§ 243 StGB - Schwere Fälle des Diebstahls

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin))

Der § 243 I StGB stellt lediglich eine Strafzumessungsregel dar und besitzt keine eigene Tatbestandsqualität. Er ist nach der Schuld im Anschluss zum § 242 StGB zu prüfen. Dabei untergliedert er sich ebenfalls in objektiver und subjektiver Hinsicht. Der Täter muss auch hinsichtlich des Regelbeispiels vorsätzlich gehandelt haben. Nicht anwendbar ist er gem. § 243 II StGB auf geringwertige Sachen.

I. Die einzelnen Regelbeispiele

Abs. 1, S. 2, Nr. 1

Das erste Regelbeispiel beschreibt Tatmodalitäten des Einbruchdiebstahls unter Verletzung des Schutzbereiches eines umschlossenen Raums, ohne dass es sich um eine Wohnung handeln muss, für welche der § 244 I Nr. 3 StGB spezieller ist.

Ein umschlossener Raum ist nach der Rspr. jedes Raumgebilde, das dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden und durch entsprechende Vorkehrungen vor dem Eindringen Unbefugter geschützt wird.

Einbrechen ist das gewaltsame, nicht notwendigerweise substanzverletzende Öffnen oder Beseitigen eines dem Zutritt entgegenstehenden Hindernisses.

Einsteigen ist das Hineingelangen in den umschlossenen Raum durch eine zum ordnungsgemäßen Betreten nicht vorgesehenen Öffnung. Entscheidend ist, dass der Täter hierbei in dem Raum „Fuß fassen muss“. Er muss nicht mit seinem gesamten Körper in den Raum gelangen, er muss jedoch zumindest einen Stützpunkt im Raum haben, d.h. mit einem Fuß im Raum stehen.

Eindringen mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug ist gegeben, wenn der Täter mit diesem auf einen Schließmechanismus so einwirkt, dass er eine Umschließung dadurch öffnet.
Ein falscher Schlüssel ist dann gegeben, wenn er im Zeitpunkt der Tat nicht mehr zum Öffnen des Schließmechanismus bestimmt war. Damit kann davon auch ein gefundener oder entwendeter Originalschlüssel erfasst sein, der ursprünglich zum Öffnen bestimmt war, aber im Zeitpunkt der Tat nach dem Willen des Berechtigten diese Bestimmung verloren hatte.
Ein nicht zur Öffnung bestimmtes Werkzeug muss ebenfalls gegen den Schließmechanismus angewendet werden iSe Schlüsselersatzes und muss im konkreten Einzelfall zum Einbrechen abgegrenzt werden.

Sichverborgenhalten sieht ein verstecktes Aufhalten des Täters in dem Raumgebilde ohne die Kenntnis des Berechtigten vor.

Abs. 1, S. 2, Nr. 2

Ein Behältnis umfasst jedes zur sicheren Aufnahme von Sachen dienendes und sie umschließendes Raumgebilde, dass nicht für das Betreten von Menschen bestimmt ist. Entscheidend ist, dass das Behältnis gegen einen ordnungswidrigen Zugriff auf die Sache schützen soll, z.B. Tresor, aber auch Kofferraum oder normale Koffer.

Andere Schutzvorrichtungen sind solche, die eine Wegnahme einer Sache erheblich erschweren sollen. Hierzu zählen Vorkehrungen wie z.B. das Lenkradschloss, Fahrradschloss, Ketten oder vergleichbare Schutzvorkehrungen, die eine besondere Sicherung der Sache gewährleisten sollen. Nicht dazu zählt ein elektronisches Sicherungsetikett im Geschäft. Es dient nicht der Sicherung vor einer Wegnahme, sondern primär der Wiedererlangung der Ware. Ebenso besonders behandeltes bzw. markiertes Geld, z.B. iRe Lösegeldzahlung, da es nur der Entdeckung des Täters dient.

Abs. 1, S. 2, Nr. 3

Ein gewerbsmäßiges Handeln ist gegeben, wenn der Täter sich aus einer wiederholten Begehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und Umfang verschaffen möchte. Dies bestimmt sich allein nach der Intention des Täters, sodass dies bereits durch die erste Tatbegehung erfüllt sein kann.

II. Versuch eines Regelbeispiels

Umstritten ist, ob der Versuch eines Regelbeispiels möglich ist.

Nach einer Ansicht ergebe sich aus dem Wortlaut des § 22 StGB, dass der Versuch eines Regelbeispiels nicht möglich ist, da nur ein Tatbestand versucht werden könne. Nach dem § 22 StGB wird eine Straftat versucht, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Bei einem Regelbeispiel handelt es sich gerade nicht um einen Tatbestand, sondern lediglich um eine Strafzumessungsregel.

Die h.M. und Rspr. nehmen hingegen die Möglichkeit des Versuchs eines Regelbeispiels an. Begründet wird dies durch die Tatbestandsähnlichkeit der Strafzumessungsregel sowie der möglichen Erstreckung des § 242 II StGB auf den § 243 I StGB.

Die besseren Argumente sprechen für die h.M., denn die Umwandlung des § 243 StGB von einem Qualifikationstatbestand in eine Strafzumessungsregel sollte der Rechtsprechung mehr Freiheit einräumen und sie gerade nicht in ihren Möglichkeiten einschränken. Die Ansicht verweist auf den § 23 II StGB, nach dem ein Versuch anzunehmen ist, sofern dieser unter Strafe gestellt ist. Dies ergebe sich in diesen Fällen durch die entsprechende Ausdehnung des § 242 II StGB.

Es ergeben sich drei Fälle:
1. Fall: versuchtes Grunddelikt und vollendetes Regelbeispiel – Strafbarkeit nach §§ 242 II, 22, 23 I iVm § 243 I S. 2 Nr. .. StGB wegen eines versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall.

2. Fall: vollendetes Grunddelikt und versuchtes Regelbeispiel – Strafbarkeit (nur) aus § 242 I StGB

3. Fall: versuchtes Grunddelikt und versuchtes Regelbeispiel – Strafbarkeit aus §§ 242 II, 22, 23 I iVm § 243 I, S. 2, Nr. … StGB wegen eines versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall. Er ist derselben Strafandrohung zu unterwerfen.

III. Vorsatzwechsel iRd § 243 StGB

Im Rahmen des § 242 StGB ist nach allgemeiner Auffassung ein vollendeter Diebstahl trotz eines Vorsatzwechsels gegeben und nicht ein (fehlgeschlagener) Versuch plus vollendetem Diebstahl; z.B.: Täter findet kein Bargeld und nimmt anstelle dessen Schmuck mit. Im Rahmen des § 243 StGB kann dies problematisch sein, da die Strafzumessung nach § 243 I S. 2, Nr. 1 StGB subjektiv zur Ausführung der Tat erfolgen muss.

1. Fall: A dringt in das Büro der B ein, um Geld zu stehlen. Er findet aber keins. Auf dem Weg nach draußen nimmt er stattdessen einen hübschen Schal für 5 Euro an sich. (auch als Bifi-Fall bekannt)

Es stellt sich das Problem, dass As Entschluss zu Beginn und folglich beim Eindringen in das Büro der B nicht auf die Entwendung des Schals als geringwertige Sache, sondern auf Bargeld als nicht geringwertige Sache gerichtet war. Damit könnte ein Diebstahlversuch in einem besonders schweren Fall bzgl. des Geldes und ein vollendeter Diebstahl hinsichtlich des Schals gegeben sein. Dies würde jedoch – mangels einer Zäsur – zur Aufspaltung des Vorsatzes führen. Auch würde es im Vergleich zu jemanden, der seinen Vorsatz auf alles Stehlenswerte ausweitet und erst im Laufe der Tat weiter konkretisiert, zu einem nicht vertretbaren Ergebnis führen.

Der BGH nimmt daher einen einheitlichen, fortbestehenden Vorsatz an, unabhängig davon, ob sich der Vorsatz im Laufe der Tat verengt, erweitert oder in sonstiger Weise verändert. Dies führt auch zu dem überzeugenderen Ergebnis. Etwas anderes soll nur gelten, wenn der Täter von seinem ursprünglichen Vorsatz Abstand nimmt, d.h. seinen Tatentschluss vollständig aufgibt und erst dann einen neuen Tatentschluss fasst.

2. Fall: Wie oben, nur dem A fallen die Worte seiner Mutter wieder ein, dass man nicht stehlen dürfe. Er lässt daraufhin vom weiteren Suchen ab und macht sich daran, das Büro der B zu verlassen. Auf dem Weg nach draußen fällt ihm der Geburtstag seiner Freundin wieder ein und dass er vergessen hatte, ein Geschenk zu holen.
In diesem Fall nimmt er also von seinem ursprünglichen Vorsatz vollständig Abstand und fasst erst beim Erblicken des Schals einen neuen Tatentschluss. In diesem Fall liegt eine echte Zäsur iRd Verwirklichungswillens vor. Der § 243 I, S. 2, Nr. 1 StGB ist hinsichtlich des Schals abzulehnen. Es kommt nur ein § 242 I StGB in Betracht, für den gem. § 248a StGB ein Strafantrag gestellt werden muss. Daneben könnte ein versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall hinsichtlich des Geldes in Betracht kommen, wobei vorliegend der strafbefreiende Rücktritt gem. § 24 I, S. 1, 1. Alt. StGB durch das Ablassen von der weiteren Tatausführung zu berücksichtigen ist.