Entfernt sich der Täter iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entschuldigt, wenn er § 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB im Vollrausch (§ 323a StGB) begeht?

Überblick

Umstritten ist, ob sich derjenige Täter iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entschuldigt von Unfallort entfernt, wenn er § 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB im Vollrausch (§ 323a StGB) begeht. Würde man dies bejahen, dann würde den Vollrauschtäter die Pflicht treffen, die Unfallfeststellung zu ermöglichen, sobald er wieder nüchtern ist. Voraussetzung wäre mithin, dass der Vollrausch einen den Täter entschuldigenden Zustand hervorruft.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht

Der sich im Vollrausch entfernende Täter, entfernt sich nicht entschuldigt iSd. § 142 II Nr. 2 StGB vom Unfallort. Ihn trifft mithin auch nicht die Pflicht, die Unfallfeststellung zu ermöglichen.1

Argumente für diese Ansicht

Der Vollrausch stellt keinen Entschuldigungsgrund entsprechend der §§ 33, 35 StGB dar.

Der Begriff „entschuldigt“ erfasst lediglich die in §§ 33, 35 StGB aufgeführten Entschuldigungsgründe. Da der Vollrausch nach § 323a StGB kein solcher Entschuldigungsgrund ist, kommt auch eine Pflicht nach § 142 II Nr. 2 StGB nicht in Betracht.2

Der Täter macht sich bereits nach §§ 323a iVm. 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB strafbar.

Wegen des Sichentfernens im Zustand des Vollrauschs macht sich der Täter bereits nach §§ 323a iVm. 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB strafbar. Da es sich bei § 142 II StGB lediglich um einen Auffangtatbestand handelt, der Täter erfassen soll, die sich in nicht strafbarer Weise vom Unfallort entfernt haben, ist § 142 II StGB nicht anzuwenden.3

2. Ansicht

Der sich im Vollrausch entfernende Täter, entfernt sich entschuldigt vom Unfallort. Ihn trifft mithin auch nicht die Pflicht nach § 142 II Nr. 2 StGB, die Unfallfeststellung zu ermöglichen.4

Argumente für diese Ansicht

Der Begriff „entschuldigt“ erfasst nicht nur die Entschuldigungsgründe nach §§ 33, 35 StGB, sondern auch den Zustand von (vorübergehender) Schuldunfähigkeit iSd. § 20 StGB.5

Somit muss auch der Vollrauschzustand grundsätzlich entschuldigende Umstände und somit eine nachträgliche Pflicht zur Unfallfeststellung begründen.

Es ist nicht ersichtlich, wieso die vorübergehende Schuldunfähigkeit – insbesondere der Vollrausch – im Rahmen des § 142 II Nr. 2 StGB einer Sonderbehandlung bedarf.6

  • 1. Im Ergebnis: Rengier, BT II, § 46, Rn. 32, Aufl. 16.
  • 2. Satzger in Jura 13, 355 f.
  • 3. Rengier, BT II, § 46, Rn. 32, Aufl. 16.
  • 4. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 49, Rn. 53, Aufl. 10.; Dornseifer in JZ 80, 299 (303).
  • 5. Berz in Jura 79, 127.
  • 6. Dornseifer in JZ 80, 299 (303).

Lass dir das Thema Entfernt sich der Täter iSd. § 142 II Nr. 2 StGB entschuldigt, wenn er § 142 I Nr. 1 oder Nr. 2 StGB im Vollrausch (§ 323a StGB) begeht? noch mal ausführlich erklären auf Jura Online!


Zurück zu allen Streitständen


Karrierestart

Wie finde ich das passende Praktikum, die passende Anwaltsstation oder den passenden Nebenjob im Referendariat? Ausgeschrieben Jobs & Karriere Events & Arbeitgeber

Was hat Allen & Overy als Arbeitgeber zu bieten
Das könnte Dich auch interessieren
Überblick Lange Zeit war umstritten, ob das Absetzen oder Absetzenhelfen iSd. § 259 StGB auch ein…
Überblick Im Konkreten im umstritten, ob der Täter, der das Opfer zunächst mit einer anderen Inte…
Überblick Im Rahmen der Religionsfreiheit besteht Uneinigkeit bezüglich der Frage ob es sich hierbe…
Überblick Die Frage kreist um die Situation, in der der Täter zwar Nichtberechtigter ist, zwische…