Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)
I. Abwehransprüche des Eigentümers, § 1004 BGB
Die Abwehransprüche des Eigentümers dienen der Konkretisierung seiner Ausschließungsbefugnisse von seinem Eigentum nach § 903 S. 1 BGB. Aus dem § 1004 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer sein Eigentum umfassend vor jedweder Beeinträchtigung schützen, sofern er diese nicht aufgrund von Gesetz oder vertraglicher Vereinbarung dulden muss, § 1004 Abs. 2 iVm §§ 906 ff. BGB.
Der § 1004 Abs. 1 BGB schützt den Eigentümer – anders als der § 985 BGB – vor Beeinträchtigung, die nicht in einer Besitzentziehung oder -vorenthaltung bestehen. Der § 985 BGB ist für die Entziehung oder Vorenthaltung die speziellere Regelung, wobei die Anspruchsgrundlagen auch parallel gegeben sein können.
Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB ist nur auf die zukünftige Beseitigung oder Unterlassung der Beeinträchtigung des Eigentums gerichtet und besteht verschuldensunabhängig. Sofern den Dritten ein Verschulden trifft, bestehen über den § 1004 Abs. 1 BGB auch Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB, die dem Eigentümer insofern einen Schadensersatzanspruch zusprechen können. Dabei ist der § 1004 Abs. 1 BGB auch als Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB zu sehen.
Die Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB sind:
1. Anspruchsberechtigter ist der Eigentümer (oder Inhaber einer Rechtsposition);
2. Anspruchsgegner ist der Störer, d. h. derjenige, auf dessen Willensbetätigung die Beeinträchtigung unmittelbar oder adäquat mittelbar zurückzuführen ist;
a) Handlungsstörer – durch Tun oder Unterlassen des Dritten.
b) Zustandsstörer – der Dritte übt die Herrschaft über die gefahrbringende Sache aus, die durch die Störung verursacht wird.
3. Gegenwärtige Beeinträchtigung des Eigentums (oder sonstige geschützte Position) in anderer Weise als Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes oder
iRe Unterlassungsanspruchs: Ernsthafte Besorgnis über eine Wiederholungsgefahr von weiteren Störungen bzw. einer Erstbegehungsgefahr bei hinreichend konkreter Gefahr, sofern ein Abwarten den präventiven Zweck vereiteln würde.
Merke (eher für das 2. Examen):
Auch wenn es hierbei um eine zukünftige Unterlassung geht, zielt der Anspruch auf eine gegenwärtige Leistung – iFd Abwendung der Gefahr – daher sind die §§ 257 ff. ZPO nicht anwendbar und ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis iRd § 259 ZPO ist nicht erforderlich.
4. Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung
d. h. Fehlen eines Ausschlussgrundes oder einer Duldungspflicht des beeinträchtigten Eigentümers oder Rechtsinhabers, § 1004 Abs. 2 BGB.
- Grundsätzlich wird die Rechtswidrigkeit nach der Lehre vom Erfolgsunrecht durch die Eigentumsverletzung vermutet – daher trägt der Störer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Duldungspflicht.
a) Duldungspflicht aufgrund Rechtsgeschäft
Die Parteien können iRe schuldrechtlichen Vertrages die Gestattung o.ä. vereinbaren. Ebenso kann vertraglich auch ein dingliches Recht an dem Grundstück (z. B. Nießbrauch, Wegerecht) eingeräumt werden. Er kann eine solche auch erst nachträglich genehmigen und ist hierdurch dazu verpflichtet, die Beeinträchtigung zu dulden. Ein möglicher Widerruf ist nur ex nunc möglich.
b) Gesetzliche Duldungspflichten
(1) § 906 Abs. 1 BGB
- Die Duldungspflicht zielt auf den Ausgleich zwischen unterschiedlichen und gleichrangigen Nutzungsinteressen.
- Zunächst ist zu unterscheiden, ob es sich um eine unwesentliche oder wesentliche Beeinträchtigung handelt.
- Hierbei ist auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen (unter Berücksichtigung möglicher Grenzwerte) und iRe Abwägung zwischen dem Allgemeininteresse für und gegen die Einwirkung sowie dem Individualinteresse des Beeinträchtigten zu entscheiden.
- Liegt eine unwesentliche Beeinträchtigung vor, ist bereits eine Duldung anzunehmen, ohne dass ein Ausgleich erfolgt.
- Liegt eine wesentliche Beeinträchtigung vor, ist anschließend eine Ortsüblichkeit iSd § 906 Abs. 2 BGB zu prüfen.
- (-), keine Duldung und mögliche Abwehr nach § 1004 Abs. 1 BGB.
- (+), ist weiter zu klären, ob eine Vermeidung durch zumutbare Maßnahmen
möglich ist. - (+), keine Duldung und Abwehr gem. § 1004 Abs. 1 BGB möglich.
- (-), dann ist nur noch zu klären, ob eine Duldung ohne Entschädigung zumutbar ist oder eine solche zu erfolgen hat (evtl. § 906 Abs. 2 BGB).
(2) § 906 Abs. 2 BGB – iRe Nachbargrundstückes
- Nach Abs. 2 besteht eine Duldungspflicht, wenn eine wesentliche, ortsübliche Beeinträchtigung gegeben ist, die nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann.
- Aber es ist eine Billigkeitsentschädigung iFv Geld bei einer Unzumutbarkeit der Beeinträchtigung erfolgen.
(3) Duldungspflicht iRe Überbaus, §§ 912 ff. BGB.
(4) Notwegerecht, §§ 917 ff. BGB.
II. Sonstige Eigentumsschutzansprüche
Sonstige Eigentumsschutzansprüche können folgende sein:
1. Ansprüche aus §§ 987 ff., 812 ff. BGB – bei unbefugter Nutzung des Eigentums durch einen Dritten (s.o.).
2. Anspruch auf Wertersatz aus §§ 951, 812 BGB – bei Eigentumsverlust durch gesetzlichen Eigentumserwerb eines Dritten (s.o.).
3. Anspruch auf Herausgabe des Erlöses aus §§ 816 Abs. 1, 687 Abs. 2 BGB – bei einer wirksamen Verfügung eines Dritten über das Eigentum.