Autorin: Kim Alexandra Reichenbach (Referendarin)
Geschäftswille
Der Erklärende hat einen Geschäftswillen, wenn ihm bewusst ist, mit seiner Willenserklärung diese ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen (also nicht nur irgendetwas rechtserhebliches zu erklären, vgl. Erklärungsbewusstsein).
Folgen des Fehlens einzelner Merkmale der Willenserklärung
Das Fehlen der einzelnen Bausteine der Willenserklärung hat unterschiedliche Folgen. Daher ist in der Klausur genau zu erörtern, welcher der Bausteine davon fehlt.
Fehlender objektiver Tatbestand
Fehlt der objektive Tatbestand der Willenserklärung, so ist die Willenserklärung auch nicht wirksam. Entsteht für einen objektiven Dritten (Empfängerhorizont) nicht der Eindruck, dass der Erklärende eine Rechtsfolge herbeiführen will, dann mangelt es an einem absolut notwendigen Wirksamkeitsbaustein der Willenserklärung.
Dies ist z. B. bei der oben erläuterten invitatio ad offerendum der Fall.
Fehlen von Merkmalen des subjektiven Tatbestands
Hier unterscheiden sich die Folgen des Fehlens der einzelnen Merkmale:
Fehlender Handlungswille
Auch der Handlungswille gilt als notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung. Es erscheint nicht gerechtfertigt, jemanden im Hinblick auf § 105 Abs. 2 BGB an einer Willenserklärung festzuhalten, dem das Bewusstsein fehlt, überhaupt zu handeln. Die Willenserklärung, die ohne Handlungswille abgegeben wird, ist damit nichtig.
Fehlen des Erklärungsbewusstseins
Die Folgen des Fehlens des Erklärungsbewusstseins sind umstritten. Es werden zwei Ansätze vertreten, wie die Fälle i.S.d. „Trierer Weinversteigerung“ zu behandeln sind:
1. Ansatz: Die Willenstheorie (M.M.)
Für die Vertreter der Willenstheorie ist auch das Erklärungsbewusstsein notwendiger Bestandteil der Willenserklärung, weswegen die Willenserklärung im Ergebnis nichtig ist. Dies folgt aus einem Erst-Recht-Schluss zu § 118 BGB: Eine Person, die eine Erklärung abgibt in der Erwartung, der Gegenüber würde erkennen, dass diese Erklärung nicht ernst gemeint ist, dürfe nicht bessergestellt werden, als wenn dem Erklärenden das Bewusstsein fehlt, überhaupt irgendetwas Rechtserhebliches zu erklären.
Der Erklärende macht sich dann analog § 122 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig, da dies für § 118 BGB ebenfalls angeordnet ist und der Erklärende ohne Erklärungsbewusstsein nicht bessergestellt werden dürfe. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Willenserklärung des A (Handheben) nichtig ist. Damit ist auch der Vertrag als solches nichtig, denn dieser kann nur durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen. A wäre dann analog § 122 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (dieser ist gerichtet auf den Vertrauensschaden, nicht den Erfüllungsschaden).
2. Ansatz: Die Erklärungstheorie (h.M.)
Die Vertreter der Erklärungstheorie gehen nicht von der automatischen Nichtigkeit der Willenserklärung aus, denn § 118 BGB würde den Vertrauensschutz vernachlässigen. Sie gehen davon aus, dass sich der Erklärende die Erklärung auch zurechnen lassen muss, wenn er bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass sein Verhalten als eine Willenserklärung gedeutet werden kann.
Nach der Erklärungstheorie soll die Willenserklärung aber zumindest anfechtbar sein. Wenn bei der Abweichung zwischen Wille und Erklärung ein Anfechtungsrecht besteht, müsse ein solches erst recht gelten, wenn das Bewusstsein fehlt, überhaupt irgendetwas Rechtserhebliches zu erklären (analog § 119 Abs. 2 BGB). Im Ergebnis führt auch diese Theorie zu einer Schadensersatzpflicht nach § 122 Abs. 1 BGB.
Die Erklärungstheorie verlangt stets eine Einzelfallbetrachtung, um beurteilen zu können, ob der Erklärende bei pflichtgemäßer Sorgfalt tatsächlich hätte erkennen können oder müssen, dass seine Erklärung für einen objektiven Dritten (Empfängerhorizont) als Willenserklärung aufgefasst werden kann. Dieser Dritte muss gleichfalls schutzwürdig sein, was nicht der Fall ist, wenn er erkennt, dass der Erklärende gar keine Willenserklärung abgeben möchte (z. B. weil V im Beispielsfall B ebenfalls hereinkommen sieht und deutlich erkennbar ist, dass A diesen nur grüßen will).
Achtung: In der Klausur ist hier daran zu denken, dass das Wissen einer anderen Person dem betroffenen Dritten über § 166 BGB zugerechnet werden kann.
3. Relevanz des Meinungsstreits
Auch wenn die Rechtsfolgen der Anwendung beider Theorien zunächst zum gleichen Ergebnis führt, ist Vorsicht geboten. Zu einem unterschiedlichen Ergebnis gelangen die beiden Theorien dann, wenn die Anfechtungsfrist des § 121 BGB bereits abgelaufen ist. Nach der Willenstheorie würde der Vertrag mangels Erklärungsbewusstsein nicht zustande kommen, nach der Erklärungstheorie aber schon, da die Willenserklärung unanfechtbar und damit wirksam geworden ist. Eine Anfechtung scheidet dann aus.
Zu einem unterschiedlichen Ergebnis gelangen die beiden Theorien auch dann, wenn der Erklärende die Willenserklärung, die ohne Erklärungsbewusstsein abgegeben wurde, für sich gelten lassen möchte. So z. B., wenn A einen besonders edlen Wein zu einem guten Preis ersteigert hat und diesen dann auch gerne behalten würde. Die Willenstheorie bleibt hier bei der Nichtigkeit der Willenserklärung, wonach kein Vertrag zustande gekommen ist. Die Erklärungstheorie würde dazu führen, dass A die Willenserklärung nicht anficht und der Vertrag somit wirksam zustande kommt.
In der Klausur ist der Streitstand darzustellen. Es sollte sich aber in jedem Fall der Erklärungstheorie angeschlossen werden, denn sie lässt eine Einzelfallbetrachtung zu und berücksichtigt hinreichend den Vertrauensschutz, der dem Grundsatz der Privatautonomie als eine der obersten Prinzipien des Zivilrechts gegenübersteht.
Fehlen des Geschäftswillen
Der Geschäftswille wird nicht als notwendiger Baustein einer Willenserklärung angesehen. Daher vertritt man die Ansicht, dass eine Person, die zwar weiß, dass sie handelt und auch weiß, dass sie damit etwas Rechtserhebliches erklärt, aber nicht weiß, gerade das zu erklären, was sie erklärt, besser hätte aufpassen müssen.
Im Ergebnis steht ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung der Wirksamkeit der Willenserklärung nicht entgegen, sie ist bloß nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar. Ficht der Erklärende seine Erklärung an, ist er schadensersatzpflichtig nach § 122 Abs. 1 BGB.