Ist der Unternehmer durch einen Verbrauchervertrag gemäß § 327 oder § 327a BGB zur Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet, so hat er gem. § 327d BGB das digitale Produkt frei von Produkt- und Rechtsmängeln iSd §§ 327e – 327g BGB bereitzustellen. Verletzt er diese Leistungspflicht, sehen die §§ 327 ff BGB nun ein Mängelhaftungssystem im Schuldrecht AT vor. Die Einordnung in das Allgemeine Schuldrecht war insoweit erforderlich, da dieses Haftungssystem für alle Vertragstypen greifen sollte. Es ist jedoch systematisch genau zu prüfen, ob insoweit besondere Vorschriften (v.a. im Verhältnis zum §§ 475b, c BGB) oder die des allgemeinen Schuldrechts nach §§ 327 ff. BGB anzuwenden sind.

I. Mangelbegriff, § 327e BGB

Der Mangelbegriff bestimmt sich nach § 327e I S.1 BGB, der der Regelungsstruktur der §§ 434, 476 I BGB entspricht. Das digitale Produkt ist frei von Produktmängeln, wenn es zur maßgeblichen Zeit nach den Vorschriften der §§ 327 ff. BGB den subjektiven Anforderungen (1. Var.), den objektiven Anforderungen (2. Var.) und den Anforderungen an die Integration (3. Var.) entspricht. Ein Mangel liegt somit vor, wenn das digitale Produkt in seiner tatsächlichen Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit negativ abweicht.

Der maßgebliche Zeitpunkt ist nach § 327e I S. 2 BGB der Zeitpunkt der Bereitstellung nach § 327b BGB, wobei sich dieser nach § 327e I S. 3 BGB im Fall eines Vertrages über die fortlaufende Bereitstellung auf den gesamten Zeitraum erstreckt.

1. Subjektive Anforderungen

Die Prüfung des Sachmangels ist mit der Überprüfung der subjektiven Anforderungen zu beginnen. Sie bestimmen sich nach § 327e I S. 1, 1. Var., II BGB, wobei sich die Anforderungen in weiten Teilen mit der Vorschrift des § 434 I, II BGB deckt. Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen gem. § 327e II S. 1 BGB, wenn das digitale Produkt die vereinbarte Beschaffenheit hat, einschließlich der Anforderungen an seine Menge, seine Funktionalität, seine Kompatibilität sowie Interoperabilität und sich weiter für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Darüber hinaus zum einen mit dem vereinbarten Zubehör, Anleitungen sowie Kundendienst bereitgestellt wird und zum anderen die im Vertrag vereinbarten Aktualisierungen während des nach dem Vertrag maßgeblichen Zeitraums bereitgestellt werden.

Für den Begriff der Funktionalität findet sich die Legaldefinition im § 327e II S. 2 BGB und stellt die Fähigkeit eines digitalen Produkts dar, seine Funktionen seinem Zweck entsprechend zu erfüllen. Für den Begriff der Kompatibilität findet sich eine Legaldefinition in § 327e II S. 3 BGB. Nach dieser ist die Kompatibilität die Fähigkeit eines digitalen Produkts, mit Hardware oder Software zu funktionieren, mit der digitale Produkte derselben Art in der Regel genutzt werden, ohne dass sie konvertiert werden müssen. Die Interoperabilität ist in § 327e II S. 4 BGB definiert und ist die Fähigkeit eines digitalen Produkts, mit anderer Hardware oder Software als derjenigen, mit der digitale Produkte derselben Art in der Regel genutzt werden, zu funktionieren.

Der Begriff der Beschaffenheit erstreckt sich folglich iRv digitalen Produkten auf alle Merkmale des digitalen Produkts selbst oder sich aus dessen Beziehung zu seiner Umwelt ergebende. Eine Vereinbarung hierüber kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen und ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln.

2. Objektive Anforderungen

Die objektiven Anforderungen richten sich nach § 327e I S. 1, 2. Var., III BGB. Auch hier deckt sich die Vorschrift in weiten Teilen mit der Vorschrift im Kaufrecht § 434 I 2. Var., III BGB.

Das digitale Produkt entspricht gem. § 327e III S. 1 Nr. 1 BGB den objektiven Anforderungen, wenn es sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und nach Nr. 2, wenn es eine Beschaffenheit einschließlich der Menge, der Funktionalität, der Kompatibilität, der Zugänglichkeit, der Kontinuität und der Sicherheit aufweist, die bei digitalen Produkten derselben Art üblich ist und die der Verbraucher unter Berücksichtigung der Art des digitalen Produktes erwarten kann.

Die objektiven Anforderungen erfassen die üblichen Beschaffenheiten nach § 327e II S. 1 Nr. 2 BGB, die der Verbraucher aufgrund von öffentlichen Äußerungen seitens des Unternehmers oder einem anderen Glied der Vertragskette erwarten durfte. Öffentliche Aussagen werden an eine unbestimmte Zahl von Adressaten gerichtet und diesen zugänglich gemacht. Es handelt sich primär um solche des Herstellers oder anderen Vorverkäufer in der Werbung. Dabei muss genau differenziert werden, denn Aussagen von Dritten werden hiervon nicht erfasst, z. B. eine von einem anderen Unternehmer individuell vorgenommene Werbekampagne. Ebenso wenig sind auch nach der n.F. keine Anpreisungen oder pauschalen Aussagen des Unternehmers iRd Verkaufsgesprächs erfasst, z. B. „beste Software“.

Nach dem § 327e II S. 2 und 3 BGB sind jedoch nur solche Beschaffenheiten erfasst, die der Verbraucher erwarten konnte, d.h. die Aussagen müssen ihm zumindest in der Weise bekannt gewesen sein, dass sie seine Entscheidung beeinflussen konnten. Sie müssen demnach nicht ausdrücklich kausal geworden sein, aber zumindest die Möglichkeit der Beeinflussung muss bestanden haben. Er kann sich daher nicht auf Aussagen berufen, die ihm zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bekannt waren. Dies stellt der § 327e III S. 3 a.E. BGB ausdrücklich klar und schließt ebenfalls Aussagen aus, die der Verkäufer weder kannte noch kennen musste oder solche, die entsprechend berichtigt wurden.

Darüber hinaus entspricht das digitale Produkt den objektiven Anforderungen, wenn es der Beschaffenheit einer Testversion oder Voranzeige entspricht, die der Unternehmer dem Verbraucher vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, § 327e III S. 1 Nr. 3 BGB. Es mit dem Zubehör und den Anleitungen bereitgestellt wird, deren Erhalt der Verbraucher erwarten kann (Nr. 4) und, sofern die Parteien nichts anderes bestimmt haben, es in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses neusten verfügbaren Version bereitgestellt wird (Nr. 6).

3. Aktualisierungspflicht

Eine Aktualisierungspflicht ergibt sich in subjektiver Hinsicht nach § 327e II S. 1 Nr. 3 BGB oder auf objektiver Ebene nach § 327e III S. 1 Nr. 5 iVm § 327f BGB. Hiernach hat der Unternehmer sicherzustellen, dass dem Verbraucher während des maßgeblichen Zeitraums Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind, bereitgestellt werden und der Verbraucher über diese informiert wird, § 327f I S. 1 BGB. Der maßgebliche Zeitraum ist, sofern er nicht ausdrücklich vereinbart wurde, nach § 327f I S. 3 BGB der Bereitstellungszeitraum bei einem Vertrag über die dauerhafte Bereitstellung eines digitalen Produktes. Andernfalls ist in allen anderen Fällen der Zeitraum danach zu bestimmen, was der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks des digitalen Produktes und unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls erwarten kann.

Den Verbraucher trifft insoweit eine Obliegenheitspflicht, die vom Unternehmer bereitgestellte Aktualisierung vorzunehmen bzw. zu installieren. Unterlässt der Verbraucher eine ihm zur Verfügung gestellte Aktualisierung, so haftet der Unternehmer gem. § 327f II BGB nicht für Mängel, die allein auf das Fehlen der Aktualisierung zurückzuführen sind, sofern der Unternehmer den Verbraucher über die Verfügbarkeit der Aktualisierung und die Folgen informiert hat (Nr. 1) und die Tatsache, dass der Verbraucher die Aktualisierung nicht oder unsachgemäß installiert hat, nicht auf eine dem Verbraucher bereitgestellte mangelhafte Installationsanleitung zurückzuführen ist (Nr. 2). Der § 327f BGB greift nur ein, sofern der Unternehmer nicht bereits die Aktualisierung selbst schuldet, da insofern bereits die subjektiven Anforderungen gem. § 327e II S. 1 Nr. 3 BGB nicht aufweist.

4. Anforderung an die Integration

Das digitale Produkt hat gem. § 327e I 3. Var., IV BGB den Anforderungen an die Integration zu entsprechen. Dies entspricht dem Grunde nach dem § 434 IV BGB hinsichtlich einer eventuell erforderlichen Montage. Die Integration ist die Verbindung und die Einbindung eines digitalen Produkts mit den oder in die Komponenten der digitalen Umwelt des Verbrauchers, damit das digitale Produkt gemäß den Anforderungen der §§ 327 ff. BGB genutzt werden kann, gem. § 327e IV S. 2 BGB. Nach § 327e IV S. 1 BGB entfällt auch hier eine Haftung, sofern die Integration sachgemäß durchgeführt wurde oder sie zwar unsachgemäß erfolgt, doch der Mangel sich weder auf die unsachgemäß erfolgte Integration durch den Unternehmer noch auf einer vom Unternehmer bereitgestellten Anleitung zur Integration durch den Verbraucher beruht.

5. Rechtsmangel

Das Produkt ist frei von Rechtsmängeln, wenn der Verbraucher es gemäß den subjektiven und objektiven Anforderungen nach § 327e II, III BGB nutzen kann, ohne Rechte Dritter zu verletzten gem. § 327g BGB.

6. Abweichende Vereinbarung über Produktmerkmale

Eine abweichende Vereinbarung iSe negativen Beschaffenheitsvereinbarung über Produktmerkmal in objektiver oder rechtlicher Hinsicht ist nur unter den strengen Voraussetzungen des § 327h BGB möglich. Daher muss der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt worden sein, dass ein bestimmtes Merkmal des digitalen Produkts von den objektiven Anforderungen abweicht. Weiter muss er dieser Abweichung im Vertrag ausdrücklich durch aktives Tun und gesondert zugestimmt haben. D. h. dem Verbraucher muss auf einer Liste die einzelnen negativen Merkmale dargelegt werden, die von dem ansonsten zu erwartenden Marktstandard abweichen und diesen ausdrücklich sowie gesondert zustimmen. Die Beweislast trägt der Unternehmer. Im Ergebnis entspricht die Vorschrift der Regelung des § 476 I S. 2 BGB.

II. Beweislastumkehr, § 327k BGB

Auch in dem Haftungssystem der §§ 327 ff. BGB hilft dem Verbraucher eine Beweislastumkehr nach § 327k BGB, der dem § 477 BGB nachempfunden wurde. Besonderheiten ergeben sich jedoch aus dem Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB auf alle Vertragstypen sowie einer eventuell bestehenden Aktualisierungspflicht des Unternehmers, sodass iRd § 327k BGB nicht auf einen konkreten Zeitpunkt abgestellt werden kann.
Im Einzelnen sieht der § 327k I BGB somit iRe Austauschvertrages, d.h. einem Vertrag, durch den das digitale Produkt zur Verfügung gestellt wird, eine dahin gehende Vermutung vor, dass das Produkt von Anfang an mangelhaft war, sofern sich der abweichende Zustand innerhalb eines Jahres nach Bereitstellung zeigt. Das bedeutet, es wird die Mangelhaftigkeit vermutet, ohne das Erfordernis dessen tatsächlichen Vorliegens. Es genügt zudem ein „von den Anforderungen nach § 327e oder § 327g BGB abweichender Zustand“.

Wird das digitale Produkt dagegen dauerhaft bereitgestellt iSe Dauerschuldverhältnisses, greift der § 327k II BGB ein. Nach dem § 327k II BGB wird vermutet, dass das digitale Produkt während der gesamten bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft war, sofern sich der abweichende Zustand nach der Bereitstellung noch während der Dauer der Bereitstellung zeigt. Relevant wird dies vor allem, wenn es um eine Minderung oder Schadensersatzansprüche geht.

Ein Ausschluss der Beweislastumkehr sieht der § 327k III BGB vor, wenn die digitale Umgebung des Verbrauchers mit den technischen Anforderungen des digitalen Produkts zur maßgeblichen Zeit nicht kompatibel war, gem. § 327k III Nr. 1 BGB. Weiter, wenn der Unternehmer nicht feststellen kann, ob die Voraussetzungen der Nr. 1 vorlagen, weil der Verbraucher eine hierfür notwendige sowie ihm mögliche Mitwirkungshandlung nicht vornimmt und der Unternehmer zur Feststellung ein technisches Mittel einsetzen wollte, das für den Verbraucher den geringsten Eingriff dargestellt hätte, § 327k III Nr. 2 BGB.

Der Ausschluss der Beweislastumkehr nach Abs. 3 greift gem. § 327k IV BGB jedoch nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher vor Vertragsschluss klar und verständlich über die technischen Anforderungen des digitalen Produkts an die digitale Umgebung im Fall des § 327k III Nr. 1 BGB oder der Obliegenheit des Verbrauchers nach § 327k III Nr. 2 BGB informiert hat.

III. Die Mängelrechte im Einzelnen

Der § 327i BGB nimmt zunächst eine Aufzählung der dem Verbraucher zustehenden Rechte vor, die in den darauffolgenden Vorschriften genauer normiert werden. Es gilt auch in diesem Haftungssystem nach dem Grundsatz pacta sunt servanda der Vorrang der Nacherfüllung. Wichtig ist, dass keine ausdrückliche Fristsetzung mehr erforderlich ist, sondern eine angemessene Frist bereits durch die Mängelanzeige in Gang gesetzt wird.