Gibt es eine Drittwirkung, d.h. eine Wirkung der Grundrechte im Verhältnis der Bürger untereinander?

Überblick

Eine beliebte Frage in Prüfungen und Klausuren: Kann es eine Wirkung der Grundrechte im Verhältnis der Bürger untereinander geben? Eine Meinung schliesst dies aus, eine andere geht von einer unmittelbaren Drittwirkung aus und eine dritte Meinung sieht die Drittwirkung durch den Privatrechtsverkehr als bereits gegeben an.

Die Meinungen und ihre Argumente

1. Ansicht - Keine Drittwirkung1

Nach dieser Meinung gelten die Grundrechte im Privatrechtsverkehr der Bürger untereinander nicht.

Argumente für diese Ansicht

Wortlaut Art. 1 III GG

Aus dem Wortlaut des Art. 1 III GG gehen eindeutig der Gesetzgeber, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung als Grundrechtsverpflichtete hervor, nicht aber die Bürger.

Historische Entwicklung

Ihrer historischen Entwicklung nach sind die Grundrechte einzig und allein als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat entstanden. So sind sie auch zu verstehen.

2. Ansicht - Unmittelbare Drittwirkung2

Nach dieser Ansicht gelten die Grunde im Privatrecht wie jede andere Gesetzesnorm auch und damit auch zwischen den Bürgern.

Argumente für diese Ansicht

Sozialstaatprinzip

Das in den Art. 20,28 GG verankerte Bekenntnis zum Sozialstaat umfasst auch die unmittelbare, privatrechtliche Wirkung der Grundrechte. Denn in einer sozialen Gemeinschaft ist jeder Einzelne auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr angewiesen, damit einhergehend auch auf die Gesetzesnormen insgesamt, dazu gehören auch die Grundrechte.

Nicht nur staatliche Eingriffe

Sinn und Zweck der Grundrechte ist die Zusicherung von Freiräumen, dieser kann jedoch nicht nur den Staat, sondern auch von anderen Privatpersonen oder Gruppierungen eingeschränkt oder bedroht werden.

Bedeutungswandel der Grundrechte

Historisch gesehen entstanden die Grundrechte als subjektive Abwehrrechte gegen den Staat. In der Entwicklung der Gesellschaft muss aber dem zentralen Anliegen der Grundrechte, nämlich der effektive und möglichst umfassende Grundrechtsschutz, entsprochen werden. Damit sind die Grundrechte als Grundsatznormen für die gesamte Rechtsordnung zu verstehen.

3. Ansicht - Mittelbare Drittwirkung3

Nach dieser Ansicht gelten die Grundrechte zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar im Privatrechtsverkehr. Sie bilden eine objektive Wertordnung die im Privatrecht als Einbruchstellen für die Grundrechte in das Privatrecht gesehen werden kann.

Argumente für diese Ansicht

Unterschied der Eingriffe

Während ein staatlicher Eingriff in die Grundrechte einhergeht mit unmittelbarem Zwang,kann im privatrechtlichen kein Eingriff ohne Einverständnis des Einzelnen geschehen. Durch vertragliche Abreden kann mittels wertungsausfüllender privatrechtlicher Normen auch ein Grundrecht Berücksichtigung finden.

Privatautonomie

Wären die Grundrechte unmittelbar auch zwischen den Bürgern anwendbar, würde das eine nicht akzeptierbare Einschränkung der Privatautonomie bedeuten. Die damit einhergehende Einengung der Freiheit des Einzelnen stünde nicht im Einklang mit den Grundrechten. Denn diese gewährleisten auch die Freiheit, sich unter Privaten über die Grundrechtswesen hinwegsetzen zu dürfen.

  • 1. Stree DÖV 1958, 173 ff.; Creifelds JR 1950 449 (455).
  • 2. BGHZ 13, 334 (338);Singer JZ 1995, 1133 ff.;BAGE 438 (441).
  • 3. BVerfGE 7,198 (206 ff.); BVerfGE 103, 89 (100).

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