Strittig ist der Anwendungsbereich einer Anscheinsvollmacht.
Überblick
Bei einer Anscheinsvollmacht kennt der Vertretene das vollmachtlose Handeln des Vertreters nicht. Dabei ist dem Vertretenen vorzuwerfen, dass er das Verhalten des Vertreters hätte kennen können oder es jedenfalls hätte unterbinden können. Das Institut an sich ist anerkannt. Sein Anwendungsbereich ist jedoch umstritten.
Die Ansichten und ihre Argumente
1. Ansicht - Kaufmännische Beschränkung1
Nach dieser Ansicht ist die Anscheinsvollmacht auf den kaufmännischen Verkehr zu beschränken. Ihr kommt in diesem ein gewohnheitsrechtlicher Charakter zu. Dieser ist unter anderem dadurch begründet, dass der Vertreter in der Regel in den arbeitsteiligen Betrieb eingebunden ist, sodass ein äußerer Schein der Legitimation besteht.
Argumente für diese Ansicht
Erhöhter Verkehrsschutz
Nur im kaufmännischen Rechtsverkehr ist ein erhöhter Verkehrsschutz angebracht. Im privaten Rechtsverkehr beschränkt sich die Haftung auf das negative Interesse über die c.i.c.
Systematik des BGB
Die fahrlässige Nichtbeachtung pflichtgemäßer Sorgfalt kann nach der Systematik des BGB mangels rechtsgeschäftlichen Willens kein Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts bewirken. Im Gegenteil: Das BGB sieht hier lediglich eine Schadensersatzpflicht vor. Damit kann die Anscheinsvollmacht nicht auch für den privaten Verkehr anerkannt werden.
§ 179 BGB
Auch dem Stellvertretungsrecht selbst ist kein weitergehender Anwendungsbereich zu entnehmen. Ein Vertreter ohne Vertretungsmacht haftet nur bei Kenntnis des Mangels, während eine sonstige Haftung auf das Vertrauensinteresse beschränkt ist.
Schwächerer Rechtsschein
Im Gegensatz zur Duldungsvollmacht ist der zurechenbare Rechtsschein der Anscheinsvollmacht wesentlich schwächer. Er entsteht durch ein Unterlassen des Vollmachtgebers, wobei dieses Verhalten nicht einmal wider besseren Wissens geschehen muss.
2. Ansicht - Lehre von der Anscheinsvollmacht2
Diese Ansicht vertritt die Lehre der Anscheinsvollmacht. Danach kann sich der Vertretene auf den Mangel der Vollmacht dann nicht berufen, wenn er zwar das Verhalten des Vertreters nicht kannte, dieses aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und somit auch verhindern können. Weiterhin muss der Geschäftspartner das Verhalten des angeblichen Vertreters nach Treu und Glauben sowie Verkehrssitte so aufgefasst haben, dass er davon ausgehen musste, der Vertretene dulde dieses Verhalten.
Argumente für diese Ansicht
Erfüllungsansprüche nur bei Vertragsschluss
Ansprüche auf Erfüllung können nur bejaht werden, wenn ein Vertragsschluss vorliegt. Sofern es für den Geschäftspartner keine Anhaltspunkte gab, die Vertretung durch den vollmachtlos Handelnden sei vom Vertretenen nicht geduldet, liegt eine Anscheinsvollmacht vor. Damit stellt sich die Rechtslage so dar, als sei eine wirksame Vollmacht erteilt worden.
Keine Unterscheidung zwischen kaufmännischem und privatem Rechtsverkehr
Eine Unterscheidung zwischen dem kaufmännischen und dem privaten Rechtsverkehr ist sachlich nicht gerechtfertigt. Wird eine Anscheinsvollmacht relevant, so sind hinsichtlich der Belange eines Privaten eher strengere Anforderungen an die Verhaltenszurechnung zu stellen. Er bedarf einer höheren Schutzwürdigkeit als ein erfahrener Kaufmann.
Fahrlässigkeit reicht aus
Für die Zurechnung eines Rechtsscheins reicht auch Fahrlässigkeit aus. Nämlich immer dann, wenn der Handelnde bei angebrachter Sorgfalt die Deutung seines Verhaltens als Willenserklärung hätte erkennen und verhindern können. Ebenso verhält es sich bei der Anscheinsvollmacht.
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