II. Dolus Directus 2. Grades - Die Wissentlichkeit

Die Wissentlichkeit als Vorsatzform, auch oft nur dolus directus bzw. direkter Vorsatz genannt1, bezeichnet das Handeln wider besseren Wissens.2 Anders als bei der Absicht dominiert hier nicht das voluntative Element des zielgerichteten Wollens, sondern das Wissenselement. In den Fällen des direkten Vorsatzes in Form der Wissentlichkeit ist sich der Täter bei der tatbestandlichen Handlung hinsichtlich des Erfolgseintritts sicher und weiß oder sieht es als sicher voraus, dass es zur Tatbestandsverwirklichung kommen wird. Er handelt also im sicheren Wissen um die Erfolgsherbeiführung.3

Eine davon abweichende Ansicht lässt demgegenüber bereits genügen, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung für höchstwahrscheinlich hält, da zukünftige Ereignisse nie mit absoluter Gewissheit vorausgesehen werden können.4

Einigkeit besteht dann jedoch darüber, dass das Wollenselement hinter das Wissenselement zurücktreten kann, soweit das Wissenselement - spiegelbildlich zur Absicht - derart dominant ausgeprägt ist. Daraus folgt, dass der Täter den Erfolgseintritt bei dominant-kognitiver Ausprägung hinsichtlich des voluntativen Elements auch als unerwünscht empfindet kann, ohne dass die Wissentlichkeit zu verneinen wäre.5

Begründend wird angeführt, dass der in dieser Kenntnis handelnde alles in seinen Verwirklichungswillen aufnimmt, was ihn als sichere und notwendige Folge erscheint, nunmehr auch solche, die ihm unerwünscht sind. Insoweit ist die Vermeidung des Erfolgseintritt mit dem ggf. andersgearteten Wollen des Täters unvereinbar.6 Der Wille ist also in einem für den Vorsatz genügenden Maß in der Kenntnis bzw. Gewissheit und der daraus resultierenden Handlung enthalten, da der Täter sich schließlich mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet.7 Ohne bzw. gegen seinen Willen handelt der Täters nur, wenn er durch eine besonders schwere Drucksituation beeinflusst wird und deshalb „unterhalb der Schwelle des Nötigungsnotstandes“ handelt.8

Auch hier sei ein vertiefendes Beispiel derart anzuführen, dass der Täter ein Haus in Brand setzt, um es zu zerstören (§§ 306, 306a StGB), wobei er sicher weiß, dass die Hausbewohner, als unvermeidbare Folge, ums Leben kommen werden.9 Der Täter weiß also um die Tatbestandserfüllung, auch wenn er diese lediglich als nötige Folge begreift, den Erfolgseintritt demnach nicht anstrebt.

Anhand dieses Beispielfalls wird deutlich, dass sich die Vorsatzform der Wissentlichkeit, anders als bei der Absicht, nur auf Nebenfolgen bezieht, nicht jedoch auf Hauptfolgen bzw. Zwischen- oder Endziele.10 Insoweit wird die Definition, dass der Täter wissentlich handelt, wenn er die Erfolgsverwirklichung für eine sicher Folge seines gewollten Verhaltens hält, besonders deutlich.11

Die Nebenfolge unterscheidet sich von einem Zwischenziel dadurch, dass sie für das Endziel keine unvermeidbare Voraussetzung darstellt. Sie ist also nicht notwendiger Bestandteil sondern lediglich „unvermeidliche Nebenwirkung“ (= Folge).12 Des Weiteren bleiben Wünsche und Hoffnungen, dass der Erfolg z.B. aufgrund eines glücklichen Zufalls doch nicht eintritt, unbeachtlich. Es zählt folglich nur die tatsächliche Handlung und der damit umgesetzte Wille.13

  • 1. s. auch Wessels/Beulke, AT, § 7, Rn. 213.; Krey/Esser, § 12, Rn. 383ff.; Jescheck/Weigend, AT, § 29, III 2.; Kindhäuser, At, § 14, Rn. 8ff.
  • 2. Krey/Esser, AT, § 12, Rn. 383.
  • 3. Fischer, § 15, Rn. 7.; Heinrich, AT, Rn. 279f..; Krey/Esser, AT, § 12, Rn. 383.; Jescheck/Weigend, At, § 29, III 2.; Wessels/Beulke, AT, § 7, Rn. 213.; Kühl, AT, § 5, Rn. 38.; Kindhäuser, AT, § 14, Rn. 9.; Rengier, AT, § 14, Rn. 9.
  • 4. Jescheck/Weigend, AT, § 29, III 2.
  • 5. Krey/Esser, AT, § 12, Rn. 384.; Wessels/Beulke, AT, § 7, Rn. 213.; Kindhäuser, AT, § 14, Rn. 9.; Fischer, § 15, Rn. 7.
  • 6. BGHSt, 21, 283 (284f.); mVa. BGHSt 18, 246 (248); Jakobs, AT, 8, Rn. 18.; Wessels/Beulke, AT, § 7, Rn. 213, idS. Kühl, AT, § 5, Rn. 40.; ähnlich auch Rengier, AT, § 14, Rn. 9.
  • 7. Kühl, AT, § 5, Rn. 40.; Rengier, AT, § 14, Rn. 9.
  • 8. So Satzger/Schmitt/Widmaier/Momsen, §§ 15, 16, Rn. 42.
  • 9. aus Kühl, AT, § 5, Rn. 38.
  • 10. Kühl, AT, § 5, Rn. 39.; Vgl. auch Terminologie bei Jakobs, AT, 8, Rn. 18.
  • 11. Kindhäuser, AT, § 14, Rn. 8.
  • 12. Kühl, AT, § 5, Rn. 39.
  • 13. Fischer, § 15, Rn. 7.; Rengier, AT, § 115, Rn. 9.