Vertrag zugunsten Dritter (VzD)

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin))

I. Abgrenzung zwischen echtem und unechtem Vertrag zugunsten Dritter

1. Echter Vertrag zugunsten Dritter, § 328 BGB

Bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 Abs. 1 BGB hat der Dritte, obwohl er nicht selbst an dem Rechtsgeschäft beteiligt ist, einen eigenen Anspruch auf eine Leistung, ohne selbst einer Forderung nachkommen zu müssen. Daraus folgt, dass er wie der eigentliche Vertragspartner dieselben Sekundärrechte ausüben kann.

Beispiel: A beauftragt B im Haus seiner Mutter die Küche nach ihren Vorstellungen zu renovieren. Dabei werden leider die Küchenstühle der Mutter beschädigt.
Wichtig: nach überzeugender h.M. kann der Dritte keine Gestaltungsrechte ausüben, die den Grundbestand des Vertragsverhältnisses berühren. Eine Ausnahme kann sich aus § 328 Abs. 2 BGB ergeben, wenn erkennbar ist, dass der Dritte diese ausüben können soll.

2. Unechter Vertrag zugunsten Dritter

Bei einem unechten Vertrag zugunsten Dritter hat der Dritte keinen eigenen Anspruch. Der Schuldner kann aber ggf. nur gegenüber dem Dritten erfüllen.

Beispiel: A bestellt bei B einen Strauß Blumen, der an C zu ihrem Geburtstag nach Hause geliefert werden soll.

Eine Abgrenzung erfolgt nach § 328 Abs. 2 BGB (lex specialis zu §§ 133, 157 BGB – lesen!)

II. Rechtsverhältnisse der Beteiligten

Schaubild 4 Schuldrecht Allgemeiner Teil

Wir haben den Schuldner, der verspricht, die Leistung an den Dritten zu erbringen. Er wird daher auch Versprechender (V) genannt. Dem Gläubiger wird also versprochen, dass die Leistung an den Dritten erfolgt. Er ist daher der Versprechensempfänger (VE). Der Dritte (D), an den die Leistung erfolgen soll, ist folglich der Leistungsempfänger.

Wichtig: Bei dem Vertrag zugunsten Dritter handelt es sich um keinen eigenen Vertragstypus, sondern lediglich um eine Modifikation eines geschlossenen Vertrages zwischen zwei Parteien.

1. Deckungsverhältnis

Der modifiziert geschlossene Vertrag ist das maßgebliche Grundverhältnis und wird auch Deckungsverhältnis genannt, da der Leistende für seine Leistung die „Deckung“ - d.h. die Entlohnung – aus diesem Verhältnis erhält.

Für den Schutz des Versprechenden gibt es den § 334 BGB, der im Grunde eine Parallelvorschrift des § 404 BGB darstellt – und schützt den Schuldner vor einer etwaigen Benachteiligung aufgrund der Drittbeteiligung.

2. Valutaverhältnis

Die Valuta bzw. die Zuwendung hat vom V an D iRd Valuta- oder auch Zuwendungsverhältnisses zu erfolgen. Diesem Verhältnis kann entnommen werden, aus welchen Grund der VE dem D etwas zuwendet (idR Schenkung). Es bildet somit den Rechtsgrund (iSd § 812 BGB) für dieses Verhältnis.

3. Zuwendungsverhältnis

Das Vollzugs-, Dritt- oder auch Zuwendungsverhältnis zwischen VE und D ist maßgeblich für die Abgrenzung des echten vom unechten VzD. Bei Letzteren liegt hier kein vertragliches Rechtsverhältnis vor. Bei Ersteren erhält D ein eigenes Forderungsrecht auf eine Leistung gem. § 328 Abs. 1 BGB iRe echten VzD, sodass es zumindest ein vertragsähnliches (Vertrauens-) Verhältnis begründet.

III. Wichtiger Fall: Der echte VzD auf den Todesfall

1. Grundfall:

Opa Otto legt ein Sparkonto an. Dabei vereinbart er mit der Bank, dass diese im Fall seines Todes das gesamte Guthaben schenkungsweise an seinen Enkel Dieter, der die Auszahlung entsprechend auch verlangen darf, auszahlen soll. Nach dem Tod des Opas nimmt B die Auszahlung des gesamten Guthabens an D vor. Nun ist die Frage: zu Recht?

Zunächst ist deutlich, dass zwischen D und B keinerlei Rechtsbeziehungen bestanden. Zwischen O und B bestand ein Darlehensvertrag (gem. § 488 nach e.A. - nach a.A. handelt es sich um ein unregelmäßiges Verwahrungsverhältnis – soll an dieser Stelle offenbleiben. Feststeht, es lag eine Rechtsbeziehung vor).

Im Rahmen der Auslegung ist nun die Auslegungsregel des § 331 Abs. 1 BGB wichtig. Hier soll eine Leistung nach dem Tod des O (=VE) an den D (=D) erfolgen. Es handelt sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall, da D gem. § 328 Abs. 1 BGB auch einen Anspruch auf die Auszahlung haben soll („…entsprechend verlangen darf“ siehe Fall oben).

Der Vertrag ist auch nicht formnichtig nach § 2301 BGB, da ausschließlich das Grundverhältnis (zw. B und O) maßgeblich für die erforderliche Form ist. Der Aspekt, dass es sich im Zuwendungsverhältnis möglicherweise um eine formbedürftige Schenkung auf den Todesfall handeln könnte, ist für diesen irrelevant.

Ergebnis: E hat im Zeitpunkt des Todes von E den Auszahlungsanspruch erworben und eine erfolgte Auszahlung war rechtens.

2. Abwandlung:

Der Grundfall ist insoweit unproblematisch und verständlich. Schwieriger wird es, wenn sich ein Erbe einschaltet und von D die Herausgabe einer – aus seiner Sicht – ungerechtfertigten Bereicherung verlangt. Ein Anspruch könnte sich aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt BGB. ergeben, wobei allein das Vorliegen eines Rechtsgrundes schwierig erscheint.

In Betracht kommt vorliegend ein Schenkungsvertrag gem. § 516 BGB. Mangels Beurkundung war dieser jedoch zunächst formnichtig, §§ 518 Abs. 1 S. 1, 125 S. 1. BGB. Der Schenkungsgegenstand war der Auszahlungsanspruch. Diesen hat D in dem Zeitpunkt des Todes des O erworben. Eine Heilung gem. § 518 Abs. 2 BGB würde damit erst mit der Auszahlung vorliegen. Fraglich ist daher, ob der Vertrag vor der Auszahlung wirksam ist.

e.A. sieht den Vertrag nach § 125 S. 1 BGB als formnichtig an, da die Vorschrift des § 2301 Abs. 1 BGB anzuwenden sei.

Argumente:

  • Eine Schenkung auf den Todesfall sei nichts anderes als ein Vermächtnis gem. §§ 2147 ff. BGB.
  • Folglich wäre ein Erbvertrag gem. § 2276 BGB oder zumindest ein Testament gem. § 2247 BGB erforderlich, um der Formvorschrift zu entsprechen. Andernfalls sei eine Heilung nur nach § 2301 Abs. 2 BGB möglich, sprich die erfolgte Übergabe durch den Schenker selbst.

BGH: nach dessen Meinung handelt es sich bei dem § 331 BGB um eine Sondervorschrift gegenüber dem § 2301 BGB.

Argumente:

  • Dafür spricht zum einen der Wortlaut des § 2301 BGB, vor allem aber dessen Schutzzweck. Geschützt werden soll der Erbe – es soll verhindert werden, dass ihn (unzählige) Schenkungsversprechen verpflichten, seinen Nachlass „sehenden Auges“ schmälern zu müssen.
  • Das hat auch Sinn. Denn während offene Forderung (Kredite u.ä.) sowie Verpflichtungen aus Testament und Finanzaufstellung schnell erfassbar und einsehbar sind, sind nicht dokumentierte Schenkungen für den Erben meist erst greifbar, wenn die Begünstigten den Schenkungsgegenstand einfordern.

Anders liegt hier der Fall. Der Auszahlungsanspruch fällt zu keinem Zeitpunkt in den Nachlass des E – siehe oben Bsp. 1) – und E wird auch nicht verpflichtet, sodass hier kein Erfordernis für dessen Schutz vorliegt.

Ergebnis: E hat keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB.

Tipp: Für die klausurrelevante Problematik der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung „über‘s Eck“ schau weiter im BerR-Skript.