Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)
Das Prüfungsschema des Versuchs ergibt sich aus den nachfolgenden Überschriften.
1. Nichtvollendung der Tat
Entweder ist der Erfolg der Tat gar nicht erst eingetreten oder der (vom Täter zwar verursachte) Erfolg ist ihm nicht zurechenbar.
2. Strafbarkeit des Versuchs nach §§ 23 I iVm 12 StGB
Strafbar ist grds. nur der Versuch eines Verbrechens gem. § 12 I StGB. Der Versuch eines Vergehens gem. § 12 II StGB ist nur strafbar, sofern das Gesetz dieses vorsieht.
Tipp: Hütet euch davor, die ersten zwei Punkte mit „0. Vorprüfung“ oder ähnlichem zu überschreiben. Stellt es einfach kurz klar und geht fließend zum Tatentschluss über.
3. Tatentschluss
Es ist ein Tatentschluss iSe Vorsatzes des Täters hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale der versuchten Tat erforderlich. Bei dem Tatentschluss handelt es sich um einen vorbehaltlosen Handlungs- und Verwirklichungswillen. Folglich ist zu prüfen, ob die Tat aus der Sicht des Täters (sog. Täterhorizont) bzw. nach dessen Vorstellung vorsätzlich verwirklicht werden sollte.
a) Bei einem untauglichen Versuch handelt es sich um einen Versuch, der von Anfang an zum Scheitern verurteilt war bzw. gar nicht in der Lage war, zum Erfolg zu führen. Dies kann aus einem Irrtum des Täters über die Tauglichkeit des Tatobjekts oder der Erfolgseignung des eingesetzten Mittels folgen. Die Ausführung war entgegen der Vorstellung des Täters aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen überhaupt nicht zur Tatbestandsverwirklichung geeignet. Es handelt sich um einen umgekehrten Tatbestandsirrtum iSd § 16 I StGB, sodass zu keiner Zeit eine Rechtsgutgefährdung vorlag. Dennoch unterliegt er der Versuchsstrafbarkeit wegen der rechtsfeindlichen Gesinnung des Täters und folgt aus einem Umkehrschluss des § 23 III StGB (argumentum e contrario).
b) Abgrenzung des untauglichen Versuchs zum Wahndelikt
Die Kernfrage der Abgrenzung ist, ob der Tatentschluss bzw. die Vorstellung des Täters auf einen strafbaren untauglichen Versuch oder ein strafloses Wahndelikt gerichtet war. Es ist demnach zu fragen, ob nach Vorstellung des Täters von dem Geschehensablauf ein Straftatbestand verwirklicht werden würde. Ist dies der Fall, zeigt der Täter seinen rechtsfeindlichen Willen und es handelt sich um einen strafbaren untauglichen Versuch, sodass der § 23 III StGB greift. Andernfalls, das heißt, wenn selbst bei Erfüllung seiner Vorstellung kein Straftatbestand verwirklicht werden würde, liegt angesichts des sozialunschädlichen Vorhabens keine Bestrafungsbedürftigkeit vor. Es handelt sich dabei um ein strafloses Wahndelikt iSe umgekehrten Verbotsirrtums. Er kennt den Sachverhalt genau, er nimmt lediglich irrig an, dass dieser Sachverhalt als Delikt unter Strafe gestellt sei.
4. unmittelbares Ansetzen
Der Täter muss unmittelbar zur Tat angesetzt haben. Dies dient zur Abgrenzung eines Versuchs von einer bloßen Vorbereitungshandlung. Es gibt hierzu verschiedene Theorien, die nach der gemischt subjektiv-objektiven Theorie des BGHs in Verbindung anzuwenden sind.
Nach dieser setzt der Täter unmittelbar zur Tat an, wenn er nach seiner Vorstellung eine Ursachenkette in Gang setzt, die in einem engen zeitlich-räumlichen Zusammenhang steht, das heißt, der Täter bereits in die Sphäre des Opfers eindringt (1. Sphärentheorie) und diese bei ungehinderten Fortgang des Geschehensablaufs ohne wesentliche Zwischenakte (2. Zwischenaktstheorie) in die Tatbestandsverwirklichung einmündet, sodass das Opfer bereits konkret gefährdet (3. Gefährdungstheorie) erscheint und der Täter dabei subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ (4. Jetzt-Geht’s-los-Theorie) überschreitet.
Hat der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal der versuchten Tat verwirklicht, liegt unproblematisch ein unmittelbares Ansetzen zum Versuch nach der sog. Teilverwirklichungslehre vor.
Für die Bestimmung des Versuchsbeginns bei der Mittäterschaft gibt es zwei Ansätze.
(1) Die sog. Einzellösung bestimmt für jeden Mittäter den Beginn des Versuchs einzeln danach, wann derjenige selbst zur Verwirklichung seines Tatbeitrags unmittelbar ansetzt.
(2) Nach der sog. Gesamtlösung gilt der Grundsatz, dass alle Mittäter in das Versuchsstadium eintreten, sobald einer von ihnen zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt.
(3) Der BGH wendet die Gesamtlösung an, fordert aber für den zuerst unmittelbar ansetzenden Mittäter, dass dieser iRd Abrede bzw. aufgrund des gemeinsamen Tatplans handelt.
Für den Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft ist zunächst klarzustellen, dass es auf die Vorstellung des Hintermanns gem. § 22 StGB ankommt. Für die Bestimmung des Beginns haben sich auch hier verschiedene Lösungen entwickelt.
(1) Die sog. Einzellösung nimmt einen Versuchsbeginn bereits mit dem Einwirken des Hintermanns auf den Vordermann an.
Gegen die erste Ansicht spricht, dass nach Tätervorstellung idR noch keine Gefährdung des Opfers gegeben ist.
(2) Die sog. Gesamtlösung nimmt den Beginn erst an, wenn nach Tätervorstellung bereits beim Opfer eine unmittelbare Gefährdung einsetzt.
Hier besteht die Problematik, dass der Täter in der Regel gar nicht weiß, wann eine Gefährdung des Opfers eintritt. Er weiß idR nicht, wann der Vordermann zur Tat schreitet.
(3) Nach der Rspr. liegt der Versuchsbeginn vor, wenn der mittelbare Täter die Herrschaft über das Geschehen aus der Hand gibt. Durch diese entsteht nach Tätervorstellung die eigentliche Gefahr des nicht mehr zu stoppenden Kausalverlaufs.
Bei einem Unterlassungsdelikt ist der Versuchsbeginn von dem Unterlassen einer dem Täter möglichen und zumutbaren Vornahme einer Handlung abhängig. Dabei ist meist ein gewisses Zeitfenster gegeben, in dem der Täter die Handlung hätte vornehmen können, sodass sich auch hier die Bestimmung des Versuchsbeginns als problematisch darstellen kann.
Beispiel:
Der B sieht um 12:00 Uhr Kinder auf einem Bahngleis spielen. Er weiß, dass täglich ein Güterzug um 13:30 Uhr auf diesem Gleis entlang fährt. B unternimmt nichts, sondern geht weg.
(1) Eine Ansicht knüpft bereits an die erste mögliche Maßnahme zur Erfolgsvermeidung an, sodass der Versuchsbeginn hier in dem Erblicken der Kinder um 12:00 Uhr gegeben wäre.
(2) Eine andere Ansicht nimmt einen Versuchsbeginn erst bei dem Verstreichenlassen der letztmöglichen Rettungshandlungen an. Damit wäre dies im Fall kurz vor 13:30 Uhr bzw. kurz bevor der Zug kommt.
(3) Stellungnahme: Nach der ersten Ansicht erfolgt eine viel zu weite Vorverlagerung des Versuchsbeginns auf einen Zeitpunkt, in dem der Täter eventuell noch gar keine (wirkliche) Gefahr sieht und entsprechen kein Handlungsbedürfnis annimmt. Die zweite Ansicht setzt hingegen viel zu spät an. Bei ihr fallen Versuch und Vollendung beinahe zusammen. Eine Abgrenzung ist kaum möglich und dem Täter bleibt kein Raum mehr für einen Rücktritt.
(4) Die herrschende Meinung nimmt daher einen Versuchsbeginn an, wenn der Täter das Geschehen aus den Händen gibt und dadurch eine unmittelbare Rechtsgutgefährdung eintritt. Im Fall wäre somit ein Versuchsbeginn in dem Moment geben, in dem der B die Kinder aus den Augen lässt, weggeht oder Ähnliches.
Diese Ansicht erscheint auch vorzugswürdig, da nur sie klare Kriterien für die Abgrenzung liefert und gleichzeitig genug Raum für einen möglichen Rücktritt lässt.
Beispiel:
A stellt ihrem Ehemann einen Kaffee mit fertig gebrühtem Kaffee hin. Was der Ehemann nicht weiß, A hat den Kaffee vorher vergiftet.
Bei dem Fall wird die verwandte Struktur zur mittelbaren Täterschaft deutlich. Das Opfer wird zum Werkzeug des Hintermanns gegen sich selbst eingesetzt. Dementsprechend orientieren sich die Lösungsansätze auch an dessen Grundsätzen. Dennoch ist ein vollständiger Rückgriff auf die mittelbare Täterschaft nicht erforderlich, da A selbst eine Handlung vornimmt und somit unmittelbarer Täter ist.
(1) Eine Ansicht bestimmt den Beginn anhand der Vorstellung des Täters danach, wann er nach seiner Auffassung alles Erforderliche für die Verwirklichung getan und das Geschehen bereits aus der Hand gegeben hat. Gegen diese Ansicht spricht, dass sie viel zu weit gefasst ist und eine zu weite Vorverlagerung des Versuchsbeginns annimmt, ohne dass bereits eine unmittelbare Gefährdung des Opfers eingetreten ist.
(2) Daher nimmt eine andere Ansicht den Versuchsbeginn erst mit der unmittelbaren Gefährdung des Opfers an. Dies muss iRe Versuchs jedoch auch aus Tätervorstellung bestimmt werden. Es stellt sich die Problematik, dass der Täter idR gar nicht weiß, wann genau das Opfer unmittelbar gefährdet ist bzw. sich auch keine Gedanken dazu macht.
(3) Nach der h.M. liegt ein Versuchsbeginn vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung alles zur Erfolgsherbeiführung getan hat und entweder das Geschehen aus der Hand gegeben hat oder aber die Möglichkeit der Gefährdung des Opfers schon unmittelbar eingetreten ist.
5. Rechtswidrigkeit und Schuld
Nur der Vollständigkeitshalber - hier ergeben sich keine Besonderheiten.