Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)

Der Tatbestandsirrtum kann zum einen in der Fehlvorstellung des Täters über die Identität oder sonstige Eigenschaften des Tatobjekts liegen. Nach der sog. Gleichwertigkeitstheorie entfällt der Vorsatz gem. § 16 I 1 StGB nur, wenn es an einer tatbestandlichen Gleichwertigkeit der Objekte fehlt. Dies ist der Fall, wenn der T auf ein Wildschwein im Wald schießen wollte, es sich aber um den Jäger J handelte.

Entscheidend ist die zeitliche und räumliche Konkretisierung des Vorsatzes als kausalverlauf- steuernder Verwirklichungswille. Wollte er jedoch statt den Jäger J seinen Erzfeind E erschießen, liegt eine Gleichwertigkeit der Tatobjekte „Menschen“ vor. Der Vorsatz würde in diesem Fall nicht entfallen, da es sich lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum handelt. In diesem Fall hat T seinen Vorsatz einen Menschen zu töten auf den J zeitlich und räumlich konkretisiert, sodass allein der Irrtum über die Identität des Opfers nicht zu einem Ausschluss des Vorsatzes führen kann.

Zu keinem anderen Ergebnis kommt die andere vertretene Lehre vom Gattungsvorsatz, die den Vorsatz nicht entfallen lässt, solange die Objekte aus der gleichen Gattung stammen. In dem Beispiel stammen beide aus der Gattung „Mensch“. Eines Streitentscheides bedarf es in der Regel nicht, da bei unterschiedlichen Gattungen idR auch eine wesentliche Abweichung anzunehmen sein wird.