Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)

Bei einem aberratio ictus handelt es sich um ein nicht beabsichtigtes Fehlgehen der Tat. Der Erfolg tritt hierbei an einem anderen als im Zeitpunkt der Tatbegehung konkret zeitlich und räumlich anvisierten Objekt ein. Z.B. der T zielt mit einer Waffe auf den O. Er trifft jedoch versehentlich den A, weil er im Moment des Abzugsbetätigens die Waffe aufgrund eines Windstoßes verreißt. Dem T kann in diesem Fall nur ein Versuch der Tötung an dem B und eine fahrlässige Tötung des A vorgeworfen werden. Dies folgt daraus, dass auch bei dem aberratio ictus die zeitliche und räumliche Konkretisierung des Vorsatzes maßgeblich sein muss. In diesen Fällen trifft der T jedoch ein Objekt, auf das er seinen Vorsatz gerade nicht konkretisiert hat. Man kann ihm auch nicht unterstellen, dass er irgendeinen Beliebigen treffen wollte, da andernfalls aus einem Versuch eine Vollendung konstruiert werden würde, indem man den Erfolg mit einer Fahrlässigkeit komplettiert. Anders als bei einem error in persona vel objecto, kommt es bei dem aberratio ictus nicht auf die Gleichwertigkeit der Objekte an. Trifft er statt den B ein Wildschwein, bleibt es bei einem Versuch. Trifft er statt einem Wildschwein den B, trifft ihn ggfls. ein Fahrlässigkeitsvorwurf. Nur in Ausnahmefällen, in denen es dem Täter nicht auf ein konkretes Objekt ankam, sondern es sich nur um eine zufällige, unmotivierte Auswahl der möglichen Angriffsobjekte handelt, kann der T sogar wegen einer vollendeten Vorsatztat bestraft werden. Nach den obengenannten Grundsätzen kann auch ein Zusammenfallen des error in persona vel objectos mit dem aberratio ictus ganz einfach gelöst werden.

A möchte den B erschießen und lauert ihm auf. Es ist schon dunkel, als sich der C nähert. In der Dunkelheit hält A den C für B und schießt. Der A verreißt jedoch im letzten Moment die Waffe, verfehlt den C und trifft den hinter ihm kommenden B.

Der A hat sich in diesem Fall wegen einer versuchten Tötung an dem C – aufgrund des auf ihn zeitlich und räumlich konkretisierten Vorsatzes – und einer fahrlässigen Tötung an dem B zu verantworten. Es kommt auf den maßgeblichen Zeitpunkt für den Vorsatz gem. § 8 StGB – die Tatbegehung – an und in diesem wollte er den C erschießen und traf lediglich versehentlich den B.

Vorsicht: Ein aberratio ictus greift nicht bei Fernwirkungsfällen. Solche Fälle sind z.B. bei Bombenlegung gegeben. In diesen Fällen liegt in der Regel eine gegenständliche Individualisierung vor, indem sich der Täter für ein konkretes Haus bzw. Auto oder Ort entschieden hat. Es handelt sich bei diesen dann lediglich um einen unbeachtlichen error in persona vel objecto.