I. Abgrenzung der §§ 475a ff. von den §§ 327 ff. BGB
Neu sind die Vorschriften §§ 475a ff. BGB über den Kauf einer Ware mit digitalen Inhalt. Für die Abgrenzung ist neben dem § 475a BGB der § 327 BGB zu legen und zu berücksichtigen. Beide betreffen die Abgrenzung zueinander und liefern darüber hinaus die Legaldefinitionen für die digitalen Produkte. Relevant wird die Abgrenzung ausschließlich bei einem Kaufvertrag über eine bewegliche Sache, die in einem digitalen Zusammenhang steht. Die Frage, ob die §§ 327 ff. BGB oder die §§ 474 ff. BGB Anwendung finden, richtet sich nach der Art des digitalen Produkts.
1. Körperlicher Datenträger als Träger digitaler Inhalte, § 475a I iVm § 327 V BGB
Der § 475a und der § 327 V BGB erklären die §§ 327 ff. BGB für den Kauf von digitalen Produkten innerhalb eines Verbrauchsgüterkaufvertrages für anwendbar, sofern der körperliche Datenträger ausschließlich als Träger digitaler Inhalte genutzt wird. Es sind folglich nach § 475a I S. 2 iVm § 327 V BGB die §§ 327 ff. BGB anwendbar.
2. Ware mit digitalen Elementen, § 475b I iVm § 327a III BGB
Nach den § 475b I iVm § 327a III BGB sind – neben dem Kaufrecht nach § 433 ff. BGB – die §§ 475b, c BGB ergänzend auf Kaufverträge über eine Ware anzuwenden, die in irgendeiner Weise digitale Produkte enthalten oder derart mit ihnen verbunden sind, sodass die Ware ihre Funktion ohne diese digitalen Elemente nicht erfüllen kann. Bei solchen Waren mit digitalen Elementen handelt es sich z. B. um einen PC mit entsprechendem Betriebssystem. Es sind folglich bewegliche Sachen, die ohne das in ihnen angelegte digitale Produkt ihre Funktion nicht erfüllen könnten. Die §§ 327 ff. BGB finden hier gem. § 327a III BGB keine Anwendung, sie werden durch die §§ 475b, c BGB als leges speciales entsprechend ersetzt, sofern sich der Unternehmer verpflichtet hat, dass er oder ein Dritter die digitalen Elemente bereitstellt. Im Zweifel bzgl. des Bestehens einer solchen Pflicht wird gem. §§ 475b I S. 2 iVm 327a III S. 2 BGB vermutet.
Die §§ 475b und c BGB tragen der Besonderheit der digitalen Produkte Rechnung. Der § 475b BGB ergänzt primär den Mangelbegriff des § 434 BGB bzgl. des digitalen Produkts. Der § 475c BGB betrifft den Sachmangel einer Sache mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente.
3. Ware mit digitalen Produkten, § 475a II iVm § 327a II BGB
Funktioniert die Sache auch ohne das digitale Element, erklären der § 475a II S. 2 BGB und der § 327a II BGB die Vorschriften des Kaufrechts für denjenigen Bestandteil des Vertrages, welcher das digitale Produkt betrifft, für unanwendbar und bestimmt stattdessen die Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB. Vorwiegend handelt es sich hierbei um Produkte wie z. B. der Smart-TV oder smarter Kühlschrank/Drucker, die den Waren-/Patronenstand ermitteln und ggf. nachbestellen.
Für diese finden die §§ 327 ff. BGB Anwendung, da die Produkte auch ohne das digitale Element benutzt werden können. Die Mängelrechte nach §§ 327 ff. BGB beziehen sich nach § 327a II S. 2 BGB jedoch allein auf denjenigen Bestandteil des Vertrages, der die digitalen Produkte betrifft, sodass hinsichtlich Mängel an der beweglichen Sache selbst wieder die §§ 434 ff. BGB eingreifen.
II. Rechtskauf
Bei digitalen Produkten, die ohne bzw. unabhängig von einer beweglichen Sache gekauft werden (z. B. Software) ist das Kaufrecht anwendbar, wird aber teilweise durch die §§ 327 ff. BGB nach § 453 I S. 3 BGB als speziellere Regelungen verdrängt oder modifiziert. Es handelt sich bei den digitalen Produkten um einen „sonstigen Gegenstand“ iSd § 453 I S. 1 BGB. Die neu eingefügten Sätze 2 und 3 im ersten Absatz schließen die Anwendbarkeit mehrerer kaufrechtlicher Vorschriften aus (lesen!). Hinsichtlich der Übergabe (§ 433 I S. 1 BGB) und der Leistungszeit (§ 474 I S. 1 BGB) gelten gem. § 453 I S. 3 BGB die spezielleren §§ 327, 327b BGB.
Kaufrechtliche Vorschriften: | Nach § 453 I S. 3 BGB |
statt § 433 I S. 1, § 475 I BGB | Über § 453 I S. 2 Nr. 1, S. 3 BGB sind die §§ 327, 327b BGB anzuwenden |
§§ 433 I S. 2, 434 – 442 BGB §§ 475 III S. 1, IV – VI, 476, 477 BGB |
gem. § 453 I S. 2 Nr. 2 BGB nicht anwendbar! |
statt §§ 434, 435 BGB | Über § 453 I S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB sind die §§ 327e – g BGB anzuwenden |
statt §§ 437 – 442 BGB | Über § 453 I S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB sind die §§ 327i – n BGB anzuwenden |
III. Aktualisierungspflicht, § 475b II BGB
Der § 475b II BGB konkretisiert bzw. ergänzt die Voraussetzungen der Mangelfreiheit iSd § 434 BGB, wobei die Besonderheit primär in der Aktualisierungspflicht innerhalb eines Aktualisierungszeitraums gem. § 475b II BGB liegt. Diese Pflicht besteht nicht allein bei Gefahrübergang, sondern über diesen hinaus. Es liegt insoweit eine Ausnahme von dem maßgeblichen Zeitpunkt für den Mangel in Form des Gefahrübergangs vor. Ein durchsetzbarer Primäranspruch auf die Aktualisierung lässt sich hieraus nicht entnehmen. Der Unternehmer hat nur Sorge dafür zu tragen, dass alle zum Erhalt der vertragsgemäßen Nutzung des Produktes erforderlichen Aktualisierungen in dem gesamten Zeitraum bereitgestellt werden und der Verbraucher entsprechend informiert wird. Die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs auf Aktualisierung folgt auf sekundärer Ebene aufgrund der Pflichtverletzung zur Aktualisierung.
Die Aktualisierung kann sich sowohl auf subjektiver Ebene innerhalb eines nach § 475 III Nr. 2 BGB vereinbarten Aktualisierungszeitraum als auch auf objektiver Ebene äußern, sofern keine subjektive Vereinbarung getroffen wurde, gem. § 475b IV Nr. 2 BGB. Die objektive Dauer der Pflicht zur Aktualisierung ist nach allen objektiven Umständen des konkreten Einzelfalls zu bestimmen und bezieht sich allein auf funktionserhaltende Aktualisierungen. Dies ergibt sich bereits aus der Definition von Waren mit digitalen Elementen, die für die Funktionsfähigkeit des Produktes erforderlich sein müssen. Ein Haftungsausschluss regelt der § 475b V BGB (lesen!). Den Verbraucher trifft insoweit eine Obliegenheitspflicht, die vom Unternehmer bereitgestellte Aktualisierung vorzunehmen bzw. zu installieren. Unterlässt der Verbraucher eine ihm zur Verfügung gestellte Aktualisierung, haftet der Unternehmer nicht für Mängel, die aufgrund dessen entstehen. Dieser Ausschluss gilt nicht nur für die Aktualisierungspflicht als objektive Anforderung, sondern der § 475b V BGB kann auch analog auf die subjektive Anforderung angewendet werden. Es ist insoweit nicht ersichtlich, warum der Verkäufer bei einem vereinbarten Zeitraum stärker haften sollte. Ebenfalls heranziehbar ist auch der § 326 II S. 1, 1. Alt. BGB, da es sich bei der Installation des bereitgestellten Updates um eine Obliegenheit des Käufers handelt. Außerdem spricht für die analoge Anwendung auch der § 327f II BGB, der nicht zwischen objektiven und subjektiven Anforderung unterscheidet.
Im Rahmen der Aktualisierungspflicht ist der § 475e II BGB wegen Ansprüche aus Verletzung der Aktualisierungspflicht als besondere Verjährungsfrist zu beachten. Nach diesem verjähren Ansprüche wegen einer Verletzung der Aktualisierungspflicht nach § 475b III, IV BGB nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Zeitraums der Aktualisierungspflicht.
Der Verkäufer hat gem. § 445a I BGB auch einen Regressanspruch gegen seinen Lieferanten wegen der Aktualisierungspflicht. Der Regressanspruch erfasst auch solche Mängel des § 475b IV BGB, sofern sie Teil der objektiven Anforderungen einer Sache sind. Nicht erfasst werden subjektive Anforderungen aufgrund individuell vereinbarten Anforderungen gem. § 475b III Nr. 2 BGB, da sie dem Lieferanten nicht mehr zugerechnet werden können.
Der § 475b VI BGB bezieht sich abschließend auf Montageanforderungen und differenziert – aufgrund der besonderen Eigenschaften der digitalen Elemente – zwischen Montage- und Installationsanforderungen. Letztere folgt der Systematik der Montageanforderungen und wirft keine neuen Probleme auf.
IV. Sachmangel bei dauerhafter Bereitstellung digitaler Elemente, § 475c BGB
Es sind – trotz des Gesetzeswortlauts – nicht die digitalen Elemente iSd § 327a III BGB gemeint, sondern weitere digitale Inhalte gemeint, die nicht für die Funktionsweise der Sache essenziell sind.
Für die digitalen Inhalte ist der Bereitstellungszeitraum gem. § 475c I S. 2 BGB anhand des Aktualisierungszeitraums gem. § 475b IV Nr. 2 BGB entsprechend zu bestimmen, wobei er gem. § 475c II BGB jedoch mindestens zwei Jahre ab Ablieferung der Ware beträgt. Innerhalb dieses Zeitraums bestimmt der § 475c II BGB eine Modifizierung der §§ 434, 475b BGB, sodass der Verkäufer für die Aufrechterhaltung des vertragsgemäßen Zustandes gem. § 475b II BGB innerhalb des gesamten Zeitraums verpflichtet ist. Hinsichtlich einer möglichen Verjährung greift der § 475e I BGB, der im Fall der dauerhaften Bereitstellung digitaler Elemente nach § 475c I S. 1 BGB eine Verjährung der Ansprüche wegen eines Mangels an den digitalen Elementen nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums vorsieht.