Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin)
I. Differenzierung zwischen den einzelnen Anspruchsgrundlagen
II. Verklagter Besitzer, § 989 BGB
Durch die Zustellung einer Klage wird diese rechtshängig (§§ 263 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO). Ab diesem Zeitpunkt haftet der Besitzer nach strengen Maßstäben, da er ab da an weiß, dass der Eigentümer die Sache zurückhaben möchte.
III. Bösgläubiger Besitzer, §§ 990, 989 BGB
Für die Bestimmung der Bösgläubigkeit ist der § 932 Abs. 2 BGB zu beachten. Damit ist der Besitzer bösgläubig, wenn er den Mangel seines Besitzrechts kennt oder grob fahrlässig nicht kennt. Damit verlagert der § 990 BGB den Zeitpunkt des Haftungsbeginns auf den (evtl. früheren) Zeitpunkt der Kenntniserlangung (anstatt wie der § 989 BGB allein auf die Zustellung der Klage abstellt). Er zielt grundsätzlich auf die Bösgläubigkeit bei Besitzerwerb. Für den Fall, dass er bei Erwerb der Sache berechtigt war und sein Besitzrecht erst später wegfiel, dann ist entscheidend, wann er von diesem Wegfall Kenntnis erlangte. Der maßgebliche Zeitpunkt für den § 989 BGB ist die Zustellung der Klageschrift liegt.
Merke:
Entscheidend ist der Zeitpunkt der positiven Kenntniserlangung des Besitzers!
( P1 ) Bösgläubigkeit des Besitzdieners
Wie oben bereits gesehen, kommt es auf die Kenntnis des Besitzers an. Dies gilt auch bei einem Besitzdiener (der selbst keine Besitzposition innehat!), sodass nur die Kenntnis des Besitzherrn entscheidend ist.
Fraglich ist jedoch, ob der redliche Besitzer sich den bösen Glauben seines Besitzdieners zurechnen lassen muss. Eine entsprechende Zurechnungsnorm enthält das Gesetz hierfür nicht, sodass eine Zurechnung nur nach den bekannten Normen erfolgen könnte.
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Der § 278 BGB ist nicht anwendbar, da das gesetzliche Schuldverhältnis der §§ 987 ff. BGB erst durch den Besitzerwerb begründet wird.
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Teilweise wird die Anwendbarkeit des § 831 BGB anerkannt, da die §§ 989, 990 BGB eine quasi-deliktische Regelung darstellen. Diese Ansicht sieht bereits in der bösgläubigen Besitzbegründung einen deliktsähnlichen Charakter.
Pro:
Der Besitzherr hafte vor Besitzerwerb und iRe Besitzanmaßung ebenfalls aus § 831 BGB, daher könne danach kein Unterschied hierzu gemacht werden.Contra:
Es handelt sich vorliegend um die Zurechnung einer Kenntnis als subjektives Merkmal, welches nicht vom § 831 BGB erfasst wird. -
Vielmehr ist das Bewusstsein von § 166 BGB erfasst als sog. „Vertreterbewusstsein“ und passe daher besser. Er wird von der Rechtsprechung und Teil der Literatur analog angewendet. Erforderlich ist dabei eine vergleichbare Stellung des Besitzdieners, d. h. er muss im Rechtsverkehr vollständig frei auftreten können. Hat der Besitzdiener den Besitz iR seiner insoweit übertragenen Tätigkeit erworben, wird dessen Bösgläubigkeit dem Besitzherrn zugerechnet.
( P2 ) Umwandlung vom Fremd- zum Eigenbesitz
Umstritten ist, ob in der Umwandlung eines berechtigten Fremdbesitzes in einen unrechtmäßigen Eigenbesitz ein Besitzerwerb iSd § 990 BGBG liegt.
e. A. (-), sodass keine Haftung nach §§ 989, 990 BGB
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Denn unter Besitzerwerb iSd § 990 BGB sei die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft zu verstehen, sodass allein die Veränderung des Willens nicht genügen könne.
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Eine Haftung aus §§ 989, 990 BGB scheidet aus, sodass nur eine solche aus vertraglichen oder deliktischen Ansprüchen erfolgen könne.
Rechtsprechung. (+), auch die Umwandlung eines Fremd- in einen Eigenbesitz sei ein Besitzerwerb
- denn der Fremd- und Eigenbesitz seien ihrem Wesen nach grundlegend verschieden, sodass eine Gleichstellung der Besitzarten nicht gerechtfertigt werden könne.
IV. Der Fremdbesitzerexzess des redlichen Besitzers, §§ 993 Abs. 1, Hs. 2, 991 Abs. 2 BGB
Grundsätzlich haftet der redliche Besitzer nicht auf Schadensersatz gem. § 993 Abs. 1, Hs. 2 BGB. Ausnahmsweise kann dieser jedoch zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er den (unrechtmäßigen) Besitz von einem Dritten (nicht Eigentümer) als Fremdbesitz erlangt hat und dem Dritten (als mittelbarer Besitzer) gegenüber für entstandene Schäden haften würde, §§ 991 Abs. 2, 989 BGB. Dabei gilt, dass für den Schadensersatzanspruch des Eigentümers das BMV zwischen dem Fremdbesitzer und dem Dritten maßgeblich ist. Das hat zur Folge, dass dem Fremdbesitzer etwaige gesetzliche und vereinbarte Haftungsprivilegien aus diesem Verhältnis zugutekommen. Anders gesagt, er haftet nicht für Schäden, bei denen er aufgrund des Schuldverhältnisses mit dem Dritten darauf vertrauen durfte, dass er sie vornehmen durfte bzw. diese entschädigungslos bleiben würden.
Problematisch sind dahingegen Haftungsverschärfungen. Es ist fraglich, wie der Verweis des § 991 Abs. 2 BGB auf § 989 BGB zu verstehen ist.
e. A. sieht in dem Verweis auf § 989 BGB („den in § 989 BGB bezeichneten Schaden“) lediglich eine Feststellung der Schadensart. Für den Haftungsmaßstab sei jedoch allein das BMV zwischen dem Fremdbesitzer und dem Dritten maßgeblich.
- Damit greifen zum einen die Privilegierungen wie auch die Verschärfungen aus diesem.
a. A. verneint die Anwendbarkeit der Haftungsverschärfungen aus dem BMV. Mit dem Verweis auf § 989 BGB sollte der Verantwortlichkeitsmaßstab des § 989 BGB insgesamt herangezogen werden, sodass ein Verschulden vorliegen muss.
- Andernfalls würde es auch zu einem Wertungswiderspruch kommen, da der gutgläubige unberechtigte Fremdbesitzer dann schlechter stehen würde als der bösgläubige Fremdbesitzer, der nur nach §§ 990 Abs. 1 iVm §§ 276, 278 BGB hafte.
Die §§ 823 ff. BGB finden iRd Fremdbesitzerexzesses ausnahmsweise (nach beiden Ansichten) unmittelbare Anwendung.
Tipp:
Wirklich entscheidend wird dieses Problem, wenn der Fremdbesitzer gegenüber dem Dritten in Verzug gerät und dann eine entsprechende Zufallshaftung nach § 287 BGB im Raum steht. Für diesen Fall sind sich aber beide Ansichten einig, dass der gutgläubige unberechtigte Fremdbesitzer nicht für Verzugsschäden haftet.
Erhält der Besitzer den Besitz unmittelbar vom Eigentümer als Fremdbesitz (z. B. Miete, Leihe), weiß er, dass er eine fremde Sache besitzt, mit der er nicht uneingeschränkt verfahren darf. Überschreitet er sein Besitzrecht (siehe bereits oben, der sog. „nicht-so-berechtigte“ Besitzer bzw. ebenfalls sog. Fremdbesitzerexzess) kann auch er schadensersatzpflichtig sein. Eine gesetzliche Regelung hierfür gibt es nicht ausdrücklich, denn der § 991 Abs. 2 BGB gilt nur für ein Dreipersonenverhältnis. Dennoch darf für solche Fälle nichts anderes gelten, darüber besteht Einigkeit. Nur die rechtliche Begründung ist umstritten:
e. A. nimmt eine analoge Anwendung des § 991 Abs. 2 BGB an, da der Grundgedanke ähnlich wäre. Eine Haftung aus den §§ 823 ff. BGB sei dadurch eröffnet.
a. A. wendet die §§ 823 ff. BGB unmittelbar an. Wobei nach dieser Ansicht diese nicht allein bei dem Fremdbesitzerexzess Anwendung finden sollen, sondern bereits beim Fremdbesitz. Dies begründet die Ansicht damit, dass bereits einem Fremdbesitzer bewusst sein sollte, dass er die Sache lediglich für jemand anderes besitzt und mit der Sache gerade nicht nach Belieben verfahren kann. Überschreite er dann noch sein Besitzrecht, sei er nicht mehr schutzwürdig. Dies ergebe sich aus einer teleologischen Reduktion des § 993 Abs. 1, Hs. 2 BGB.
V. Der deliktische Besitzer, § 992 BGB
Nach dem § 992 BGB haftet der deliktische Besitzer nach den §§ 823 ff. BGB, d. h. derjenige, der sich seinen Besitz durch verbotene Eigenmacht oder Straftat verschafft hat. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung und nicht um eine eigenständige AGL, d. h. es müssen die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 823 ff. BGB vorliegen.
VI. Umfang des Schadensersatzes
Der Besitzer haftet nach den §§ 989, 990 BGB für jede objektive Beeinträchtigung der Sache. Dabei muss diese auf ein schuldhaftes Verhalten beruhen. Ausnahme hiervon ist der verklagte oder bösgläubige Besitzer, der auch für unverschuldete Verschlechterungen haftet gem. §§ 989, 990 BGB.