Schadensersatz neben der Leistung

Autorin: Yvonne Mannsfeld (Rechtsanwältin))

Im Rahmen eines Schadensersatzes neben der Leistung tritt der Schadensersatzanspruch neben die Primärleistungspflicht, während bei einem Schadensersatz statt der Leistung der Schadensersatzanspruch an die Stelle des Primäranspruchs tritt. Die Primärleistung ist bzw. wird somit nicht mehr erbracht. Vielmehr fungiert der Schadensersatz statt der Leistung als Leistungsersatz. Bei den Schäden iRe Schadensersatzes neben der Leistung hingegen handelt es sich idR um sog. Begleitschäden, die auch durch ordnungsgemäße Erbringung der Primärleistung nicht behoben werden. Als Unterfall hierzu gehören auch die sog. Verzögerungsschäden, die sich allein aus der verspäteten Leistungshandlung des Schuldners ergeben und auch durch die ordnungsgemäße Erbringung der Primärleistung nicht behoben werden.
Und genau hier liegt der Punkt, den es unbedingt zu verstehen gilt. Als Kontrollfrage für eine Abgrenzung müsst ihr euch fragen, ob beide Ansprüche (Schadensersatz und ordnungsgemäße Erfüllung) bestehen können, ohne sich „etwas zunehmen“; oder ob der Schaden durch eine ordnungsgemäße (Nach-) Erfüllung des Primäranspruchs behoben werden würde. Bei Letzteren wäre es dann ein Schadensersatz statt der Leistung.

Dies gilt jedoch nur für die gedankliche Kontrolle. Für die Abgrenzung in der Klausur sind folgende Theorien anzuführen:

1. Abgrenzung anhand des Äquivalenz- und Integritätsinteresse

Diese Theorie orientiert sich iRd Abgrenzung an bestimmten Schadenskategorien. Nach dieser erfolgt somit ein Schadensersatz statt der Leistung immer dann, wenn das Äquivalenzinteresse betroffen ist. Das Äquivalenzinteresse oder auch positive Interesse bezeichnet das Interesse des Gläubigers bei einem Schadensersatz statt der Leistung an dem generellen Austausch bzw. Ausgleich der nachteiligen Folgen. Anders gesagt, der Gläubiger ist so zu stellen, wie er bei einer ordnungsgemäßen Erfüllung stünde. Für einen Schadensersatz neben der Leistung betrifft dahingehend das Integritätsinteresse hinsichtlich der Unversehrtheit seiner (anderen) Rechtsgüter. Das Integritätsinteresse bezieht sich auf den Vertrauensschaden und der Gläubiger ist so zu stellen, als sei die Rechtsgutverletzung nie vorgefallen.

Diese Theorie ist aber abzulehnen. Sie führt zu widersprüchlichen Ergebnissen, da die Begriffe des Äquivalenz- und Integritätsinteresse sehr schwer voneinander zu trennen sind und damit die verschiedenen Schadensposten ihnen nicht klar zugeordnet werden können. Besonders deutlich wird diese Abgrenzungsschwäche iRe sog. „weiterfressenden Mangels“ (hierzu ausführlich im Skript zum Bereicherungsrecht). Darüber hinaus zielen die §§ 280, 281 BGB auch nicht darauf ab, an welchen Gegenständen ein Schaden eingetreten ist, sondern vielmehr, ob eine Fristsetzung sinnvoll ist oder nicht.

2. Abgrenzung nach dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck einer möglichen Fristsetzung

Zunächst würde sich aus dem Wortlaut eine sehr strikte Abgrenzung ergeben, wie oben bereits dargelegt. Ein Schadensersatz „statt“ der Leistung ist demnach nur statt der Primärleistungspflicht möglich und im Rahmen des Schadensersatzes „neben“ der Leistung muss der Schadensersatz neben dem Primäranspruch bestehen können.
Dies ist insoweit richtig, aber die h.M. ergänzt dies um das Erfordernis der Fristsetzung. Sie fragt demnach, ob eine gedachte (Nach-) Erfüllung den Schaden beseitigt hätte. Anders gesagt, ob eine (Nach-) Fristsetzung sinnvoll gewesen wäre oder nicht. Sinnvoll wäre sie in dem Sinne natürlich nur, wenn der Schaden zu einem Zeitpunkt eintritt, in dem die Leistung zum einen noch erbracht werden konnte und zum anderen, durch dessen Erbringung der Schaden entfallen wäre.

Tipp: Es würde den Rahmen dieses Skriptes sprengen, aber bekannt sollte euch iRd Abgrenzungsproblematik v.a. der mangelbedingte Betriebsausfallschaden sowie der Deckungskauf sein.