§ 338 Nr. 6 StPO: Ungesetzliche Beschränkung der Öffentlichkeit

Autorin: Rechtsanwältin Vera Oldenburger

Rechtsgrundlage = § 169 S. 1 GVG
Ausnahme vom Öffentlichkeitsgrundsatz: §§ 171a – 173, 175, 177 GVG

Voraussetzungen

a. Möglichkeit der Kenntnisnahme von Ort & Zeit der Verhandlung
z. B. durch Aushang, Leuchtschild oder sonst besondere Hinweise, die Angaben zum Zeitpunkt + zur Öffentlichkeit /Nichtöffentlichkeit der Verhandlung enthalten
Beachte: Der Terminzettel vor Gerichtssaal muss inhaltlich mit tatsächlichem Ablauf übereinstimmen

Problem: Wechsel des Sitzungssaals

Wenn vor Ort ohne besondere Schwierigkeiten der neue Sitzungssaal ausgemacht werden kann (z. B. nur 3 Sitzungssäle vorhanden) besteht keine Beschränkung der Öffentlichkeit.

b. Ausreichend Platz, um Öffentlichkeit zu repräsentieren
Ist nicht erfüllt, wenn nur 1. Zuhörerplatz existiert.

c. Tatsächliche Zutrittsmöglichkeit
Maßgeblich ist ein faktischer Ausschluss!

Problem: Entfernung eines Zuschauers um diesen als Zeugen zu vernehmen

Grds. (+)
Sofern der Zuhörer unter keinem sinnvollen Gesichtspunkt als Zeuge in Betracht kommt, liegt ein Ausschluss der Öffentlichkeit vor. Aber das Gericht hat zur Entscheidung einen Beurteilungsspielraum (Grenze des Beurteilungsspielraums = sachwidrige Erwägungen)

Problem: Aufforderung „Saal freiwillig zu verlassen“

Sofern Aufforderung nur an Einzelne gerichtet wird, liegt kein Ausschluss vor.
Wird Aufforderung an alle gerichtet, kommt dies einem faktischer Ausschluss gleich und stellt eine Umgehung von § 169 GVG dar.

Problem: Aufforderung Saal zu verlassen oder das Kopftuch abzunehmen

Wegen des Inaussichtstellens eines Ausschlussbeschlusses liegt keine Freiwilligkeit vor und damit ein Ausschluss der Öffentlichkeit.
Beachte: Wenn im Rahmen von §§ 175, 176 GVG eine Störung vorliegt, kann Aufforderung gerechtfertigt sein. Allerdings stellt das Kopftuchtragen aus religiösen Gründen wegen Art. 4 GG nie eine „Störung“ dar.

Problem: § 177 GVG durch Beschluss

(+) bei Störung
Aber: vorherige Aufforderung/Mahnung erforderlich!

d. Verschulden des Gerichts
Kenntnis/Kennenmüssen bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hinsichtlich der Beschränkung. Das Verschulden untergeordneter Beamter ist dabei nicht relevant, weil das Gericht selbst eine Aufsichtspflicht besitzt. Daher muss das Gericht nur für eigenes Verschulden einstehen.

e. Kein Ausschluss / Grenze der Öffentlichkeitsmaxime
Insbesondere sind dabei rechtliche Hindernisse relevant:

Beispiel:
Gerichtstermin findet zur Ortsbegehung in Privatwohnung statt. Art. 13 GG gilt vorrangig. Ein Gerichtsbeschluss über den „Ausschluss der Öffentlichkeit“ ist daher nicht erforderlich, da eine Privatwohnung nie der Öffentlichkeit zugänglich ist.