Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin))
1. Voraussetzungen
Wird der Schuldner von seiner Pflicht zur Leistung gem. § 275 Abs. 1-3 BGB frei, kann der Gläubiger von diesem Schadensersatz verlangen, und zwar – logischerweise – statt der Leistung. Welche Anspruchsgrundlage nun einschlägig ist, hängt von der Art der Unmöglichkeit ab, und zwar davon, ob es sich um eine anfängliche oder nachträglich (eingetretene) Unmöglichkeit handelt. Bei einer anfänglichen Unmöglichkeit ist die Anspruchsgrundlage der § 311a Abs. 2 BGB als eigenständige Anspruchsgrundlage einschlägig (bitte niemals den § 280 Abs. 1 BGB mitzitieren, das wäre grob falsch!). Für eine nachträgliche Unmöglichkeit greifen dann die §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB als Anspruchsgrundlage.
Tipp: Macht es euch einfacher und verdeutlicht euch direkt die Parallelen:
2. Schaden
Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung ist auf das sog. positive Interesse gerichtet. D.h. der Gläubiger soll so gestellt werden, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde.
a) Schadensfeststellung
Das positive Interesse wird ebenfalls anhand der Differenzhypothese ermittelt. Demnach ergibt sich auch hier das positive Interesse aus der Differenz von der gegenwärtigen Vermögenslage und der hypothetischen Vermögenslage, die ohne das schädigende Ereignis vorliegen würde.
Im Rahmen von synallagmatischen Verträgen ergibt sich für diese eine Besonderheit. Die gegenseitigen Leistungspflichten erlöschen und der Schaden ergibt sich aus der Differenz zwischen der Leistung und Gegenleistung. Es gibt aber iRv synallagmatischen Verträgen noch eine weitere Möglichkeit der Schadensermittlung, und zwar die sog. Surrogationsmethode. Nach dieser bleibt der Gläubiger zur Gegenleistung verpflichtet und an die Stelle der Leistung des Schuldners tritt der Schadensersatz als Surrogat. Welche der Methoden anzuwenden ist, obliegt dem Gläubiger, der grundsätzlich ein Wahlrecht hat. Dies gilt sowohl vor als auch nach Leistung der Gegenleistung durch den Gläubiger.
b) Teilunmöglichkeit
Der § 311a Abs. 2 S. 3 BGB sowie der § 283 S. 2 BGB verweist auf die § 281 Abs. 1 S. 2, 3 BGB und § 281 Abs. 5 BGB (lesen!). Es wird dadurch zum einen auf teilweise Nichtleistung gem. § 281 Abs. 1 S. 2 BGB und die teilweise Schlechtleistung gem. § 281 Abs. 1 S. 3 BGB verwiesen. Die Verweisung ermöglicht einen Schadensersatz statt der ganzen Leistung unter den dort benannten zusätzlichen Voraussetzungen. Liegen diese vor, hat der Gläubiger die Teilleistung zurück zu gewähren und der Schuldner ist schadensersatzpflichtig. Liegen die zusätzlichen Voraussetzungen nicht vor, ist nur ein Schadensersatz statt der teilweisen Leistung möglich, soweit der Leistungsteil nicht bzw. nicht vertragsgemäß erbracht wurde.
c) Problem der beiderseitig zu vertretenen Unmöglichkeit
Dieses klausurrelevante Problem soll anhand eines Beispiels erklärt werden.
Der K kauft bei V ein Auto. Die beiden vereinbaren, dass K dieses eine Woche später abholen soll. Am vereinbarten Tag kommt K aber nicht. V stellt das Auto daraufhin auf seinen Hof ab und lässt (grob fahrlässig) den Schlüssel stecken. Noch am selben Abend wird das Auto geklaut.
Das Grundproblem liegt nun darin, dass die Unmöglichkeit während des Gläubigerverzuges eingetreten ist und vom Schuldner mitverursacht wurde, sodass der Gläubiger nicht allein oder weit überwiegend verantwortlich war.
Wichtig: Dieses Problem stellt sich nur bei grober Fahrlässigkeit des Schuldners, da durch den Annahmeverzug der § 300 Abs. 1 BGB zugunsten des Schuldners greift.
Zurück zum Fall: K hat nun gegen V keinen Anspruch aus § 433 Abs. 1 BGB, da dieser gem. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden ist. Er kann aber aufgrund der Unmöglichkeit Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB verlangen.
Der V hat keinen Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB gegen K, da die Gegenleistung aufgrund der Unmöglichkeit gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB ebenfalls untergegangen ist. Der Anspruch könnte ausnahmsweise gem. §§ 326 Abs. 2 S. 1, 2. Alt, 300 Abs. 1 BGB erhalten bleiben, aufgrund des Annahmeverzuges des K. Im vorliegenden Fall handelte V aber grob fahrlässig, sodass diese anspruchserhaltende Ausnahme nicht eingreift. Im Ergebnis würde es daher darauf hinauslaufen, dass K einen Anspruch auf Schadensersatz hat, während V keinen Anspruch gegen K hat, obwohl die Unmöglichkeit nicht eingetreten wäre, wenn dieser das Auto rechtzeitig abgeholt hätte.
Aufgrund des nicht wirklich überzeugenden Ergebnisses nach dem Wortlaut des Gesetzes und der Tatsache, dass die Grenzen zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit fließend sind, ist in einem solchen Fall eine wertungsmäßige Korrektur vorzunehmen.
Denn andernfalls würde der K bei einem „gerade noch“ allein haften bzw. den Kaufpreis zahlen müssen – nach § 326 Abs. 2 S. 1, Alt. 2. BGB – und bei jedem „dumm gelaufen“ haftet der V alleine – ganz nach dem Motto „Alles oder Nichts“. Es ist vielmehr eine Lösung anzuvisieren, die beide Verschuldensanteile angemessen berücksichtigt und zueinander in Beziehung setzt.
Umstritten ist nun aber dessen Behandlung:
e.A. spricht dem K den Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB zu, wobei dieser weiterhin den Kaufpreis (Gegenleistung) schuldet. Dies entspricht der Surrogationsmethode, wobei der Schadensersatzanspruch gem. § 254 BGB um den Mitverschuldensanteil zu kürzen ist.
Dann wäre das Ergebnis:
V → K : Anspruch gem. § 433 Abs. 2 BGB (ungekürzt)
K → V : Anspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 283, 254 Abs. 1 BGB (gekürzt)
a.A. nimmt eine Lösung ähnlich wie oben an, begründet den Anspruch des V gegen K jedoch auf der Grundlage des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB analog, der gem. § 254 BGB entsprechend zu kürzen sei.
Contra:
- Beide Ansichten versagen bei gleichen Verschuldensanteilen.
- Sie führen auch sonst nur zu gerechten Ergebnissen, wenn der vereinbarte Preis und der Wert der Leistung übereinstimmen.
Für die analoge Anwendung des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB fehlt es darüber hinaus bereits an einer Regelungslücke.
h.M. meint, der § 326 Abs. 2 S. 1 BGB greift nicht ein, sodass der Anspruch des V auf die Gegenleistung gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB untergeht. In diesem Verlust des Anspruches liegt der Schaden des V. Dieser beruht auf einer Verletzung einer Nebenpflichtverletzung gem. § 241 Abs. 2 BGB des K, indem dieser keine Rücksicht auf die Interessen des V genommen hat und dadurch die Unmöglichkeit mitverursacht hat.
Folglich hat V gegen K einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, der anschließend gem. § 254 Abs. 1 BGB in Höhe seines Verschuldensanteils entsprechend zu kürzen ist. Zeitgleich hat der K gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB ebenfalls um den eigenen Verschuldensanteil gem. § 254 BGB gekürzt. Dieser Anspruch wird vor allem für den K relevant, wenn der Kaufpreis günstiger als der objektive Wert der Sache war, denn diesen kann K dann als entgangenen Gewinn als Schadensersatz von V verlangen.
Pro:
- Diese Ansicht führt zu den sachgerechtesten Ergebnissen, ohne eine analoge Anwendung zu konstruieren.