Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)
Objektiver Rechtsscheintatbestand des Besitzes
Ausgangspunkt für den objektiven Rechtsscheintatbestand ist die gesetzliche Vermutung, dass Eigentum und Besitz zusammenfallen gem. § 1006 BGB. Dabei ist nicht der Besitz allein gemeint, sondern vielmehr die Besitzverschaffung. Das bedeutet, der Erwerber muss in der Lage sein, dem Erwerber den Besitz zu verschaffen (beachte hierzu auch § 934 Alt. 2 BGB).
a) §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB – Übergabe
Hierfür ist die Übergabe erforderlich, sodass der Besitz des Veräußerers den Rechtsschein einer Inhaberschaft erzeugt.
Beispiel:
A leiht B ein Buch. B verkauft dieses weiter an C und C nimmt es an sich.
Wie oben bereits dargelegt, knüpft der Rechtsscheintatbestand nicht allein an dem Besitz, sondern auch an die Besitzverschaffungsmacht. Damit muss der Nichtberechtigte nicht unmittelbarer Besitzer sein und kann sich auch einer Geheißperson bedienen. Der BGH nimmt auch eine Besitzverschaffungsmacht an, wenn die Besitzverschaffung durch den unmittelbaren Besitzer aus der Sicht des Erwerbers objektiv als Leistung des Veräußerers erscheint (d. h. auch wenn der unmittelbare Besitzer gar nicht auf Geheiß tätig wird, sog. Scheingeheißperson – aber str. wie oben).
b) §§ 929 S. 2, 932 Abs. 1 S. 2 BGB – bloße Einigung
Vorliegend sieht der § 929 S. 2 BGB keine Übergabe vor, sondern eine Einigung über den Übergang.
Aber Vorsicht: Hierfür muss die Definition der Übergabe ganz genau betrachtet werden, denn dies entspricht im Grunde einer Übergabe iSd § 929 S. 1 BGB: Der Erwerber muss auf Veranlassung des Veräußerers (zumindest mittelbaren) Besitz an der Sache erlangt haben und der Veräußerer muss den Besitz vollständig aufgeben haben.
c) §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB – Übergabesurrogat iFe BMV
Der § 930 BGB erfordert ein Übergabesurrogat iFe BMV. Durch dieses BMV wird der Erwerber mittelbarer Besitzer, sodass auch hier die Definition der Übergabe genau angewendet werden muss. Die Besitzverschaffungsmacht ist auch hier der objektive Rechtsscheintatbestand für den gutgläubigen Erwerb.
d) §§ 929 S. 1, 931, 934 BGB – Abtretung des Herausgabeanspruchs
Sofern der Veräußerer mittelbarer Besitzer ist, liegt bereits in der Übertragung dessen der Rechtsschein, denn in dem Zeitpunkt erwirbt der Erwerber gem. § 934 Alt. 1 BGB Eigentum an der Sache. Wichtig ist hierbei, dass der Herausgabeanspruch tatsächlich besteht.
Beispiel:
NB least einen Laserdrucker an B, den er selbst von dem Eigentümer E gemietet hat. NB verkauft wenig später den Laserdrucker an K und übereignet ihn an diesen, indem er seinen Herausgabeanspruch aus dem Leasingvertrag gegenüber B an K abtritt.
NB ist mittelbarer Besitzer. Mit Abtretung seines (tatsächlich bestehenden) Herausgabeanspruchs aus dem BMV mit B (§§ 870, 398 BGB) an K (= Rechtsschein) erwirbt K gutgläubig das Eigentum an dem Laserdrucker.
Greift der § 934 Alt. 2 BGB, weil der Veräußerer nicht einmal mittelbarer Besitzer ist, so muss der Veräußerer dem Erwerber einen ihm tatsächlich oder vermeintlich zustehenden Herausgabeanspruch abtreten, durch den der Erwerber dann zumindest mittelbarer Besitzer wird. Vorher fehlt es an jedweden Rechtsschein für einen gutgläubigen Erwerb.
Beispiel:
NB verkauft K einen Laserdrucker. Dieser gehört jedoch E, der den Drucker an B geleast hat. NB tritt dem K seinen angeblichen Herausgabeanspruch gegen B ab.
Frage: Was ist demnach erforderlich, damit K Eigentümer wird?
Im vorliegenden Fall ist NB als Veräußerer nicht mittelbarer Besitzer, denn es fehlt an einem BMV (§ 868 BGB) zwischen ihm und dem unmittelbaren Besitzer B. Ein gutgläubiger Erwerb ist demnach nur unter den Voraussetzungen der §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 2 BGB möglich. Der Veräußerer muss dem Erwerber K einen ihm tatsächlich oder vermeintlich zustehenden Herausgabeanspruch abtreten. Zusätzlich muss der Erwerber – wie bei § 933 BGB – zumindest mittelbaren Besitz an der Sache erlangen (d. h. wir brauchen eine Verstärkung seiner Besitzposition iFe Übergabe!).