Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)
Problematisch stellt sich die rechtliche Behandlung einer neutralen Beihilfe dar. Eine neutrale Beihilfe liegt in alltäglichen, demnach objektiv neutralen, eventuell sozial- oder berufstypischen Handlungen vor, die dogmatisch an sich eine Beihilfe gem. § 27 StGB erfüllen und dennoch nicht strafwürdig erscheinen. Die Problematik folgt aus dem Umstand, dass derjenige, der sich „neutral“ verhält, sich aufgrund dessen nicht strafbar gemacht haben kann. Daher kann es eine Strafbarkeit aufgrund einer neutralen Unterstützungshandlung nicht geben. Die entscheidende Frage ist jedoch, wann eine Handlung als neutral angesehen werden kann und welche Voraussetzungen an die Vorstellung des potentiellen Gehilfen zu stellen sind. Sofern eine neutrale Hilfeleistung vorliegt, ist darüber hinaus strittig, wo eine Korrektur innerhalb der Prüfung zu erfolgen hat.
Beipsiel:
Der Taxifahrer, der den Mörder zum Tatort fährt oder der Postbote der eine Briefbombe ausliefert.
a) Eine Ansicht nimmt eine Korrektur erst auf der Ebene der Strafzumessung vor, da dogmatisch immerhin alle Voraussetzungen des § 27 StGB gegeben sind.
Gegen diese Ansicht spricht, dass durch eine generelle Korrektur der Strafzumessung zu Strafbarkeitslücken führen könnte. Zudem erscheint es fragwürdig, dass ansonsten bestimmte berufliche Handlungen grundsätzlich ein strafrechtlich zu sanktionierendes Verhalten darstellen würden. Es erscheint vorzugswürdiger, eine Korrektur auf Tatbestandsebene vorzunehmen.
b) Nach den objektivierenden Literaturansichten hat eine Korrektur innerhalb des objektiven Tatbestandes zu erfolgen. So möchte eine Ansicht sozial adäquate Verhaltensweisen grundsätzlich nicht als strafwürdiges Verhalten in Betracht kommen lassen und sieht in diesen kein Hilfeleisten iSd § 27 StGB. Eine andere Ansicht verneint das Beihilfeunrecht gem. § 27 StGB, sofern eine professionelle Adäquanz für das Verhalten gegeben ist. Eine dritte Ansicht – auch Teil der Rspr. – lehnt die objektive Zurechnung ab, da durch das Verhalten kein rechtlich missbilligendes Risiko geschaffen oder erhöht werde. Überschreite die Hilfeleistung jedoch ein erlaubtes Risiko, sei eine strafbare Beihilfe möglich.
Gegen diese objektivierenden Ansichten spricht die Unbestimmtheit der Sozialadäquanz, um dessen nähere Bestimmung es gerade bei der Problematik der neutralen Beihilfe geht. Auch ist nicht jedes in der Gesellschaft als „normal“ angesehenes Verhalten, strafrechtlich irrelevant (böse Bspe.: Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung). Auch eine Korrektur iRd objektiven Zurechnung kann nicht überzeugen, da jede Handlung durch den Täter in einen strafrechtlichen Kontext gesetzt und entsprechend ausgenutzt werden kann. Dieses Merkmal ist folglich der Willkür zugänglich, da es allein vom Zufall abhängt, welches Taxi ein Täter aussucht oder ob er eventuell den Bus nimmt.
c) Ein anderer Teil der Rspr. und Lit. nimmt eine Korrektur iRd subjektiven Tatbestandes vor. Sie fordern ein besonderes Vorsatzerfordernis in dem Sinne, dass der Gehilfe hinreichendes Wissen von der Haupttat haben muss und entsprechenden Vorsatz (sog. Täterförderungswillen). Welche Anforderungen an den Vorsatz zu stellen sind, ist ebenfalls strittig. Während die Rspr. dolus directus fordert, lässt eine andere Ansicht in der Literatur bereits dolus eventualis genügen. Nach der Rspr. könne es nicht genügen, dass ein Gehilfe das Verwenden seiner (z.B. professionellen) Handlung in einem deliktischen Zusammenhang für möglich hält. Dies konkretisiert die Literatur und fordert neben dolus eventualis eine Ursächlichkeit der Hilfeleistung für den Erfolg der Haupttat.
d) Im Ergebnis ist eine herrschende Meinung nicht gegeben. Vorzugswürdig ist die Korrektur auf subjektiver Tatbestandsebene, da sie eine eindeutige Sinn- und Zweckbestimmung des Verhaltens aus der Sicht des Gehilfen voraussetzt. In diesem Rahmen ist auf den Täterförderungswillen abzustellen und ein dolus directus zu fordern. Ebenso kann ein dolus eventualis mit der zusätzlichen Förderung iSe Kausalität der Hilfeleistung vertreten werden. Hierbei ist nur entscheidend, sich nicht hinsichtlich eines möglichen Erfordernisses der Kausalität einer Hilfeleistung zu widersprechen.