7. Ausschluss aufgrund Abhandengekommen, § 935 BGB

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)

Ausschluss aufgrund Abhandengekommen, § 935 BGB

Zum Schluss darf kein Abhandengekommen iSd § 935 BGB vorliegen. Eine Sache ist dem Eigentümer abhandengekommen, wenn er oder der Besitzmittler die Sache ohne (nicht notwendigerweise gegen) seinen Willen verliert, d. h. es handelt sich um einen unfreiwilligen Verlust der Sache. Maßgeblich ist dabei der Wille des Eigentümers, sofern sich der Wille des Eigentümers und des Besitzmittlers unterscheiden sollten. Aber Vorsicht, wenn der Besitzmittler die Sache dem Eigentümer unterschlägt und eigenständig ohne den Willen des Eigentümers z. B. weiterverkauft, ist er ein „einfacher“ Nichtberechtigter, der mit Willen die Sache weiterveräußern möchte, sodass der gutgläubige Erwerb möglich ist. Ein Irrtum oder eine Täuschung sind hingegen irrelevant, denn es handelt sich bei der Weggabe um einen Realakt, der nur freiwillig – unabhängig von den Gründen und Motiven – erfolgen muss. Eine Ausnahme findet sich in § 935 Abs. 2 BGB für Geld, Inhaberpapiere und Sachen, die im Wege öffentlicher Versteigerungen veräußert werden. Für diese Sachen gilt der § 935 Abs. 1 BGB nicht, um deren gesteigerte Umlauffähigkeit aufrecht zu erhalten. Es wird demnach der Gutglaubensschutz wiederhergestellt.

a) ( P ) Abhandengekommen bei Unterschlagung/ Weiterveräußerung durch den Besitzdiener

Folgende Problemkreise sollten Dir unbedingt geläufig sein: Der Besitzdiener unterschlägt die Sache und veräußert diese weiter. Fraglich ist nun, ob darin ein Abhandengekommen für den Eigentümer iSd § 935 BGB gegeben ist.

Die Problematik hierbei liegt darin, dass der Besitzdiener keine eigene Besitzposition innehat. Er übt die tatsächliche Sachherrschaft für den Besitzherrn aus, der unmittelbarer Besitzer ist.

Damit ist es bereits fraglich, ob überhaupt der erforderliche Rechtsschein gegeben ist, denn er ist eben nicht Besitzer im rechtlichen Sinne. Auch hier wird die Definition der Übergabe wieder entscheidend, denn für einen gutgläubigen Erwerb benötigt es einer Übergabe. Das bedeutet, der Erwerber muss zumindest mittelbaren Besitz an der Sache auf Veranlassung des Veräußerers erlangen und der Veräußerer muss seinen Besitz vollständig aufgeben. Es erscheint fraglich, ob die Weggabe des Besitzdieners ein Zurechnungselement enthält.

(1) Fall:
Der Lagerarbeiter L, der nur für die Organisation des Lagers zuständig ist, veräußert eine Palette Haushaltswaren an D.

Damit liegt eine eigenmächtige Weggabe seitens des Besitzdieners vor, die unmittelbar in dem Gewahrsamsbereich des Besitzherrn erfolgte. Folglich liegt ein Abhandenkommen unproblematisch vor, da sie ausdrücklich gegen den Willen des Besitzherrn verstößt.

(2) Fall:
Der L veranstaltet Tupperpartys, auf denen er die verschiedenen Modelle von Tupperware vorstellt. Dafür wurden ihm von Tupperware verschiedene Modelle zur Verfügung gestellt. Auf einer der Partys verkauft er diese Vorstellungsmodelle nun an B.

Es liegt somit eine eigenmächtige Weggabe seitens des Besitzdieners vor, die außerhalb des Gewahrsamsbereiches des Eigentümers erfolgte. Problematisch ist hierbei, dass L weisungsgemäß außerhalb des Gewahrsamsbereiches tätig wurde. In dem Moment, in dem er die Modelle verkauft, stellt er sich also als Eigentümer der Modelle dar. Ob darin nun ein Abhandengekommen für den Eigentümer zu sehen ist, ist umstritten:

Rechtsprechung & Teile der Literatur stellen allein auf die objektive Besitzlage ab und nicht auf den äußeren Schein. Die Ansicht verweist dabei auf den § 935 Abs. 1, S. 1 BGB, der nur voraussetze, dass der unmittelbare Besitzer die Sache ohne seinen Willen verlieren müsse.

  • Auch sei bei der Beurteilung der Freiwilligkeit des Besitzverlustes allein auf die Willensrichtung des Besitzers bzw. im vorliegenden Fall des Besitzherrn abzustellen.

  • Damit sei ein Abhandengekommen zu bejahen, denn der unmittelbare Besitzer (= Besitzherr) verliere durch die Weggabe des Besitzdieners ohne seinen Willen den Besitz. Dabei ist dies unabhängig davon zu beurteilen, dass die Besitzdienerstellung meist nicht erkennbar ist.

a.A. stellt auf den Willen des Besitzdieners ab, sofern er eine nach außen hin selbstständige und damit eine dem unmittelbaren Besitzer vergleichbare Besitzposition einnimmt.

  • Die Weggabe erfolgt seitens des Besitzdieners freiwillig, sodass ein § 935 BGB nicht vorliege.

  • Hierzu argumentiert diese Ansicht, dass der Eigentümer selbst die Sache dem Besitzdiener übergibt und damit auch das Risiko eines möglichen Rechtsmissbrauchs tragen müsse. So habe sein Schutz hinter dem Schutz des Erwerbers und des Rechtsverkehrs zurückzustehen.

  • Zudem diene die Gleichbehandlung dem Schutz vor verschiedenen Ergebnissen trotz desselben Rechtsscheins, da die Besitzdienerstellung idR nicht erkennbar ist.

b) Gutgläubiger lastenfreier Erwerb, § 936 BGB

Der § 936 BGB ermöglicht einen lastenfreien Erwerb einer mit (dinglichen) Rechte Dritter belasteten Sache, sofern der Erwerber hinsichtlich der Belastungen gutgläubig ist. Das heißt, er muss gutgläubig dahingehend sein, dass die Sache nicht z. B. mit einem Nießbrauch (§ 1030 BGB), vertraglichen oder gesetzlichen Pfandrechten, einem Pfändungspfandrecht (§ 804 Abs. 1 ZPO) oder einem Anwartschaftsrecht belastet ist.

Schaubild 6 Sachenrecht

In einer Klausur wird immer wieder gerne das Problem gestellt, dass ein Nichtberechtigter eine mit Drittrechten belastete Sache weiterveräußert. Hier ist die Gutgläubigkeit des Erwerbers sowie ein mögliches Abhandengekommen in zweifacher Hinsicht zu prüfen:

  1. zum einen im jeweiligen Grundtatbestand des Erwerbes der Sache gem. §§ 932 ff. BGB im Hinblick auf das Eigentum des Veräußerers und

  2. zum anderen im Hinblick auf die Lastenfreiheit der Sache gem. § 936 BGB.

Merke:
Weder dem Eigentümer noch dem Inhaber des Rechts darf die Sache abhandengekommen sein!

Schaubild 7 Sachenrecht

Für den § 936 BGB ist es