Wann ist der Zugang bei einem Übergabeeinschreiben mit Abholschein gegeben?

Überblick

Umstritten ist, wann der Zugang einer Willenserklärung vorliegt, wenn diese mithilfe eines Übergabeeinschreibens übermittelt wird, der Empfänger jedoch nicht anwesend ist und er daher einen Benachrichtigungsschein erhält, der ihn zur Abholung des Briefes bei der Post auffordert.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Abgabefiktion1

Nach dieser Meinung ist ein Übergabeeinschreiben dann als zugegangen zu behandeln, wenn der Erklärende von einer Abgabe der Willenserklärung ausgehen darf. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Adressat das Einschreiben abholen kann und dies unter normalen Umständen auch von ihm zu erwarten ist.

Argumente für diese Ansicht

Treu und Glauben

Hat der Erklärende die Willenserklärung mittels Übergabeeinschreiben in den Verkehr gebracht und kann er mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Abgabe ausgehen, so ist die Erklärung zugegangen. Auch liegt es im Verantwortungsbereich des Empfängers, das Übergabeeinschreiben mittels des Abholscheines abzuholen. Es ist nicht Aufgabe des Erklärenden, diese Abholung sicherzustellen.

Sorgfalt

Es gilt der Grundsatz: Zugegangen ist eine Willenserklärung, sobald sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen. Hat der Erklärende unter Berücksichtigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt alles getan, um das Inverkehrbringen der Willenserklärung sicherzustellen, kommt es nun auf die Sorgfaltspflichten des Empfängers an und wann danach von einer Abholung und folglich einem Zugang der Willenserklärung auszugehen ist.

2. Ansicht - Keine wirksame Willenserklärung2

Nach dieser Ansicht liegt bei einem Übergabeeinschreiben erst dann ein Zugang der Willenserklärung vor, wenn das Schreiben vom Empfänger abgeholt wurde. Das gilt auch dann, wenn der Brief nicht in der dafür vorgesehenen Frist abgeholt wird.

Argumente für diese Ansicht

Kenntnis erst durch Abholung

Holt der Empfänger mittels Abholschein das Übergabeeinschreiben von der Post ab, hat er die Möglichkeit, das Schreiben zu lesen. Erst dann ist von der inhaltlichen Kenntnis des Schreibens und des Erklärenden auszugehen. Daher kann ein Zugang auch erst erfolgen, wenn Kenntnis über die konkrete Willenserklärung besteht.
Holt der Empfänger das Schreiben nicht ab, ist auszulegen, ob es sich bei der unterlassenen Abholung um eine arglistige Zugangsvereitelung handelt. Ist eine solche zu bejahen, gilt die Willenserklärung als zugegangen.

Benachrichtigungsschein enthält keine Willenserklärung

Ein Zugang der Willenserklärung kann nicht schon mit Einwurf des Benachrichtigungszettels angenommen werden, da dieser selbst die empfangsbedürftige Willenserklärung nicht enthält.

  • 1. MüKoBGB/Einsele, 9. Auflage 2021, § 130 Rn. 21; BGHZ 67, 271.
  • 2. BGH NJW 1998, 976 (977), Höland, Jura 1998, 352 (355); Erman/Arnold, BGB, 17. Auflage 2023, § 130 Rn. 13.

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