Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)
Der A schlägt auf den B ein, bis dieser regungslos am Boden liegt. A hält den B für tot und möchte nun seine Spuren verwischen. Der A wirft den B in eine Jauchegrube. Der B, der tatsächlich noch am Leben war, erstickt in der Jauche.
Ausführlich haben wir den Jauchegrubenfall hier behandelt: Der Jauchegrubenfall
Zuerst ist die Prüfung der zweiten Handlung, die unmittelbar zum Erfolg führte, hinsichtlich § 212 I StGB vorzunehmen. Der A könnte sich demnach gem. § 212 I StGB strafbar gemacht haben, indem er B in die Jauche schmiss. Der objektive Tatbestand ist insoweit unproblematisch erfüllt. Es könnte jedoch am Vorsatz fehlen. A wollte durch die (Zweit-) Handlung den B gerade nicht töten. Der § 212 I StGB scheitert mangels Vorsatzes.
Der A könnte sich gem. § 212 StGB strafbar gemacht haben, indem er den B so lange schlug, bis dieser scheinbar tot am Boden lag. Eine Kausalität ist nach der conditio-sine-qua-non-Formel unproblematisch gegeben. Problematisch erscheint jedoch, ob ihm der Erfolg des Todes auch objektiv zugerechnet werden kann, denn der (scheinbar eingetretene) Tod durch das Schlagen weicht erheblich von dem konkreten Erfolg im Sinne des Todes durch Ersticken ab. Die Ersthandlung iSd Schlagens könnte aufgrund eines atypischen Kausalverlaufs – und damit mangels einer objektiven Zurechenbarkeit – lediglich einen Versuch darstellen.
Die h.M. nimmt eine objektive Zurechnung an, da durch die erste Tötungshandlung die Gefahr einer irrtümlichen Annahme des Todes mitgeschaffen wurde, die sich im späteren tatbestandlichen Erfolg des Todes auch verwirklicht hat. Es mache keinen relevanten Unterschied, ob das Opfer durch die erste oder erst durch die zweite Handlung des Täters verstorben ist. Der objektive Tatbestand ist somit zu bejahen. Hiernach ist der objektive Tatbestand erfüllt.
Problematisch erscheint der subjektive Tatbestand. Es ist fraglich, inwieweit der Irrtum des Täters zu berücksichtigen ist. Es liegt unproblematisch ein Tatbestandsirrtum bei dem A vor, sodass der Vorsatz gem. § 16 I 1 StGB ausgeschlossen sein könnte. Der A hat die Ursache des Todes zwar vorsätzlich gesetzt, doch den konkreten Geschehensverlauf hat er so nicht in sein Bewusstsein aufgenommen.
Der BGH hat im vorliegenden den Vorsatz bejaht. Bei der Tötung einer vermeintlichen Leiche durch eine Beseitigungshandlung handle es sich lediglich um eine unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf. Es liege nach allgemeiner Lebenserfahrung noch im vorhersehbaren Bereich. Folglich sei keine wesentliche Abweichung als Voraussetzung für den § 16 I 1 StGB gegeben und der Vorsatz entsprechend nicht entfallen.
Eine andere Ansicht sieht darin eine wesentliche Abweichung, sodass der Vorsatz gem. § 16 I 1 StGB entfiele und lediglich ein versuchter § 212 StGB sowie ein verwirklichter § 222 StGB gegeben wäre. Andernfalls würde dem A ein nicht vorliegender Vorsatz iRd Zweithandlung unterstellt werden.
Die vermittelnde Ansicht von Roxin vertritt die Auffassung, dass allein der Vorsatz bei der Ersthandlung entscheidend sei. Demnach liege lediglich eine Planverwirklichung auf Umwege vor, wenn der A bei der ersten Handlung mit Absicht oder direktem Vorsatz hinsichtlich der Tötung des B gehandelt habe. Andernfalls liege eine wesentliche Abweichung vor, da der A bei der ersten Handlung nicht die Tötung des B wollte und diese letztendlich allein auf der irrtümlichen Annahme des Todes beruhe. Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass sich die Frage der Wesentlichkeit der Abweichung nicht an dem beweisunzugänglichen Kriterium des Vorsatzes orientieren kann. Andernfalls drohe die Gefahr der Beweisnot und des Missbrauchs von Schutzbehauptungen.
Am Ende sind alle Meinungen vertretbar und es sollte an dem konkreten Fall festgemacht werden.