2. Risikoverringerung

Im Bereich der Risikoverringerung werden Fälle diskutiert, in denen in einen Kausalverlauf eingegriffen wird, um das bestehende Risiko zu verringern oder zu beseitigen, wobei jedoch gleichzeitig ein neues (zwar schwächeres oder anderes) Risiko eigens geschaffen wird.1

Zum einen gibt es demnach solche Fälle, in denen in den Kausalverlauf derart eingegriffen wird, dass ein geringerer als der drohende Verletzungserfolg eintritt. Häufig genannt wird in diesem Kontext der Fall, dass der auf den Kopf des Opfers O zielende Schlag des A durch das Eingreifen des B auf die Schulter des Opfers abgelenkt wird.2 An dieser Stelle bilden sich zwei grundlegende Meinung heraus, die bezüglich der Annahme einer objektiven Zurechnung gänzlich anders verfahren.

Die wohl h.M. geht grundsätzlich davon aus, dass eine objektive Zurechnung entfällt, soweit der Erfolg durch die eintretende Handlung abgeschwächt, also verringert wird. Der konkrete, in seiner Wirkung abgeschwächte Erfolg bleibt nach dieser Ansicht dem eigentlichen Täter zurechenbar. Begründet wird dies idR. damit, dass das Recht nicht solche Handlungen missbilligen könne, die dazu dienen sollen, eine Rechtsgutsverletzung zumindest abzuschwächen, wenn eine Abwendung schon nicht mehr möglich ist. Darüber hinaus wird die Situation des Opfers durch die abschwächende Handlung objektiv verbessert. Gleiches soll darüber hinaus für Fälle gelten, in denen der Erfolg lediglich aufgeschoben bzw. hinausgezögert wird.3 Nach dieser Ansicht, ist auch eine Lösung über die Rechtfertigungsgründe namentlich zB. der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB nicht stichhaltig. Ein derartiger Lösungsweg würde nämlich voraussetzen, dass die Risikoverringerung zunächst ein mal eine deliktsspezifische Rechtsgutsverletzung darstellen würde, woran es jedoch gerade fehlen soll.4

Eine andere Ansicht stellt hingegen auf einen solchen Lösungsweg über die Rechtfertigungsgründe ab. Angeführt wird u.a., dass die Schadensabschwächung allein den Täter nicht befreien, daher also nicht als allgemeines, die Zurechnung ausschließendes Kriterium gewertet werden kann. Begründet sei dies dadurch, dass zum einen die innere Tatseite des potentiellen Täters namentlich der subjektive Tatbestand außer acht gelassen werde. Zum anderen wird einer etwaigen Prüfung wegen Unterlassens der Weg abgeschnitten, sollte der „Täter“ die Möglichkeit nicht genutzt haben den Erfolg komplett abzuwenden.5


Innerhalb einer daneben tretenden, andersgearteten Fallgruppe, geht es um Sachverhalte, in denen abermals in den Kausalverlauf eingegriffen wird, der drohende Verletzungserfolg zwar abgeschwächt oder beseitigt werden soll, dabei jedoch eine neue eigenständige Gefahr begründet wird. Beispielhaft sei hier der Fall zu nennen, in dem ein Feuerwehrmann das Leben eines Kindes nur dadurch retten kann, dass er es durch einen Wurf in das Sprungtuch erheblichen Verletzungsgefahren aussetzt.6 Eine objektive Zurechnung wird in derartigen Fällen grundsätzlich angenommen. Unangemessene Ergebnisse können jedoch auf Ebene der Rechtswidrigkeit innerhalb der Rechtfertigungsgründe zB. die mutmaßlichen Einwilligung sowie der rechtfertigenden Notstand korrigiert werden.7
  • 1. Wessels/Beulke, AT, § 6, Rn. 193ff..; Rengier, AT, § 13, Rn. 56ff.; Heinrich, AT, Rn. 246ff.
  • 2. Kühl, AT, § 4, Rn. 53.; idS. auch Roxin, AT I, § 11, Rn. 53.; ähnlich Roxin, FS-Honig, S. 136.
  • 3. Kühl, AT, § 4, Rn. 54.; Wessels/Beulke, AT, § 6, Rn.194.; Roxin, FS Fischer, S. 136.; Roxin, AT I, § 11, Rn. 53.
  • 4. Roxin, AT I, § 11, Rn. 53.
  • 5. Rengier, AT, § 13, Rn. 58.; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 14, Rn. 67.
  • 6. Kühl, AT, § 4, Rn. 55.; Roxin, AT I, § 11, Rn. 54
  • 7. Rengier, AT, § 13, Rn. 59.; idS. auch Weesels/Beulke, AT, § 6, Rn. 195.; Kühl, AT, § 4, Rn. 55.; Roxin, AT I, § 11, Rn. 54.