IV. Die Kündigungsschutzklage

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Wurde gegenüber dem Arbeitnehmer die Kündigung ausgesprochen, besteht für ihn die Möglichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage vor den Arbeitsgerichten auf Feststellung der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung.

Das Verfahren vor den Arbeitsgerichten ist im ArbGG geregelt und weist im Vergleich zur ordentlichen Gerichtsbarkeit einige Besonderheiten auf.

Zunächst sieht das ArbGG sowohl ein Urteilsverfahren §§ 2, 46 ff. ArbGG als auch ein Beschlussverfahren vor §§ 2a, 80 ArbGG. Das Urteilsverfahren unterscheidet sich vom Beschlussverfahren insoweit, als dass im Urteilsverfahren der zivilrechtliche Beibringungsgrundsatz gilt, im Beschlussverfahren hingegen der Untersuchungsgrundsatz. Das Beschlussverfahren kommt insbesondere bei Streitigkeiten in Betriebsverhältnissen, also z.B. bei einem Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zur Anwendung.

Weitere Besonderheiten:

  • Kosten: nach § 11 GKG ist kein Kostenvorschuss erforderlich. Kosten werden erst fällig, wenn das Verfahren beendet ist.
  • Güteversuch: Im arbeitsgerichtlichen Verfahren gibt es keine mit § 15 a EGZPO vergleichbare Regelung. Die Güteverhandlung nach § 54 ArbGG ist daher keine echte Prozessvoraussetzung, sondern bereits Teil des streitigen Verfahrens.
  • Instanzenzug: Erstinstanzlich ist nach § 8 ArbGG immer das Arbeitsgericht zuständig. Es folgt das Landesarbeitsgericht und danach das Bundesarbeitsgericht. Eine Prorogation nach § 39 Abs. 1 ZPO ist unzulässig.

Voraussetzungen der Kündigungsschutzklage

I. Gerichtsbezogene Sachurteilsvoraussetzungen

  1. Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten, § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG:
    Vorliegen einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit1
    • sic – non – Fall: Anspruch wird nur auf arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt. -> Arbeitnehmereigenschaft als doppelt relevante Tatsache, da diese sowohl für die Zulässigkeit, als auch für die Begründetheit der der Klage maßgeblich ist. Hier ist das „Behaupten“ der Arbeitnehmereigenschaft ausreichend.
    • aut – aut – Fall: Anspruch entweder aus arbeitsrechtlicher oder allgemeiner Zivilrechtlicher Grundlage (schließen sich aber gegenseitig aus). Zum Beispiel entweder Anspruch aus § 611 a BGB i.V.m. Arbeitsvertrag oder aus § 611 / 631 BGB. Folge: Im Rahmen der Zulässigkeit ist die Arbeitnehmereigenschaft zu prüfen, da bei einem Dienst- oder Werkvertrag das Arbeitsgericht unzuständig ist.
    • et – et – Fall: Anspruch kann auf arbeitsrechtliche und auf allgemeiner zivilrechtlicher Grundlage gestützt werden. Auch hier muss zwingend der Bestand eines Arbeitsverhältnisses und die Arbeitnehmereigenschaft im Rahmen der Zulässigkeit geprüft werden.
  2. Zuständigkeit
    1. Sachlich: Arbeitsgericht, § 8 Abs. 1 ArbGG
    2. Örtlich: § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 12 ff.ZPO
      • Beachte besondere Gerichtsstände § 48 Abs. 1 a ArbGG (üblicher Verrichtungsort) und § 29 ZPO (Erfüllungsort)
      • Wird Klage beim sachlich oder örtlich unzuständigen Gericht erhoben, verweist das Gericht die Klage von Amts wegen nach § 48 ArbGG, § 17 a GVG an das zuständige Gericht.
  3. Partei -, Prozess-, Postulationsfähigkeit: § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 50, 51 ZPO und § 11 ArbGG. Kein Anwaltszwang vor ArbG; Anwaltszwang jedoch vor LAG und BAG
  4. Statthafte Klageart:
    • Feststellungsklage i.S.d. § 256 ZPO als besondere Form
      = Streitgegenstand ist der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
      • Prüfung sämtlicher Beendigungstatbestände (Anfechtung; Aufhebungsvertrag ect.)
      • während des Verfahrens ausgesprochene Kündigung kann ohne weiteres in das Verfahren miteinbezogen werden.
    • § 4 KSchG:
      = Richtet sich nur gegen die im Klageantrag genau bezeichnete Kündigung (punktueller Streitgegenstand); keine Überprüfung anderer Beendigungstatbestände. Kündigt Arbeitgeber während des Kündigungsschutzklageverfahrens erneut, muss der Arbeitnehmer gegen diese neue Kündigung fristgerecht eine weitere Klage erheben oder die bestehende Klage erweitern.
  5. Ordnungsgemäße Klageerhebung: Form, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 253 ZPO
  6. Feststellungsinteresse
    • Feststellungsklage nach § 256 ZPO: Grundsätzlich höhere Anforderungen, aber kein Entgegenstehen des Grundsatzes der Subsidiarität zur Leistungsklage, weil hier die Wirkungen eines Feststellungsurteils ausnahmsweise weiter reichen, als die eines Zahlungsurteils. Bei einem Zahlungsurteil müsste der Arbeitnehmer andernfalls wegen der Fälligkeitsregelung des § 614 BGB jeden Monat seinen Lohn erneut einklagen.
    • § 4 KSchG: Leitet sich aus der Kündigung in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis ab und daraus, dass eine Klageerhebung notwendig ist, um eine Heilung eventueller Unwirksamkeitsgründe nach § 7 KSchG zu verhindern.

II. Begründetheit

Die Kündigungsschutzklage ist begründet, wenn die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.

An dieser Stelle ist Wirksamkeit der Kündigung zu prüfen. Dabei ist insbesondere auf die Einhaltung der dreiwöchigen Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG zu achten:

Nach herrschender Meinung handelt es sich bei der Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist.2 Sie ist eine Ereignisfrist, die nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1, 193 BGB zu berechnen ist.

  1. Geltungsbereich: Alle ordentlichen Kündigungen unabhängig davon, ob KSchG Anwendung findet und um welche Klageart es sich handelt vgl. Wortlaut § 1 KSchG „...oder aus anderen Gründen...“
  2. Schriftliche Kündigung: Bei mündlichen Kündigungen läuft keine Frist. Wortlaut § 4 Abs. 1 KSchG: „...nach Zugang der schriftlichen Kündigung...“.
  3. Fristwahrung durch rechtzeitige Erhebung der Klage = Zustellung der Klage beim Beklagten § 253 Abs. 1 ZPO. Allerdings reicht die Einreichung bei Gericht zur Fristwahrung nach § 167 BGB aus, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt.
    Ggf. Zulassung verspäteter Klagen nach § 5 KSchG:
    • Arbeitnehmer war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung urlaubsbedingt abwesend
    • Arbeitnehmer ist nicht unerheblich in der Zeit des Fristablaufs erkrankt.

Problem: Zurechnung des Verschuldens eines Prozessbevollmächtigten bei verpasster Klagefrist

Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten im Falle einer verpassten Klagefrist zurechnen lassen muss.

Dies hängt davon ab, ob § 85 ZPO über § 46 Abs. 2 ArbGG auch auf die Klagefrist des § 4 KSchG anzuwenden ist, und könnte mit dem Argument verneint werden, dass es sich bei der Frist des § 4 KSchG um eine materiell-rechtliche und keine prozessuale Frist handelt.

Nach der Rechtsprechung des BAG3 handelt es sich entgegen der vorstehenden Argumentation bei der Frist des § 4 KSchG um eine prozessuale Klageerhebungsfrist und nicht um eine bloß materiell-rechtliche Frist, auch wenn das Fristversäumnis in der Folge zu einem materiell-rechtlichen Anspruchsausschluss führt.

Daher ist zur Fristwahrung allein die Vornahme der Prozesshandlung in Form der Klageerhebung erforderlich. Die Rechtsnatur der Frist hat für die Frage der Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO über § 46 Abs. 2 ArbGG damit keine Bedeutung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO ist die Begründung des Mandatsverhältnisses. Demnach muss sich der Arbeitnehmer das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen.

  • 1. U. Koch in: ErfK/ArbR, § 2 ArbGG Rn. 35.
  • 2. H. Kiel in: ErfK/ArbR, § 4 KSchG Rn. 24ff.
  • 3. vgl. BAG Urt. v. 11.12.2008 – 2 AZR 472/08.