Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin))
1. Durch den berechtigten Karteninhaber bei Zahlungsunfähigkeit
Bei der Benutzung der EC-Karte durch den Karteninhaber in einem Geschäft sind verschiedene Verfahren voneinander zu unterscheiden.a) POS-Verfahren
Bei dem POS-Verfahren („point of sale“) bezahlt der Händler eine Gebühr an die Bank, die dafür im Gegenzug eine Garantie für die Zahlung übernimmt. Das heißt, wenn der Karteninhaber zahlungsunfähig ist, trägt die Bank das Insolvenzrisiko. Bei dem kontaktlosen Bezahlen handelt es sich immer um ein POS-Verfahren, unabhängig von der Eingabe des PINs.
aa) Die Strafbarkeit des Karteninhabers könnte aus § 266b I StGB folgen. Eine Ansicht sieht in der EC-Karte keine taugliche Karte im Sinne des Wortlauts. Die h.M. hingegen sieht in der EC-Karte eine Scheckkarte, sofern sie mit einer (Zahlungs-) Garantie der Bank verbunden ist. Dies ergebe sich nach dieser Ansicht aus der historischen Entwicklung der EC-Karte (Ablösung der Zahlungsschecks). Aufgrund der Garantie entsteht zudem bereits der Vermögensschaden der Bank durch die Verwendung der Karte, nicht erst mit Auszahlung des Geldes.
bb) Ein Dreiecksbetrug gem. § 263 I StGB zum Nachteil des Händlers scheitert zum einen mangels des Vorliegens einer Täuschung und zum anderen mangels eines Schadens. Aufgrund der Zahlungsgarantie der Bank entsteht der Bank ein Schaden und nicht dem Händler.
cc) Strittig ist, ob in dem Verwenden der Karte ohne Zahlungsfähigkeit ein Computerbetrug gem. § 263 I Var. 3 StGB durch unbefugtes Verwenden von Daten gegeben ist.
In diesen Fällen möchte eine Ansicht auf den hypothetischen Willen der Bank abstellen. Diese hat idR keinen Willen, dass Kunden trotz Zahlungsunfähigkeit ihre Karte verwenden.
Die h.M. nimmt eine betrugsspezifische Auslegung vor. Erforderlich ist nach dieser ein täuschungsäquivalentes Verhalten des Täters. In der Prüfung ist zu fragen, ob ein fiktiver Bankmitarbeiter getäuscht worden wäre. Grundsätzlich liegt in dem Verwenden der Karte eine konkludente Erklärung, dass das Konto gedeckt ist. Eine weitergehende Überprüfung der Bonität würde auch ein Bankmitarbeiter nicht vornehmen, sondern nur, ob der Verfügungsrahmen eingehalten wird. Andernfalls drohe auch ein Wertungswiderspruch zu den unterschiedlichen Strafrahmen des § 263a sowie § 266b StGB zu der fehlenden Versuchsstrafbarkeit des § 266b StGB. Nach dieser Ansicht sperrt somit der § 266b StGB die Anwendbarkeit des § 263a StGB.
dd) Ein mögliches Erschleichen iSd §§ 265a I, 266 I StGB scheitert an der ordnungsgemäßen Benutzung der Karte durch den berechtigten Karteninhaber.
b) POZ-Verfahren
Bei dem POZ-Verfahren handelt es sich um ein Zahlungsverfahren ohne Übernahme einer Garantie durch die Bank. Es wird auch elektronisches Lastschriftverfahren (ELV) genannt. Bei diesem Verfahren erteilt der Karteninhaber dem Händler eine Einzugsermächtigung. Der Händler trägt somit bei Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzrisiko.
Dem entsprechend kommt hier auch eine Strafbarkeit nach § 263 I StGB gegenüber dem Händler in Betracht. Mangels einer Garantie seitens der Bank ist der Zahlungsanspruch des Händlers gegenüber dem Karteninhaber wertlos, sofern dieser zahlungsunfähig ist. Durch das Verwenden der Karte liegt hier eine konkludente Täuschung vor, die zu einem irrtumsbedingten Gefährdungsschaden in Form eines Eingehungsbetruges führt.
Durch das ansonsten ordnungsgemäße Einsetzen der Karte und dem lediglich Auslesen der Kartendaten scheidet eine Strafbarkeit nach § 263a I Var. 3 StGB aus.
c) Selbstbedienungskassen
Die Besonderheit einer Selbstbedienungskasse liegt in dem Punkt, dass kein Mensch kassiert. Scannt der berechtigte Karteninhaber einen günstigeren Artikel als den eigentlich teureren Artikel. wäre der § 266b I StGB vorrangig gegeben und würde den § 263a I StGB sperren. Letzterer kann nur bei Barzahlungen oder bei der Benutzung einer Karte durch einen Unberechtigten greifen. Liegt eine Barzahlung oder das Verwenden einer Karte durch einen Nichtberechtigten vor, ist wieder die Frage zu stellen, ob ein fiktiver Kassierer getäuscht worden wäre. Demnach muss sich argumentativ entschieden werden, ob man annimmt, dass der Kassierer stets prüft, ob die richtige Ware eingescannt wurde oder ob man eine Überprüfung durch den Kassierer ablehnt. Darüber hinaus ist sehr umstritten, ob ein Datenverarbeitungsvorgang in diesen Fällen tatsächlich beeinflusst wurde. Lehnt man dies ab, kommt man zu einer möglichen Strafbarkeit aus § 242 I StGB.
d) Durch den berechtigten Karteninhaber am Bankautomaten trotz Zahlungsunfähigkeit
aa) Bei der eigenen Bank
Hebt der berechtigte Karteninhaber bei seiner eigenen Bank Geld am Automaten ab, scheitert eine Strafbarkeit nach § 266b I StGB bereits mangels eines Drei-Personen-Verhältnisses.
Der § 263a I Var. 3 StGB kommt ebenfalls nicht in Betracht, da auch ein fiktiver Bankmitarbeiter nur die Identität und Einhaltung der Verfügungsgrenze, nicht aber die Bonität prüfen würde.
bb) Bei einer Drittbank
Hebt der berechtigte Karteninhaber hingegen bei einer Drittbank Geld ab, kommt der § 266b I StGB in Betracht. Er scheitert, wenn die Drittbank eine Abfrage online an die Ausstellerbank vornimmt. In diesen Fällen entscheidet die Ausstellerbank über die Geldausgabe und nicht mehr die Drittbank. Durch die online Abfrage wird die missbräuchliche Verwendung in der Regel aufgedeckt und eine Geldausgabe (oder auch Bezahlung) wird abgelehnt. Eine Versuchsstrafbarkeit gibt es bei dem § 266b I StGB nicht. Der § 263a I StGB kommt aufgrund der Sperrwirkung des § 266b StGB ebenfalls nicht in Betracht.
2. Verwendung durch einen nichtberechtigten Dritten
a) POS-Verfahren und kontaktloses Bezahlen im Geschäft
Benutzt ein nichtberechtigter Dritter die Karte im Geschäft zum Bezahlen, muss zwischen den Fällen, in denen er ohne Eingabe der PIN die Ware erhält und denen, in den er den PIN eingibt, unterschieden werden.
aa) Ohne PIN-Eingabe
Es könnte eine Strafbarkeit nach § 263 I StGB zu Lasten des Händlers vorliegen. Bei einem kontaktlosen Bezahlen ist wieder die Frage zu stellen, ob ein fiktiver Kassierer getäuscht worden wäre. Bei einem Zahlen ohne PIN-Abfrage wird nur geprüft, ob der Verfügungsrahmen der Karte eingehalten wird. Es liegt somit schon keine Täuschung vor. Zudem entsteht dem Händler, aufgrund der Garantie seitens der Bank, kein Schaden.
Weiter könnte ein § 263a I Var. 3 StGB zu Lasten der Bank gegeben sein. Der § 263a StGB darf jedoch nicht weiter gehen als der § 263 I StGB. Ein fiktiver Bankmitarbeiter würde ebenfalls nur die oben genannten Aspekte prüfen und nicht weitergehend eine Identitätsprüfung vornehmen.
Eine Strafbarkeit nach §§ 269, 270 StGB scheitert mangels einer Identifizierung in Form der PIN-Abfrage, sodass keine Garantiefunktion übernommen wurde.
Es könnte eine Strafbarkeit nach § 274 I Nr. 2 StGB in Betracht kommen. Beweiserhebliche Daten sind zum einen der Verfügungsrahmen und zum anderen die bisherigen Umstände der Kartennutzung; somit auch die bisherige Verwendung durch einen anderen bzw. den Berechtigten.
Ebenfalls könnten die §§ 202a, 303a StGB in Betracht kommen. Sie scheitern jedoch, sofern der Täter keinen Zueignungswillen hinsichtlich der Karte hat.
bb) Mit PIN-Eingabe
Mit der Abfrage der PIN erfolgt eine Überprüfung der Berechtigung. Eine Strafbarkeit nach § 263 I StGB zu Lasten des Händlers scheitert mangels eines Schadens, wie oben.
Gegenüber der Bank macht er sich hingegen nach § 263a I Var. 3 StGB strafbar. Durch die PIN-Abfrage wird gerade die Berechtigung geprüft, sodass ein fiktiver Bankmitarbeiter in diesen Fällen die Identität des Verwenders überprüfen würde.
Weiter kommt eine Strafbarkeit nach §§ 269, 270 StGB in Betracht, da durch die PIN-Eingabe eine Identifizierung in Form einer Garantiefunktion erfolgt.
Die §§ 202a, 303a, 274 I Nr. 2 StGB sind wie im obigen Fall zu behandeln. Die PIN-Abfrage bringt für diese somit keine weiteren Besonderheiten mit sich.
b) Geldabheben am Bankautomaten
Der § 263a I Var. 3 StGBist gegeben. Problematisch sind die Fälle, in denen der Täter sich die Karte bereits durch Betrug gem. § 263 I StGB verschafft und der gleiche Schaden eintritt.
Der BGH nimmt eine teleologische Reduktion der Tathandlung vor. Begründet wird dies mit dem Zweck der Norm. Sie soll Strafbarkeitslücken schließen, die ansonsten entstehen würden, da kein Mensch beteiligt ist. Damit wäre der § 263a I Var. 3 StGB zwar grds. anwendbar, doch bedarf es diesen nicht, da bereits der § 263 I StGB durch das Verschaffen erfüllt ist. Es fehlt folglich an einer Lücke.
Die Literaturnimmt den § 263a I Var. 3 StGB als tatbestandlich gegeben an, doch würde er auf Konkurrenzebene zurücktreten.
Kurz angesprochen werden sollten weiter die §§ 242 I, 246 I StGB am Geld. Zwar ergibt sich aus dem zugrundeliegenden Zahlungsdienstrahmenvertrages zwischen dem Berechtigten und der Bank, dass nur an ihn eine Geldauszahlung erfolgen soll. Doch liegt insoweit ein tatbestandsausschließendes Einvernehmen durch richtige Eingabe der PIN vor. Der § 246 I StGB scheitert daran, dass der Schaden bereits durch das Verschaffen der Karte gem. § 263 I StGB eingetreten ist. Hier könnte eine wiederholte Zueignung angesprochen werden.