Unterstützt von unserer Partnerkanzlei KLIEMT.Arbeitsrecht
- Einigung nach §§ 145 ff. BGB über Arbeitsleistung und Vergütung
- Stellvertretung §§ 164 ff. BGB = zulässig
- Erweiterung der Geschäftsfähigkeit §§ 112, 113 BGB (sowohl auf Arbeitgeber als auch auf Arbeitnehmerseite möglich für beschränkt Geschäftsfähige
- Ggf. Zustimmung des Betriebsrates erforderlich in Unternehmen, in denen mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind §§ 99 Abs. 1, 7 BetrVG
- Ggf. ist die Abschlussfreiheit durch Beschäftigungsverbote eingeschränkt z.B. zum Schutz der Jugend §§ 2, 5, 7 JArbSchG. Daneben können in Tarifverträgen / Betriebsvereinbarungen Abschlussverbote geregelt werden §§ 1, 4 TVG; § 77 Abs. 3 BetrVG
Problem: Fragerecht des Arbeitgebers 1
Aus der Vertragsfreiheit folgt zunächst, dass die Vertragspartner selbst bestimmen können, von welchen Umständen sie den Abschluss eines Vertrags abhängig machen. Dazu gehört auch ein Fragerecht des Arbeitgebers. Zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) ist dieses eingeschränkt.
Das Fragerecht des Arbeitsgebers ist auf solche Fragen beschränkt, an dessen Beantwortungen er im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse hat. Das Interesse des Arbeitsgebers an der Beantwortung seiner Fragen muss dabei das Interesse des Arbeitnehmers seine persönlichen Lebensumstände geheim zu halten überwiegen. Hierfür ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich. Ergibt die Abwägung, dass das Interesse des Arbeitsnehmers an der Geheimhaltung das Interesse des Arbeitgebers an der Beantwortung einer Frage überwiegt, ist die Frage unzulässig.
Stellt der Arbeitsgeber eine unzulässige Frage, hat der Arbeitnehmer ein Recht zur Lüge, ohne, dass er deswegen Konsequenzen zu befürchten hat. So kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB anfechten. Eine Anfechtung wegen eines Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB steht dem Arbeitgeber nur dann zu, wenn er sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Arbeitnehmers geirrt hat.
Eine solche verkehrswesentliche Eigenschaft liegt dann vor, wenn sie nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung und die zu leistende Arbeit von Bedeutung und nicht nur vorübergehender Natur ist. 2
Als Beispiel für eine Anfechtung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft kann hier der Fall einer schwerbehinderten Person aufgeführt werden, die sich auf einen Job beworben hat, bei der die Behinderung relevant ist (eine blinde Person bewirbt sich auf eine Stelle als (Motion-)Designer und hat die Frage nach einer Behinderungen zulässigerweise verneint).
Im Gegensatz dazu ist die Schwangerschaft keine verkehrswesentliche Eigenschaft, da die Schwangerschaft nur vorübergehender Natur ist.3 Lange wurde dies aber in Fällen befristeter Arbeitsverhältnisse gewertet, wenn die Frau während der gesamten Befristung nicht eingesetzt werden kann.4
So weigerte sich in einem vom BAG5 entschiedenen Fall die schwangere Frau unter Berufung auf § 5 MuSchG nachts zu arbeiten. Damit irrte der Arbeitgeber über die Einsatzfähigkeit der Frau. Weil gleichzeitig nach § 17 MuSchG ein Kündigungsverbot bestand, wurde vom BAG ausnahmsweise die Schwangerschaft als verkehrswesentliche Eigenschaft bewertet. Wird ein Arbeitsverhältnis wirksam angefochten, wird das Arbeitsverhältnis aber nicht ex tunc unwirksam, sondern für die Zeit zwischen Arbeitsbeginn und Ausspruch der Anfechtung als faktisches (oder fehlerhaftes) Arbeitsverhältnis behandelt. Die Folge einer wirksamen Anfechtung wirkt sich daher wie die Kündigung lediglich ex nunc aus.
Aus europarechtlicher Perspektive dürfte die Rechtsprechung des BAG jedoch veraltet sein. Aus §§ 1, 3 Abs. 1 S. 2, 7 AGG, dem europarechtlichen Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts und der jüngsten Rechtsprechung des EuGH6 zur Schwangerschaft als verkehrswesentliche Eigenschaft folgt, dass auch in Fällen, in denen eine schwangere Frau zu keinem Zeitpunkt während der Dauer des Arbeitsverhältnisses arbeiten kann, eine Anfechtung unter Berufung auf einen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft ausscheidet.7 Eine neuere Entscheidung durch das BAG steht allerdings noch aus.Das Arbeitsverhältnis wird damit aber nicht ex tunc unwirksam, sondern für die Zeit zwischen Arbeitsbeginn und Ausspruch der Anfechtung als faktisches (oder fehlerhaftes) Arbeitsverhältnis behandelt. Die Folge einer wirksamen Anfechtung wirkt sich daher wie die Kündigung lediglich ex nunc aus.
Beachte: Grundsätzlich ist die Schwangerschaft keine verkehrswesentliche Eigenschaft, da die Schwangerschaft nur vorübergehender Natur ist. 8 Anders wird dies aber in Fällen befristeter Arbeitsverhältnisse gewertet, wenn die Frau während der gesamten Befristung nicht eingesetzt werden kann. 9
Fragenkatalog
- Beruflicher Werdegang, Zeugnisse, Prüfungsnoten: Zulässig
- Schwangerschaft: Unzulässig
- Gesundheitszustand: Im Einzelfall zulässig, wenn für Arbeitsleistung und Kollegen von Bedeutung (HIV-Infektion bei Pflegepersonal)
- Schwerbehinderteneigenschaft: Unzulässig, § 164 Abs. 2 S. 1 SGB IX
- Vorstrafen: Im Einzelfall zulässig, sofern Einsatzrelevant (Untreue bei Kassenwarttätigkeit)
- Religions- und Parteizugehörigkeit: Wegen Art. 4, 9 Abs. 3 GG nur in Tendenzbetrieben (kirchliche Einrichtungen, Parteien, Gewerkschaften) zulässig
- Laufendes Ermittlungsverfahren: Zulässig
- Abgeschlossenes Ermittlungsverfahren: Unzulässig
- 1. Ausführlich dazu: U. Koch in: Schaub/Koch ArbR; W. Howald in TvöD/TV-L, § 2 Rn. 8ff.
- 2. U. Preis in: ErfK/ArbR, § 611a BGB Rn. 350.
- 3. BAG v.8.9.1988 AP Nr.1 zu § 8 MuSchG; Palandt/Heinrichs, § 119 Rn. 26; vgl. auch EuGH NJW 2000, 1019 „Mahlburg“; ebenso BAG NZA 2003, 848.
- 4. BAG AP Nr. 8 zu § 611a BGB; BAG NZA 1993, 933.
- 5. BAG, NZA 1993, 933.
- 6. EuGH NJW 2000, 1019 „Mahlburg“.
- 7. So jedenfalls ErfK/Preis § 611a Rn. 274; Wisskirchen/Bissels NZA 2007, 169 (173) und LAG Köln 11.10.2012, BeckRS 2012, 761.
- 8. BAG Urt. v. 08.09.1988 AP Nr.1 zu § 8 MuSchG; H. Heinrichs in: Palandt BGB, § 119 Rn. 26; vgl. auch EuGH NJW 2000, 1019 „Mahlburg“; ebenso BAG NZA 2003, 848.
- 9. BAG AP Nr. 8 zu § 611a BGB; BAG NZA 1993, 933.