Autorin: Kim Alexandra Reichenbach (Referendarin)
Rechtsgeschäfte sind grundsätzlich formlos. Nur ausnahmsweise sind Rechtsgeschäfte formbedürftig, wenn das Gesetz der Form eine spezielle Funktion zuschreibt.
- Die Warnfunktion schützt vor übereilten Verpflichtungen (Übereilungsschutz), so z. B. das Schriftformerfordernis gem. § 766 BGB bei der Bürgschaft.
- Die Beweisfunktion dient der Rechtsklarheit und -sicherheit, z. B. § 550 BGB, der für Mietverträge, die länger als ein Jahr andauern, die Schriftform vorsieht.
- Die Belehrungsfunktion soll die Parteien über die Folgen des abzuschließenden Rechtsgeschäfts belehren, z. B. die notarielle Beurkundung gem. § 311b BGB.
- Durch behördliche Kontrolle des vorgenommenen Rechtsgeschäfts entfaltet das Formerfordernis eine Kontrollfunktion.
Parteien können auch durch Rechtsgeschäft eine bestimmte Form vorschreiben (sog. gewillkürtes Formerfordernis). Hier gilt bei einem Formverstoß das Rechtsgeschäft gem. § 125 S. 2 BGB als „im Zweifel“ nichtig, d.h. haben die Parteien eine Regelung getroffen, nach der das Rechtsgeschäft trotz Nichtbeachtung der vereinbarten Form wirksam sein soll, ist diese vorrangig (eventuell durch Auslegung zu ermitteln).
Die Anforderungen an einzelne Formerfordernisse finden sich in den §§ 126 ff BGB.
Grundsätzlich ist bei Formverstößen das Rechtsgeschäft gem. § 125 S. 1 BGB nichtig. Teilweise kann ein Formmangel aber auch geheilt werden, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist, z. B. in § 311 b Abs. 1 S. 2 BGB (bei Auflassung und Eintragung ins Grundbuch wird der Kaufvertrag über das Grundstück ohne notarielle Beurkundung trotzdem wirksam).
Oft sieht das Gesetz die Heilung des Formmangels durch Erfüllung vor, denn das Geschäft soll dann nicht im Nachhinein wegen Formmangels rückabgewickelt werden müssen (z. B. § 518 Abs. 2 BGB bei einem Schenkungsversprechen).
Beachte, dass § 125 S. 1 BGB in der Klausur immer zu der entsprechenden Norm, aus der sich eine Formvorschrift ergibt, dazu zu zitieren ist, z. B. §§ 311b Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 BGB.
Täuscht eine Partei die andere über das Formerfordernis, kann sich der Täuschende später nicht auf die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts berufen und die Erfüllung verweigern. Missachten beide Parteien das Formerfordernis, ist das Rechtsgeschäft nichtig. Bei fahrlässiger Nichtbeachtung beider Parteien ist das Rechtsgeschäft nur dann nicht nichtig, wenn die Nichtigkeit „schlechthin untragbar“ ist. In all diesen Fällen durchbricht der Grundsatz von Treu und Glauben i.S.d. § 242 BGB das Formerfordernis.