Autorin: Kim Alexandra Reichenbach (Referendarin)
Eigene Willenserklärung
Der Stellvertreter gibt eine eigene Willenserklärung ab. Das unterscheidet ihn vom Boten, der eine fremde Willenserklärung überbringt. Die Abgrenzung der Stellvertretung von der Botenschaft erfolgt alleine aus dem äußeren Auftreten. Ausschlaggebend ist, dass aus der Sicht eines Dritten (Empfängerhorizont) ein eigener Entscheidungsspielraum des Vertreters besteht. Dann liegt eine Stellvertretung vor.
Aus den Kriterien des eigenen Entscheidungsspielraums und der Abgabe einer eigenen Willenserklärung folgt, dass der Stellvertreter zumindest beschränkt geschäftsfähig sein muss (§ 165 BGB). Als Bote kann indes auch ein geschäftsunfähiges Kind eingesetzt werden (Merksatz: Ist das Kindlein noch so klein, kann es doch schon Bote sein).
Hinsichtlich des Vorliegens von Willensmängeln (wichtig z. B. bei einer Anfechtungssituation) ist bei der Stellvertretung grundsätzlich auf die Kenntnis des Vertreters abzustellen (§ 166 BGB), beim Boten auf die Kenntnis des Geschäftsherrn.
Auch beim Zugang der Willenserklärung ist zwischen Vertreter und Bote zu unterscheiden. Die dem Empfangsvertreter gegenüber abgegebene Willenserklärung geht regelmäßig sofort zu, wohingegen die einem Empfangsboten gegenüber abgegebene Willenserklärung erst dann zugeht, wenn mit ihrer Weitergabe an den Empfänger zu rechnen ist. Empfangsbote ist, wer geeignet und bestimmt ist, Erklärungen an den Empfänger zu überbringen. Das Risiko der Nicht- oder Falschübermittlung trägt der Empfänger, denn dieser hat die betreffende Person als Empfangsboten eingesetzt. Wenn der Erklärende zur Übermittlung eine Person einsetzt, die vom Empfänger nicht bestimmt oder hierfür ungeeignet war, trägt der Erklärende das Übermittlungsrisiko.
Beispiel 1: Kranführer R bestellt bei der Sekretärin S des C 10 Schrauben. S sagt dem C aus Unachtsamkeit, R wolle 100 Schrauben. Da S Empfangsbotin des C ist und sie sich im Zeitpunkt des Angebots durch R in den Geschäftsräumlichkeiten befindet, ist die Willenserklärung mit dem richtigen Inhalt von 10 Schrauben zugegangen.
Beispiel 2: Kranführer R trifft die 5-jährige Tochter T des C auf dem Nachhauseweg vom Kindergarten an und gibt ihr gegenüber die Bestellung auf. T ist weder geeignet, diese Willenserklärung zu überbringen, noch dazu von C bestimmt. Übermittelt sie die Erklärung gar nicht oder falsch, geht dies zu Lasten von R. Bei einer Falschübermittlung besteht allerdings gegenüber C ein Anfechtungsrecht (§ 120 BGB).