrenzen, ob es noch als naheliegendes Verhalten auf den Angriff anzusehen ist oder ein neues, vom Vorgeschehen unabhängiges, eigenverantwortliches Opferverhalten vorliegt. Letzteres lässt für die schwere Folge, aufgrund des selbstständigen, kausalen Dazwischentretens des Opfers, den Zurechnungszusammenhang entfallen.
c) Rücktritt vom Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts nach Erfolgseintritt
Fraglich ist, ob nach Eintritt der schweren Folge von dem Versuch des Grunddeliktes immer noch strafbefreiend zurückgetreten werden kann.
Gegen die Möglichkeit spricht die Tatsache, dass durch Eintritt der schweren Folge die Erfolgsqualifikation bereits vollendet wurde und andernfalls der Schutzzweck des erfolgsqualifizierten Delikts umgangen werden würde. Der BGH sieht das anders und begründet dies mit dem eindeutigen Wortlaut des § 24 StGB. Nach diesem kann ein Täter vor Vollendung von einem nur versuchten Delikt zurücktreten. Trotz Eintritt der schweren Folge befindet sich der Grundtatbestand nach wie vor im Versuchsstadium, von dem der Täter entsprechend zurücktreten kann. Darüber hinaus kann der Eintritt der schweren Folge ein Erfolgsdelikt nicht zu einem Unternehmensdelikt umwandeln, da es dem Gesetzlichkeitsprinzip und weiter dem Analogieverbot zu Lasten des Täters widersprechen würde, nach Art. 103 II GG. Anknüpfungspunkt für die Erfolgsqualifikation bleibt der Grundtatbestand. Tritt der Täter von diesem zurück, entfällt entsprechend der Anknüpfungspunkt für die Qualifikation.
2. Die versuchte Erfolgsqualifikation
Bei der versuchten Erfolgsqualifikation vollendet der Täter das Grunddelikt und versucht die schwere Folge der Qualifikation zu verwirklichen. Eine frühere Ansicht zog aus dem Wortlaut „leichtfertig“, dass ein solcher Versuch grds. nicht möglich sei, da ein Versuch immer Vorsatz erfordere.
Dem widerspricht der BGH im Grunde nicht, doch er lässt einen Versuch zu, wenn der Täter einen entsprechenden Vorsatz bzgl. der schweren Folge hatte. So genügt gem. § 18 StGB Leichtfertigkeit und jede höhere subjektive Tätereinstellung, um den Tatbestand zu erfüllen. Weiter lässt sich diese Ansicht durch den § 251 StGB n.F. stützen, in dem der Gesetzgeber „wenigstens“ vor „leichtfertig“ ergänzt hat, sodass zumindest bedingter Vorsatz genügt. Es handelt sich hierbei um keinen wirklichen Streit mehr. Vielmehr ist unter Nennung des § 18 StGB die Möglichkeit des Versuchs kurz klarzustellen und entsprechend fortzufahren.
3. Versuch des Grunddelikts und der schweren Folgen
Hier ergeben sich, bei entsprechend vorsätzlichem Handeln, keine Besonderheiten.