Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)
1. Außertatbestandliche Zielerreichung – der „Denkzettel“-Fall
A möchte den B umbringen, da B mit seiner Freundin geschlafen hat. Nach ein paar Schlägen liegt der B bereits am Boden und wimmert. Der A denkt sich, dass das bereits als Denkzettel genügen sollte und lässt von ihm ab.
Die Tat befindet sich im Stadium des unbeendeten Versuchs, sodass der A von diesem durch einfaches Abstand nehmen zurückgetreten ist. Fraglich erscheint jedoch, wie die außertatbestandliche Zielerreichung zu berücksichtigen ist. A genügt der Denkzettel, sodass er entsprechend ein außertatbestandliches Ziel erreicht hat und ein Rücktritt entsprechend ausgeschlossen sein könnte.
Eine Ansicht stellt auf die außertatbestandliche Zielerreichung ab und lässt die Rücktrittsmöglichkeit aufgrund dessen entfallen. Er müsste vielmehr einen neuen Tatentschluss zum Weitermachen oder der anderweitigen Zielerreichung fassen. Diese Ansicht entspreche auch der Ratio des § 24 StGB, der primär dem Opferschutz diene. In solchen Fällen bedürfe es eines Opferschutzes vor weiteren Angriffen aufgrund der außertatbestandlichen Zielerreichung nicht mehr.
Gegen diese Auffassung spricht der Fall, in dem der Denkzettel in der Tötung liegt. Ein Täter, der mit bloßen dolus eventualis bzgl. der Tötung handelt, kann nicht schlechter gestellt werden als jemand, der mit dolus directus bzgl. der Tötung handelt. Letzterer kann nämlich noch von dem Versuch zurücktreten, während es der Erstere nach dieser Ansicht nicht mehr könnte.
Der BGH nimmt daher in diesen Fällen eine Rücktrittsmöglichkeit an, da sich die Tat noch immer im Versuchsstadium befunden hat. Der BGH bezieht sich hierbei auf den Wortlaut des § 24 StGB („Tat“), der sich nach dessen Auffassung allein auf die tatbestandlich geforderte Handlung bzw. Erfolg bezieht. Nur der Entschluss zur Verwirklichung des Straftatbestandes könne allein nicht genügen. Die Tat ist insoweit gem. § 24 StGB im sachlich-rechtlichen Sinne zu verstehen, sodass weitergehende Beweggründe, Absichten oder Ziele unbeachtlich bleiben.
Weiter ist in diesen Fällen strittig, ob insofern ein beendeter oder unbeendeter Versuch gegeben ist, bzw. ob in solchen eine einfache Aufgabe der weiteren Ausführung genügen kann. Nach der oben vertretenen BGH-Ansicht sind weitergehende außertatbestandliche Umstände nicht zu berücksichtigen. Insoweit lässt sich für eine solche Annahme keine Stütze im Gesetz finden. Die einfache Aufgabe genügt demnach. Weiter wird dies auch durch die vom BGH vertretene psychologische Theorie gestützt, nach der auch iRd Freiwilligkeit keine ethisch hochwertigen Aspekte zu fordern sind.
Wichtig: Beachte die inneren Zusammenhänge. Folgt ihr hier dem BGH und nehmt eine Rücktrittsmöglichkeit an, dann müsst ihr auch iRd Freiwilligkeit der Ansicht des BGHs folgen, ansonsten widersprecht ihr euch selbst.
2. Rücktritt vom Unterlassungsversuch
Lange war der BGH der Auffassung, der Versuch eines unechten Unterlassungsdelikts sei stets ein beendeter Versuch, da der Täter beim unmittelbaren Ansetzen zu einem Unterlassungsdelikt notwendigerweise bereits alles Erforderliche zur Verhinderung des Taterfolgs unterlassen hat. Dies ergibt sich aus der oben dargestellten Problematik, wann ein unmittelbares Ansetzen bei einem Unterlassungsdelikt gegeben ist. Aus Sicht des BGHs sei eine Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch daher irrelevant. Es könne ein Rücktritt nur mittels einer erfolgsabwendenden Handlung in Frage kommen.
Die Literatur nimmt eine Unterscheidung vor. Ein unbeendeter Versuch sei gegeben, wenn nach Tätervorstellung durch einfaches Nachholen der ursprünglich gebotenen Handlung der Erfolg noch abgewendet werden kann. Ein beendeter Versuch hingegen, wenn die ursprüngliche Handlung allein nicht mehr genügt, sondern darüber hinaus noch zusätzliche Rettungsmaßnahmen ergriffen werden müssten.
Letztere Ansicht erscheint nach den iRd unmittelbaren Ansetzens bei Unterlassungsdelikten dargestellten Aspekten vorzugswürdig. Hinsichtlich der Anforderungen an die Rücktrittshandlung – vor allem bzgl. deren Kausalität oder dem Erfordernis einer Bestleistung – kann sich daher an dem oben Dargestellten orientiert werden. Dies folgt aus der Gleichwertigkeit beider Rechtsfiguren.