XVI. Beweisverwertungsverbote - § 261 StPO

Gegenstand der Beweiswürdigung sind nur verwertbare Beweismittel!

Beachte: Beruhen (-) hinsichtlich Gesetzesverletzungen, die im Ermittlungsverfahren erfolgt sind, da die Revision lediglich der Überprüfung einer ordnungsgemäß durchgeführten Hauptverhandlung, nicht aber einer Überprüfung des Ermittlungsverfahrens dient.

Fehler im Ermittlungsverfahren sind daher nur mittelbar bedeutsam für das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots: Hat eine Berücksichtigung eines infolge einer Gesetzesverletzung im Ermittlungsverfahrens nicht verwertbaren Umstands zum Nachteil des Revisionsführers geführt?

Einzelne mögliche Fehler im Ermittlungsverfahren, die zu einem Beweisverwertungsverbot in der Hauptverhandlung führen können:

1. § 55 II StPO – Rollentausch. Angeklagter war zuerst Zeuge, jetzt Angeklagter

Fehlte Belehrung und soll deswegen die Verhörsperson vernommen werden?
War zum Zeitpunkt der Vernehmung wegen einer Verfolgungsgefahr die Belehrung nach § 55 I StPO erforderlich? (Ex ante)

2. § 81a StPO – Verstoß gegen Richtervorbehalt

idR (-) außer, es liegt eine bewusste Umgehung vor!

3. § 97 I StPO -Beschlagnahmeverbot

Knüpft an §§ 52, 53, 53a StPO an und soll eine Umgehung dieser Rechte verhindern

Problem: Mitangeklagter ist Arzt

Dann ist § 97 StPO nicht anwendbar!

Problem: Computer

Ist keine „schriftliche Mitteilung“ iSv § 97 I Nr. 1 StPO!

Aber: wegen des Sinn & Zwecks Ausweitung auf alle verkörperten Gedankenerklärungen. Sofern Emails elektronisch fixiert sind (+)

Problem: Postweg

Wegen § 148 StPO (+), auch, wenn Post noch nicht versendet wurde!
Endet mit dem Tod einer Person mit Weigerungsrecht nach §§ 52 ff. StPO.

4. §§ 102 ff. StPO – Fehlerhafte Durchsuchung

a. Durchsuchung selbst

Beispiel: Nach Abschluss sich weiter in Räumlichkeiten befunden und dabei Objekte auffinden stellt einen Verstoß gegen Art. 103 GG dar. Kann auch nicht als Zufallsfund verwertet werden, da en Zufallsfunde nur bei Gelegenheit bzw. im Rahmen der Durchsuchung vorliegt.

b. Verstoß gegen Richtervorbehalt § 105 I StPO und keine Gefahr in Verzug

Ein Beweisverwertungsverbot ist nur bei einem besonders schwerwiegendem Verstoß (z.B. bei willkür) anzunehmen

Die Fehlende Hinzuziehung von Durchsuchungszeugen führt in der Regel nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, da das Hinzuziehen nur einen weiteren Zeitverslust darstellt und die Regelung nicht so bedeutend ist.

c. § 108 StPO: Zufallsfunde

Aufgefundener Gegenstand deutet auf weitere, andere Straftat hin. Werden Zufallsfunde im Rahmen einer Durchsuchung gemacht, sind diese nach § 108 StPO verwertbar.

Ausnahme: geplante „Zufalls“-funde führen zu einem Beweisverwertungsverbot, da ein Zufallsfund kein gezieltes Suchen voraussetzt, sondern einen Fund bei Gelegenheit!

5. § 136 I 2 StPO – Unterlassene Belehrung führt immer zu einem Beweisverwertungsverbot!

Sinn und Zweck ist der Schutz der Aussagefreiheit und der Verteidigerkonsultation als Kern der Beschuldigtenrechte.

Für die Beurteilung, ob eine Belehrung erforderlich ist, steht den Polizeibeamten ein Beurteilungsspielraum zu.

Beachte:

  • Heilungsmöglichkeit durch qualifizierte Belehrung (+).
    Sofern nur eine einfache und keine qualifizierte Belehrung erfolgt, führt dieser weitere Verstoß idR nicht zu einem Beweisverwertungsverbot!
  • Widerspruchslösung: Verwertung der Aussage muss widersprochen werden.
    Der Widerspruch ist eine wesentliche Förmlichkeit iSv § 273 I StPO und kann durch das Protokoll positiv, wie negativ bewiesen werden.

Differenziere:

  • Verteidiger muss Verwertung der Aussage immer widersprechen.
  • Angeklagter ohne Verteidiger muss einer unter Verstoß der Belehrungspflicht zustande gekommenen Aussage nur dann widersprechen, wenn dieser auf die Widerspruchsmöglichkeit und die Möglichkeit sich auf das Verwertungsverbot zu berufen durch das Gericht unterrichtet wurde!
Formulierungsbeispiel: „Aus einem möglichen Verstoß der ermittelnden Polizeibeamten ggn. §§ 136 I 2, 163a IV 2 StPO folgt ein Verwertungsverbot nicht schon deshalb, weil der verteidigte Angeklagte der Verwertung der, ausweislich des HV-Protokolls (§ 274 I StPO), vor Gericht getätigten Zeugenaussagen, nicht widersprochen hat. Es kann daher offen bleiben, ob sich der Tatverdacht gegen den Angeklagten nach seinen anfänglichen Aussagen am Tatort bereits so verdichtet hatte, dass er schon zu diesem Zeitpunkt als Beschuldigter anzusehen und dementsprechend über die Aussagefreiheit zu belehren war.“
  • Die Fehlerhafte Annahme eines Beweisverwertungsverbots stellt ebenfalls einen reversiblen Verfahrensfehler dar.
Beispiel:
  • Annahme eines Beweisverwertungsverbots trotz fehlendem Widerspruch. Der Angeklagte soll selbst entscheiden, ob Angaben verwertet werden sollen!
  • Die fehlende Belehrung des Mitangeklagten hindert Verwertung dessen Aussage hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten nicht, sondern führt nur zu einem Beweisverwertungsverbot zum Beweis seiner eigenen Schuld.
  • 6. § 136a StPO – verbotene Vernehmungsmethoden führen immer zu einem Beweisverwertungsverbot!

    Kann nur im Wege des Freibeweis bewiesen werden.

    Fallgruppen:
  • Ermüdung nur in Extremfällen
  • Abgrenzung Täuschung von erlaubter kriminalistischer List
  • Androhen von (noch) nicht erlabten (Ermittlungs-)maßnahmen (§§ 102, 105, 112, 127 ff. StPO)
  • Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils
  • Beachte: § 69 III StPO wonach § 136a StPO auch bei der Vernehmung von Zeugen gilt
  • § 70 StPO Ordnungsgeld für verweigernde Zeugen ohne gesetzlichen Grund
    Beachte: Aussageverweigerungsrecht nach den §§ 52 ff. StPO stellt einen gesetzlichen Grund dar!
  • 7. §§ 168c V, 224 I S. 1 StPO – Verletzung der Benachrichtigungspflicht

    Benachrichtigung des Beschuldigten/Angeklagten und Verteidiger über RICHTERLICHE Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen erforderlich.

    Differenziere:

    • Im Ermittlungsverfahren gilt § 168 c StPO
    • In der Hauptverhandlung gilt § 224 I S. 1 StPO

    Ausnahme: keine Benachrichtigung erforderlich bei der richterlichen Vernehmung von Mitbeschuldigten(-)

    Beachte: Widerspruchslösung
    Erst nach Widerspruch ist von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen wegen der Verhinderung der Möglichkeit, auf das Beweisergebnis Einfluss nehmen zu können.

    Ausnahme: Bei der Verlesung des Protokolls als nicht-richterliches Protokoll gem. § 251 I StPO und nach erfolgtem Hinweis § 265 StPO hierauf, besteht kein Beweisverwertungsverbot.

    8. § 189 GVG – unvereidigter Dolmetscher im Ermittlungsverfahren

    Führt nicht immer zu einem Beweisverwertungsverbot!

    Beachte: Im Rahmen einer richterlichen Vernehmung stellt die Hinzuziehung und Vereidigung eines Dolmetschers eine wesentliche Förmlichkeit § 273 StPO dar. Die Vernehmungsniederschrift darf bei fehlen der Angaben nicht als richterliches Protokoll iSv. § 251 III, 254 StPO, sondern nur als nichtrichterliches Protokoll verlesen werden.

    9. Dürfen nachteilige Schlüsse aus Schweigen des Angeklagten/weigerungsberechtigten Zeugen gezogen werden?

    (+) Bei Teilschweigen als negativer Bestandteil der Aussage.

    (-) Wenn gemachte Angaben nicht mal fragmentarisch den eigentlichen Tatvorwurf betreffen. Aus dem Schweigen dürfen dann keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden.

    Beachte: Geständige Erklärung des Verteidigers ist keine Einlassung des schweigenden Angeklagten! Die Aussage des Verteidigers ist dann nicht verwertbar. Durch eine Verwertung würde gegen § 261 StPO und den Mündlichkeitsgrundsatz verstoßen werden, da die Aussage nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt wurde.

    Ausnahme: Verteidiger wurde zu diesen Erklärungen bevollmächtigt.

    10. Verletzung APR (Allgemeines Persönlichkeitsrecht)

    Maßgeblich zu beurteilen nach der Sphärentheorie: Ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen?

    IdR betrifft der Sachverhalt mit unmittelbaren Bezug zur abgeurteilten Tat keinen Kernbereich privater Lebensgestaltung.

    Problem: Erforderlichkeit einer Tagebuchauswertung

    Tagebuchauswertung ist idR nicht erforderlich, wenn andere Beweismittel zur Verfügung stehen.

    Beachte: Maßgeblich für die Beurteilung eines Beweisverwertungsverbotes ist auch der Ursprung der Beweismittel

    • Strafversorgungsorgane: §§ 100c, 100f StPO!
    • Bei Privatpersonen erfolgt die Beurteilung nach der Sphärentheorie und der Abwägungslehre!

    Aber: idR „beruht“ das Urteil auch nicht auf dem Verstoß, sofern weitere Beweismittel zur Verfügung stehen.