1. Entschuldigender Notstand, § 35 I S. 1 StGB

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)

Für den entschuldigenden Notstand bedarf es einer Notstandslage. Diese liegt bei einer gegenwärtigen Gefahr für Leben, Leib, Freiheit des Täters oder einer ihm nahestehenden Person iSd § 11 I Nr. 1 StGB vor. Aufgrund der Notstandslage nimmt der Täter eine Rettungshandlung vor, die objektiv erforderlich (d.h. nicht anders abwendbar), geeignet sowie das relativ mildeste Mittel ist. Nicht erforderlich ist eine Interessenabwägung. Dafür muss sie subjektiv von seinem Rettungswillen getragen werden. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist sein Verhalten gem. § 35 I S. 1 StGB entschuldigt.

Eine Ausnahme hiervon regelt der § 35 I S. 2 StGB für die Fälle, in denen es dem Täter zugemutet werden kann, die Gefahr hinzunehmen. Dies ist z.B. gegeben, wenn er die Gefahr selbst verursacht hat. Dabei genügt nicht bloße Kausalität, sondern entscheidend ist, dass der Täter die Gefahr auch pflichtwidrig herbeigeführt hat. Ebenfalls von § 35 I S. 2 StGB erfasst sind besondere Rechtsverhältnisse. Es handelt sich dabei um Polizisten oder Feuerwehrleute, die besonderen Gefahrtragungspflichten unterliegen bzw. ihnen können andere Gefahren zugemutet werden.