II. Willensebene (sog. voluntatives Element)

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)

Auf der Willensebene ist die Abgrenzung zwischen Absicht (dolus directus 1. Grades), direktem Vorsatz (dolus directus 2. Grades) und dem Eventualvorsatz (dolus eventualis) vorzunehmen.

Eine Absicht des Täters liegt vor, wenn es ihm gerade auf den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges ankommt. Der direkte Vorsatz liegt vor, wenn der Täter weiß oder sicher annimmt, dass der Erfolg eintreten wird. Der Täter nimmt damit alle Folgen, die mit seinem Handeln notwendigerweise verbunden sind, willentlich in Kauf. Anders liegt der Fall bei einem Eventualvorsatz. Der Täter erkennt die Möglichkeit des Erfolgseintritts, hält diesen auch für ernstlich möglich und hat sich mit diesen abgefunden, „hofft“ aber auf einen guten Ausgang.

Tipp: Bei dem Eventualvorsatz befindet sich die Schnittstelle zur Fahrlässigkeit. Während der Täter mit Eventualvorsatz lediglich „hofft“, dass alles gut läuft, „vertraut“ er iRe bewussten Fahrlässigkeit auf einen guten Ausgang der Dinge.

Problem: Abgrenzung dolus eventualis von bewusster Fahrlässigkeit
Für die Abgrenzung in der Klausur sind in manchen Fällen ausführlichere Angaben erforderlich. So ist nach der Möglichkeitstheorie der dolus eventualis gegeben, wenn der Täter die Möglichkeit des Erfolgseintritts erkannt hat und dennoch handelt.
Gegen diese Theorie spricht die Ausdehnung des dolus eventualis in die bewusste Fahrlässigkeit und den verschwimmenden Grenzen zwischen den Begriffen. Zudem verkennt sie, dass der Vorsatz nicht allein aus der Wissens-, sondern auch aus der Willensebene besteht.

Die Wahrscheinlichkeitstheorie nimmt einen dolus eventualis bereits dann an, wenn der Täter den Erfolgseintritt für wahrscheinlich gehalten hat und dennoch handelt. Problematisch erscheint bei dieser Theorie bereits die genaue Bestimmung, ab wann eine solche Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Sie hilft folglich nicht bei der Abgrenzung, sondern lässt die Grenzen ebenfalls eher verschwimmen.

Die genannten Ansichten verzichten auf ein voluntatives Element und unterscheiden sich nur im Maß des geforderten Wissens. Sie begründen den Verzicht auf das voluntative Element mit dem Wortlaut des § 16 I 1 StGB und der ansonsten in der Praxis drohenden Beweisschwierigkeit. Überzeugen kann die Begründung nicht, da der § 16 I 1 StGB nur den (objektiv) tatbestandlichen Irrtumsfall regelt und sich demnach denklogisch nur auf das Wissenselement bezieht.

Nach der Ernstnahme- und Billigungstheorie liegt ein dolus eventualis vor, wenn der Täter den Erfolgseintritt ernsthaft für möglich hält und diesen billigend in Kauf nimmt. Billigen ist hierbei nicht im Sinne eines „gutheißen“ zu verstehen, da ansonsten ihm ein grundsätzlich unerwünschter Erfolg nicht zugerechnet werden könnte. Das Billigen ist vielmehr als Billigen im Rechtssinne zu verstehen, d.h. dass er sich mit dem Erfolgseintritt abgefunden hat, unabhängig davon, ob ihm dieser nun erwünscht oder unerwünscht war.

In der Klausur werden, für den Fall, dass diese Problematik einen Schwerpunkt darstellt, idR genügend Anhaltspunkte geliefert. Andernfalls ist von dem Wissen des Täters von einer naheliegenden Möglichkeit des Erfolgseintritts und der trotzdem fortgeführten Tatausführung auf dessen Willen – unter entsprechender Begründung und Aufzeigen anhand des Sachverhalts – zu schließen. Ein Abfinden mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts wird konkludent in seinem Handeln zum Ausdruck gebracht.

Auch hier gilt: nur bringen, wenn der Sachverhalt darauf hinauswill! Stichwort: Schwerpunktbewusstsein! Als gedankliche Stütze gilt, wenn man beim Lesen denkt „Oh, das ist aber blöd gelaufen!“ oder dem Täter ist der Erfolg (ausdrücklich) unerwünscht, dann Feuer frei. Spricht der Sachverhalt jedoch bereits davon, dass der Täter den „Erfolg billigend in Kauf genommen“ hat oder „auf einen guten Ausgang gehofft hatte“, genügt die Ernstnahme- und Billigungstheorie mit kurzer Begründung und der am Anfang dargestellten Definition des dolus eventualis.