Vertreter ohne Vertretungsmacht im Rahmen der Stellvertretung

Autorin: Kim Alexandra Reichenbach (Referendarin)

Vertreter ohne Vertretungsmacht

Handelt der Vertreter ohne Vertretungsmacht und kommt auch kein Rechtsschein zur Anwendung, haftet der Vertreter direkt aus § 179 Abs. 1 BGB (Anspruchsgrundlage). Der Geschäftspartner hat dann die Wahl zwischen Erfüllung und Schadensersatz (Abs. 1). Hat der Vertreter nicht gewusst, dass er ohne Vertretungsmacht handelt, haftet er gem. Abs. 2 nur auf den Vertrauensschaden. Der Vertreter haftet gar nicht, wenn der Geschäftspartner die fehlende Vertretungsmacht kannte, vgl. Abs. 3 S. 1. Ein Minderjähriger haftet nach Abs. 3 S. 2 nie als Vertreter ohne Vertretungsmacht.

Beachte, dass der Vertreter nur als Vertragspartner behandelt wird. Ein tatsächlicher Vertrag kommt mit dem Vertreter nicht zustande. Daraus folgt, dass § 179 Abs. 1 BGB die Anspruchsgrundlage für die gutachterliche Lösung ist, nicht der Vertrag selbst.

Probleme entstehen, wenn eine bereits gebrauchte Innenvollmacht (§ 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB) wirksam angefochten wird. [Teilweise wird die Möglichkeit der Anfechtung einer Vollmacht nach ihrem Gebrauch abgelehnt. Die h.M. lässt eine Anfechtung jedoch zu. ]

Beispiel: Studioleiter S bevollmächtigt seinen Angestellten L, während seiner Abwesenheit neue Studiogeräte bis zu einer Höhe von 10.000 € zu bestellen. Bei Ausstellen der Vollmacht vertippt sich S aber und bevollmächtigt L zum Kauf neuer Geräte i.H.v. 100.000 €. L tätigt daraufhin eine Bestellung bei C i.H.v. 70.000 €. Als S zurückkehrt, bemerkt er seinen Irrtum und fechtet die Vollmacht an.

Durch die ex-tunc Anfechtungswirkung gem. § 142 Abs. 1 BGB wird L so behandelt, als habe eine Vollmacht von Anfang an nicht vorgelegen, d.h. er wird zum Vertreter ohne Vertretungsmacht. Im Ergebnis würde er C nach § 179 Abs. 2 BGB auf den Vertrauensschaden haften (denn er kannte den Mangel der Vertretungsmacht nicht).

Durch die Anfechtung der Vollmacht haftet aber auch S dem L nach § 122 Abs. 1 BGB. C könnte also von L und L könnte von S Schadensersatz fordern. Dies erscheint angesichts des Irrtums von S auch sachgerecht. Problematisch wird es aber, wenn L dem C keinen Schadensersatz zahlen kann, weil er insolvent ist. Dann müsste C das Insolvenzrisiko des L tragen. Weil das unbillig ist, möchte die h.M. hier einen direkten Anspruch des C gegen S gem. § 122 Abs. 1 BGB analog zulassen. Dann nämlich trägt S das Insolvenzrisiko des C, was gerechter erscheint, denn S hat den Schaden verursacht.

Umstritten ist auch, wem gegenüber die Anfechtung der gebrauchten Innenvollmacht zu erklären ist. Eine Ansicht verlangt die Anfechtung direkt gegenüber dem Geschäftspartner, da die Anfechtung der Vollmacht das Vertretergeschäft unwirksam werden lässt. Die Gegenansicht verlangt die Anfechtung nur gegenüber dem Vertreter. Allerdings bestünde eine Informationspflicht gegenüber dem Geschäftspartner.

Besonderheiten gibt es nur bei der Anfechtung der nach außen kundgegebenen Innenvollmacht gem. § 171 Abs. 1 BGB sowie bei Vorlage der Vollmachtsurkunde. Dann muss die Anfechtung auch gegenüber dem Geschäftsgegner erfolgen.