Hersteller kraft Parteiwillens

Überblick

Problem: Streitig ist die Frage, ob es einen Hersteller kraft Parteiwillens geben kann. Denn durch die Verarbeitung werden eine oder mehrere Sachen in eine neue Sache verwandelt, was grundsätzlich einen originären Eigentumserwerb gemäß § 950 BGB auslöst. Es stellt sich dann die Frage, ob die Herstellereigenschaft vereinbart werden kann, um den Eigentümer zu bestimmen.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Abdingbarkeitstheorie

Nach den Vertretern dieser Ansicht kann der Hersteller kraft Parteiwillens bestimmt werden, weil § 950 BGB dispositiv ist. Seine Anwendung kann wirksam ausgeschlossen werden, wenn zum Beispiel ein vertraglicher Eigentumsvorbehalt verabredet wird. Die vertragliche Vereinbarung bleibt auch dann maßgebend, wenn der Verarbeiter vor oder während der Herstellung deutlich macht, nun doch selbst Eigentum an den neuen Sachen erwerben zu wollen. 1

Argumente für diese Ansicht

Erhaltungs- und Erwerbsinteresse

Sinn des § 950 BGB ist es, entstehende Konflikte zwischen dem Erhaltungsinteresse des Stoffeigentümers und dem Erwerbsinteresse des Verarbeiters zu vermitteln. Ein solcher Konflikt besteht zwischen den Parteien nicht, wenn im Vorfeld vertraglich geregelt ist, wer Eigentümer wird. Damit muss § 950 BGB dann auch nicht zur Anwendung kommen.

Parallelen zu den Regelungen vor der Schuldrechtsreform

Aufgrund der Regelungen vor der Schuldrechtsreform und der damit verbundenen weiterhin bestehenden Rechtslage ist die Abdingbarkeit des § 950 BGB weiterhin gegeben. Danach gehen vertragliche Regelungen dem § 950 BGB auch künftig vor.

Aufgezwungenes Eigentum

Würde man § 950 BGB nicht als dispositive Norm anerkennen, ergäbe sich damit, dass der Hersteller kraft Gesetzes das Eigentum an der neuen Sache erwirbt und es ihm damit quasi aufgezwungen werden würde. Dies widerspricht wiederum dem Prinzip der Selbstbestimmung. Der Einzelne muss vor aufgedrängten Rechten geschützt werden. Es muss eine Möglichkeit bestehen, vertraglich auf Eigentumserwerbe zu verzichten.

Umkehrschluss zum Werklieferungsvertrag

Zu beachten ist auch, dass der Werklieferungsvertrag eine Übereignungspflicht vorsieht, während das restliche Werkvertragsrecht, in dessen Kontext § 950 BGB häufig zu sehen ist, dies nicht tut.

2. Ansicht - Theorie der Disponibilität der Herstellereigenschaft

Nach dieser Theorie ist § 950 BGB zwingendes Recht, weshalb er auch nicht durch Parteivereinbarung abbedungen werden kann. Davon unabhängig kann aber vertraglich geregelt werden, wer Hersteller sein soll.2

Argumente für diese Ansicht

Systematik und sachenrechtliche Dogmatik

Wie alle sachenrechtlichen Zuordnungsregeln ist auch § 950 BGB, systematisch eingeordnet hinter den §§ 946 ff. BGB, eine zwingende Norm. Darüber hinaus gilt im Sachenrecht Typenzwang.

Schutz vor aufgedrängtem Eigentum ist kein Argument

Der Hersteller hat die Möglichkeit, die Sache nach seinem Eigentumserwerb weiter zu übereignen oder auch zu verarbeiten. Damit ist er ausreichend geschützt.

3. Ansicht - Bestimmung des Herstellerbegriffs nach subjektiven und objektiven Kriterien

Die Vertreter dieser Theorie stufen § 950 BGB als zwingendes Recht ein. Demnach bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung, also nach dem objektiven Empfängerhorizont, wer Hersteller im Sinne des § 950 BGB ist. Solange der Verarbeiter nicht deutlich macht, dass er sich nicht an eine vertragliche Regelung der Herstellereigenschaft halten werde, sieht die Verkehrsanschauung den Vorbehaltskäufer als Hersteller an. 3

Argumente für diese Ansicht

Dingliche Surrogation nur durch Gesetz

Die Abdingbarkeit des § 950 BGB ist nur ein Versuch kraft Rechtsgeschäfts den notwendigerweise untergehenden Eigentumsvorbehalt des Lieferanten durch das entstehende Eigentum zu ersetzen. Diese dingliche Surrogation kann aber nur vom Gesetz angeordnet werden und nicht durch ein Rechtsgeschäft herbeigeführt werden.

Kein Vergleich zum Werkvertrag

Es lässt sich aus den Vorschriften des Werkvertrages keine Abdingbarkeit des § 950 BGB ableiten. Selbst wenn man den vorangegangenen Eigentumserwerb des Werkbestellers als Abweichung von § 950 BGB wertet, ist zur Außerkraftsetzung des § 950 BGB eine gesetzliche Sonderreglung und keine akzeptierte vertragliche Vereinbarung nötig.

Zweck klarer Eigentumsverhältnisse

Ziel der Vorschrift ist es auch klare Eigentumsverhältnisse zu schaffen. Dies würde gefährdet, wenn man die Eigentumsordnung den Parteien überließe. Auch nehmen an der zwingenenden Natur einer Rechtsnorm alle Tatbestandsmerkmal teil. Sie kann nicht in einen zwingenden und einen nicht zwingenden Teil aufgespalten werden.

  • 1. MüKoBGB/Füller, 9. Auflage 2023, § 950 Rn. 15 mwN.
  • 2. Staudinger/Heinze, § 950 Rn. 21 (2020).
  • 3. Jauernig/Berger, BGB, 19. Auflage 2023, § 950 Rn. 8; Erman/Ebbing, BGB, 17. Auflage 2023, § 950 Rn. 7 ff.; Möhring, NJW 1960, 697 (701); BGHZ 20, 159 (163 f.); BGHZ 112, 243.

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