VII. Vorläufige Festnahme, § 127 StPO

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)

Ein auf frischer Tat betroffener oder verfolgter Täter kann von jedermann festgenommen werden. Auf frischer Tat ist bei einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang gegeben. Der Täter kann den Angetroffenen bei einem Fluchtverdacht oder einer unmöglichen Identifizierung festhalten. Dabei werden vom § 127 I StPO sowohl Eingriffe in die Freiheitsdelikte als auch damit notwendigerweise verbundene Körperverletzungsdelikte erfasst. Die Tat des Angetroffenen muss dabei mindestens bereits im Versuchsstadium stecken und noch nicht beendet sein. Die Tat muss rechtswidrig sein. Eine Schuld wird nicht vorausgesetzt, da der § 127 StPO zur Sicherung des Strafverfahrens dient, welches auch bei einer Schuldunfähigkeit erfolgt. Subjektiv muss ein Festnahmewillen vorliegen.

Fraglich ist, inwieweit für ein Festnahmerecht gem. § 127 StPO ein Tatverdacht ausreicht oder ob tatsächlich eine Straftat vorliegen muss.

Die Rspr. lässt einen Tatverdacht genügen, sofern dieser nicht offensichtlich unbegründet ist. Das hat den Hintergrund, dass der Festnehmende im Interesse der Allgemeinheit handelt und Irrtümer nicht zu seinen Lasten gehen sollen. Auch sind Irrtümer idR der Situation geschuldet. In solchen Situationen sei stets ein schnelles, instinktives Verhalten erforderlich, sodass keine Zeit für eine genaue Prüfung bleibe. Zudem spreche auch die StPO von „Tat“ im Sinne eines Verdachts.

Eine andere Ansicht fordert das Vorliegen einer tatsächlichen Tat und führt als Argument den Gesetzeswortlaut des § 127 I StPO – „richterliche Anordnung“ – im Vergleich zum § 127 II StPO an. Der § 127 II StPO spricht von den „Voraussetzungen des Haftbefehls“. Ein solcher erfordert einen dringenden Tatverdacht, das heißt, es muss zum derzeitigen Ermittlungsstand eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass derjenige Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist. Weiter müsse dem zu Unrecht Festgehaltenen ein Notwehrrecht zugesprochen werden. Der Festhaltende sei auch nicht schutzlos, da er hinreichend über den ETBI geschützt werde.

Diese Problematik spielt im Examen idR nur eine untergeordnete Rolle. Sollte es dennoch mal zu einer solchen Konstellation in einer Klausur kommen, ist beides gut vertretbar.