XI. Unmittelbarkeitsgrundsatz - § 250 StPO

Vernehmungsprotokolle und andere von Zeugen und Sachverständigen stammende schriftliche Erklärungen dürfen nicht verlesen werden. Voranging ist immer die persönliche Vernehmung.

Beachte:

  • Vorhalt ist keine Verlesung. Erfolgt die Protokollverlesung zur Gedächtnisstütze ist dies nach § 253 I StPO erlaubt.
    Beweis = Auf Vorhalt erfolgte Erklärung!
Vorsicht bei Aussagen à la „wenn damals so protokolliert wurde, habe ich es wohl auch so beobachtet“ stellt keine Erinnerung dar! Sofern das Urteil auf entsprechenden Protokollabschnitt gestützt wird und somit Beweisgrundlage war, ist dies als Verstoß gegen § 261 StPO und gegen den Mündlichkeitsgrundsatz zu werten.

  • Ergänzung der Vernehmung durch Einführung des Protokolls nach § 249 StPO (+)
    Die Vernehmung darf nur nicht durch Einführung des Protokolls ersetzt werden.

Ausnahmen vom Unmittelbarkeitsgrundsatz: Zulässige Verlesung nach den §§ 251, 253 254, 256 StPO durch den Vorsitz oder beauftragten Richter. Wurde die grundsätzlich zulässige Verlesung von einer anderen Person vorgenommen, liegt ein Verstoß gegen § 249 StPO vor.

1. § 251 StPO: Protokoll über Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen, Mitangeklagten

  • § 251 I StPO = richterliche und nichtrichterliche Vernehmungsprotokolle können verlesen werden.
  • § 251 II StPO = nur richterliche Vernehmungsprotokolle können verlesen werden.
  • Beachte: Protokoll muss ordnungsgemäße errichtet worden sein. Dazu gehört auch die Benachrichtigung des Verteidigers nach § 224 I StPO. Fehlt die Benachrichtigung, kann das Protokoll als nichtrichterliches Protokoll verlesen werden.
    Aber: Hinweis nach § 265 I StPO erforderlich, dass Protokoll als nichtrichterliches Protokoll verlesen wird.

Beachte: Nach § 251 IV StPO ist ein beurkundeter und begründeter Beschluss bzgl. Der Verlesung erforderlich! Eine bloße „Anordnung“ ist hierfür nicht ausreichend.

Liegt kein begründeter Beschluss vor, „beruht“ das Urteil wegen der fehlenden Bekanntgabe des Verlesungsgrundes auf dem Fehler.
Ausnahme: Allen Beteiligten ist Grund der Verlesung bekannt (z.B. Person ist verstorben). Dann ist ein „beruhen“ nicht anzunehmen.

Problem: Bedrohungslage des Zeugen

Bei einer Bedrohung für den Zeugen ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen von § 34 StGB vorliegen und ob durch § 172 Nr. 1a GVG ausreichend Schutz möglich ist. Ist das nicht der Fall, dann das Vernehmungsprotokoll verlesen werden.

2. § 254 I StPO: richterliches Protokoll enthält Erklärungen des Angeklagten und die Verlesung erfolgt zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis.

3. § 256 I StPO: verlesbare Erklärungen

idR Gutachten wie z. B. ein ärztliches Attest (§ 256 I Nr. 2 StPO).

Beachte: nur bei Körperverletzungsdelikten §§ 223, 224, 229 StGB ist eine Verlesung möglich. Bei Delikten mit „Todesgefahr“ §§ 255, 250 III Nr. 3b StGB kann die Vernehmung nicht durch eine Verlesung ersetzt werden.