Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin))

I. Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand fordert die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache.

1. Sache

Eine Sache ist jeder körperliche Gegenstand sowie Tiere, nach §§ 90, 90a BGB.

Problem: Leichen (-teile)

Problematisch können Leichen und Leichenteile im Einzelnen sein. Eine Person ist keine Sache, doch mit Eintritt des Todes wird die Leiche nach h.M. als herrenlose Sache behandelt. An ihr können Aneignungsrechte bestehen. Durch Geltendmachung der Aneignungsrechte wird die Leiche zu einer fremden Sache. Ebenso verhält es sich mit natürlichen Leichenteilen.

Bei künstlichen Gegenständen ist dabei zu unterscheiden, ob sie mit dem Körper fest oder nur lose verbunden sind. Die fest mit dem Körper verbundenen Gegenstände (z.B. Herzschrittmacher, Goldzähne, etc.) verlieren durch Einsetzen in den menschlichen Körper ihre Sachqualität und Eigentumsfähigkeit. Durch den Tod des Menschen erlangen sie ihre Sachqualität wieder und werden, wie die Leiche selbst, zur herrenlosen Sache. Damit werden sie wie natürliche Leichenteile behandelt.

Die lose mit dem Körper verbundenen Gegenstände (z.B. Zahnprothese, Hörgerät, etc.) behalten durchweg ihre Sachqualität und fallen mit dem Tod des Menschen in den Nachlass. Sie sind damit bereits fremde bewegliche Sachen, sofern bereits fremder Gewahrsam ausgeübt wurde.

2. Beweglich

Eine Sache ist beweglich, wenn sie tatsächlich fortbewegt werden kann. Dazu zählen auch Sachen, die erst im Rahmen der Wegnahme beweglich gemacht werden.

3. Fremd

Eine Sache ist fremd, wenn sie zumindest im Miteigentum eines anderen steht. An dieser Stelle kann iRd Klausur eine zivilrechtliche Prüfung der Eigentumslage erforderlich werden. Es gilt insoweit das im Sachenrecht Erlernte.

Problem: Tanken ohne zu bezahlen

Der Klassiker-Fall sollte unbedingt jedem bekannt sein. Ein Problem des Falles liegt in der Fremdheit des Benzins.

a) Eine Ansicht vertritt die Meinung, dass bereits mit dem Einfüllen des Benzins in den Tank das Eigentum auf den Kunden übergeht. Es wird insoweit ein Eigentumsübergang kraft Gesetzes gem. §§ 947, 948 BGB angenommen, soweit noch tätereigener Kraftstoff im Tank ist.

Dagegen spricht, dass allenfalls Miteigentum aber nicht Alleineigentum an dem Kraftstoff begründet wird. In der Regel wird der hinzu getankte Kraftstoff überwiegen und somit die „Hauptsache“ iSd § 947 I BGB darstellen. Es ist weiterhin die Fremdheit der Sache gegeben.

b) Eine andere Ansicht bejaht durch Einfüllen des Kraftstoffes den Eigentumsübergang nach § 929 S. 1 BGB. Diese Ansicht sieht in dem Befüllen die dingliche Einigung und Übergabe.

Dagegen spricht der idR stillschweigend geschlossene Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises. Damit fehlt es (zumindest) an einer dinglichen Einigung bzgl. des Eigentumsübergangs. Der Kraftstoff bleibt folglich fremd.

c) Schlussendlich wird man die Fremdheit des Kraftstoffes bejahen. Der § 242 StGB scheidet dennoch aus. Der Tankwart möchte, dass seine Kunden sich den Kraftstoff selbst einfüllen und somit seinen Gewahrsam an diesem aufheben und eigenen begründen. Aufgrund eines solchen tatbestandsausschließenden Einverständnisses seitens des Tankwarts hinsichtlich des Einfüllens fehlt es an einem Bruch fremden Gewahrsams. Folglich fehlt es an einer Wegnahme iSd § 242 StGB. Ein Beobachten oder Sehen des Einfüllens seitens des Tankwarts ist nicht erforderlich, da es sich um einen Vorgang rein faktischer Natur handelt.

Im Anschluss ist ein Betrug nach § 263 StGB zu prüfen, der meistens jedoch an dem Fehlen einer Täuschung mangels Kenntnisnahme bzw. Beobachten des Tankwarts scheitern wird. In der Regel scheitert auch ein versuchter Betrug, sofern der Täter sich nicht beobachtet gefühlt hat o.ä.

Spätestens durch das Wegfahren mit dem betankten Auto ist zumindest eine Manifestation des Zueignungswillens nach außen gem. § 246 StGB und damit eine Unterschlagung gegeben. Diese ist nicht bereits durch das Tanken gegeben, da dadurch noch kein objektiv erkennbarer Zueignungswillen nach außen erfolgt. Hier kann eventuell noch die Problematik der wiederholten Zueignung relevant werden (siehe § 246 StGB).

Problem: Ex-tunc Wirkung iRd Fremdheit

Eine mögliche Rückwirkungsfiktion, idR die ex-tunc Wirkung einer Anfechtung gem. § 142 BGB, ist für die strafrechtliche Bewertung der Fremdheit irrelevant.

4. Wegnahme

Eine Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams.

a) Gewahrsam

Gewahrsam ist dabei die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache. Der Herrschaftswille darf nicht zu restriktiv verstanden werden, sondern kann sich auch als genereller Wille hinsichtlich aller Gegenstände äußern, die nach der alltäglichen Lebensanschauung ihm zugeordnet werden können, z.B. Post in seinem Briefkasten, Gegenstände in seinen Geschäftsräumen.

Der generelle Herrschaftswille an den in seiner Herrschaftssphäre befindlichen Sachen bleibt auch bei einem Bewusstlosen oder Schlafenden bestehen. Ein solch genereller Herrschaftswille muss sich dabei nicht wissentlich auf jede einzelne Sache beziehen, sondern kann auch generell auf alle sich in seiner Sphäre, z.B. Wohnung, befindlichen Sachen beziehen. Er muss auch nicht von einem permanenten Bewusstsein getragen werden.

Verlorene oder vergessene Gegenstände werden dadurch auch erst zu herrenlosen Sachen, wenn sich derjenige nicht daran erinnern kann, wo er die Sache verloren oder vergessen hat. Kann er sich hingegen daran erinnern, sie in einem bestimmten Ort vergessen zu haben, bleibt sein Gewahrsam bestehen. Insoweit liegt nur eine Gewahrsamslockerung vor.

Der Gewahrsam an einer Sache kann auch mehreren Personen zustehen. In den Fällen, in denen alle einen gleichberechtigten Gewahrsam an der Sache haben, ist ein gegenseitiger Gewahrsamsbruch möglich. Bei einem ungleichberechtigten Gewahrsam kann nur der untergeordnete gegenüber dem übergeordneten Gewahrsamsinhaber den Gewahrsam brechen. Gleichrangiger und übergeordneter Mitgewahrsam kann demnach gebrochen werden, nicht aber ein untergeordneter Mitgewahrsam.

Die Bestimmung kann sich im Einzelfall als schwierig erweisen. Zum Beispiel hat ein Lkw-Fahrer ohne feste Route an der Ladung Alleingewahrsam, während ein Lkw-Fahrer mit vorgegebener, fester Route nur einen untergeordneten Gewahrsam gegenüber dem Geschäftsherrn als übergeordnetem Gewahrsamsinhaber an der Ladung hat.

b) Gewahrsamsbruch

Ein Gewahrsamsbruch ist nur gegeben, wenn der Berechtigte die tatsächliche Herrschaft über eine Sache gegen oder ohne seinen Willen verloren hat.

Das Einverständnis des Berechtigten in die Übertragung des Gewahrsams stellt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis dar, sodass es für einen Diebstahl gem. § 242 StGB iRd objektiven Tatbestandes bereits an der Wegnahme fehlt. Dieses Einverständnis ist nicht allein durch Beobachtung der Wegnahme gegeben. Typischer Anwendungsfall wäre die Beobachtung durch den Kaufhausdetektiv. Es handelt sich bei dem § 242 StGB nicht um ein heimliches Delikt.

Problem: Abgrenzung Trickdiebstahl zum Sachbetrug

Erfolgt die Gewahrsamsübertragung vom Opfer bewusst und gewollt für den konkreten Gegenstand, fehlt es für den § 242 StGB an einem Bruch des Gewahrsams. D.h. erfolgt die Gewahrsamsübertragung mit Verfügungsbewusstsein des Opfers, schließt es eine Wegnahme gem. § 242 StGB aus. Es könnte sich hingegen um eine Verfügung im Sinne des Betruges nach § 263 StGB handeln, sofern diese täuschungsbedingt erfolgte. In solchen Fällen geht es um die Abgrenzung des Trickdiebstahles vom Sachbetrug, zwischen denen ein Exklusivitätsverhältnis besteht. Der Diebstahl schließt als Fremdschädigungsdelikt den Betrug als sog. Selbstschädigungsdelikt stets aus. Entweder nimmt der Täter iSd § 242 StGB oder er bekommt iSd § 263 StGB.

In der Klausur ist hierbei genau zu prüfen, ob das Opfer über den konkreten Gegenstand verfügen wollte. Daran fehlt es, wenn es den Gegenstand gar nicht in sein Bewusstsein aufgenommen hat bzw. nicht wusste, dass es Gewahrsam an der Sache übertragen hat, z.B. die Kassiererin und die versteckte Schokolade im Milchkarton.

Problem: Pseudobeschlagnahme

In den Fällen, in denen das Opfer davon ausgeht, es müsse die Sache herausgeben, z.B. wenn der Täter sich als Polizist ausgibt und die Sache herausverlangt, fehlt es an einer freiwilligen Herausgabe. Es fehlt an einem Verfügungsbewusstsein, da das Opfer glaubt, es müsse die Sache aufgrund der hoheitlichen Verfügungsgewalt an den vermeintlichen Polizisten herausgeben. Hier wird trotz der eigenständigen Übergabe des Opfers ein Gewahrsamsbruch gegen den Willen im Sinne des § 242 StGB angenommen, denn das Opfer sieht gar keine andere Möglichkeit, sodass kein Raum mehr für eine Entscheidung bzw. einen Willensentschluss über die Herausgabe gegeben ist.

c) Begründung neuen Gewahrsams

Die Vollendung des Diebstahls tritt mit der Begründung des neuen Gewahrsams ein. Ein neuer Gewahrsam wird begründet, sobald der Täter oder ein Dritter faktisch die tatsächliche Herrschaft über die Sache erlangt hat und der Ausübung der Sachherrschaft keine wesentlichen Hindernisse mehr entgegenstehen.

IdR ist dies gegeben, sobald die Sache aus der Gewahrsamssphäre des Berechtigten gebracht wird. In Supermärkten ist dies nicht erst beim Verlassen des Grundstücks, sondern bereits durch das Passieren des Kassenbereichs anzunehmen.

Daneben kann aber auch bereits in der Sphäre des Berechtigten neuer Gewahrsam geschaffen werden, wenn der Berechtigte nicht mehr über die Sache verfügen kann. Es handelt sich um die sog. Gewahrsamsenklave, bei der der Täter die Sache so in seine Körpersphäre verbringt, sodass der bisherige Gewahrsamsinhaber seine tatsächliche Sachherrschaft nicht mehr, ohne wesentliche Hindernisse zu überwinden, ausüben kann.

II. Subjektiver Tatbestand

Der subjektive Tatbestand des § 242 StGB fordert neben dem Vorsatz bzgl. Aller Merkmale des objektiven Tatbestandes auch eine Zueignungsabsicht des Täters hinsichtlich der Sache.

Die Zueignungsabsicht ist nach der sog. Vereinigungsformel gegeben, wenn der Täter die Sache selbst (Sachsubstanz) oder den in der Sache verkörperten Wert (Sachwert) dem eigenen Vermögen oder dem eines Dritten wenigstens vorübergehend einverleiben möchte (iSe Aneignung) und den berechtigten Eigentümer dauerhaft aus seiner Position verdrängen möchte (iSe Enteignung).
Hinsichtlich der Aneignung muss der Täter mit dolus directus 1. Grades gehandelt haben, während für die Enteignung dolus eventualis genügt.

Problem: Geldbörse

Ein Klassiker ist die Entwendung einer Geldbörse in der Hoffnung, in dieser befinde sich Geld, mit dem Plan des späteren Wegwerfens der Geldbörse. Es fehlt dem Täter hinsichtlich der Geldbörse folglich der Zueignungswille. Das bloße Durchsuchen der Börse begründet keinen Aneignungswillen iSe vorübergehenden Einverleibung der Sache. Zudem stellen die Geldscheine keinen in der Geldbörse verkörperten Sachwert dar. Der Sachwert einer Sache folgt aus der Sache selbst. Es handelt sich um den funktionsspezifischen Wert einer Sache (sog. lucrum ex re). Nicht davon erfasst ist der Wert, der aus der Benutzung der Sache oder deren Einsetzen folgt (sog. lucrum ex negotio cum re).

Problem: Sparbuch

A möchte das Sparbuch eines Freundes entwenden, um von diesem einen gewissen Betrag abzuheben und ihm es anschließend wieder zurückzugeben. Eine Zueignungsabsicht hinsichtlich des Sachwertes ist nicht gegeben, da A das Sparbuch von Anfang an zurückgeben wollte und dementsprechend keine dauerhafte Enteignung angedacht war. Es kommt aber eine Zueignungsabsicht hinsichtlich des in dem Sparbuch verkörperten Sachwert in Betracht. Diesen möchte sich A auch dauerhaft einverleiben. Bezüglich des Geldes kommt kein § 242 StGB in Betracht. Ihm wird das Geld ausgezahlt und von der Bank übergeben, sodass es für den A nicht fremd ist.
Ebenso verhält es sich bei sog. Geldkarten, bei denen mit einem vorbezahlten Guthaben, welches auf der Chipkarte gespeichert ist, bezahlt wird.

Problem: EC-Karte

Erlangt der Täter die Karte durch Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 242 I StGB bleibt der Zueignungswille problematisch, wenn der Täter die Karte zurückgeben oder vernichten möchte. Die EC-Karte selbst verkörpert keinen eignen Sachwert, sondern dient nur als „Schlüssel“ zur Gelderlangung. Es fehlt dem Täter an einem Enteignungsvorsatz hinsichtlich der EC-Karte, sodass der § 242 StGB idR ausscheidet. (Mehr zur Problematik EC-Karte iRd Betruges)

III. Objektive Rechtswidrigkeit und entsprechender Vorsatz

Der Täter darf keinen einredefreien, fälligen Anspruch auf die konkrete Sache haben und muss entsprechend auch Vorsatz haben. Steht dem Täter ein Anspruch auf die Sache zu, fehlt es an einer rechtswidrigen Zueignung, da er insoweit nur diesen Anspruch auf die konkrete Sache durchsetzen möchte.

Anders verhält es sich bei Gattungsschulden. Hierzu zählt nach der h.M. auch eine Geldschuld. Zwar wird von einer Ansicht in der Geldschuld ein sog. Wertsummenträger gesehen, doch die Rechtsprechung und h.M. behandeln eine Geldschuld als Gattungsschuld. Begründet wird dies dadurch, dass sich im objektiven Tatbestand die Wegnahme nur auf eine konkrete Sache bezieht und diesen konkreten Sachbegriff dürfe man iRd objektiven Rechtswidrigkeit nicht aufweichen.

Problem: Irrtum über die Rechtswidrigkeit

Glaubt der Täter, er hat einen Anspruch auf die konkrete Sache, irrt er über die objektive Rechtswidrigkeit als objektives Tatbestandsmerkmal. Die objektive Rechtswidrigkeit wird im subjektiven Tatbestand geprüft. Sie stellt aber kein subjektives Tatbestandsmerkmal dar, sondern ein objektives, das iRd subjektiven Tatbestandes geprüft wird. Es handelt sich somit um einen Irrtum iSd § 16 I StGB, der den Vorsatz entfallen lässt.

Bei Gattungsschulden ist dies gegeben, wenn der Täter irrig annimmt, er könne sich aufgrund eines Anspruchs frei aus der Gattung bedienen, bevor der Schuldner eine Konkretisierung gem. § 243 II BGB vorgenommen hatte. Damit erfolgt die eigenmächtige Aneignung objektiv rechtswidrig, doch er unterlag einem Irrtum gem. § 16 I StGB, der seinen Vorsatz entfallen lässt.

Bei Geldschulden ist im Zweifel ebenfalls anzunehmen, dass der Täter davon ausging, er hätte einen Anspruch auf das weggenommene Geld und wollte nur diesen Anspruch auf den Betrag durchsetzen.