Erlangt ein Minderjähriger durch die unentgeltliche Zuwendung eines dinglich belasteten Grundstücks einen lediglich rechtlichen Vorteil nach § 107 BGB?

Überblick

Grundsätzlich besteht, wie im Falle der Grundstücksschenkung an Minderjährige auch im Falle der Schenkung eines belasteten Grundstücks die Frage, ob insoweit von einem rechtlich vorteilhaften Rechtsgeschäft iSd § 107 BGB ausgegangen werden kann oder eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist. Grundstücksbelastungen sind Lasten und Beschränkungen an dem Grundstück. Zu diesen zählen zum Beispiel Nutzungsrechte, Erbbaurechte, Reallasten oder auch Vorkaufsrechte. Durch solche werden die freie Nutzung und Verfügbarkeit des Grundstücks eingeschränkt.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht - Abwägung der tatsächlichen Belastung1

Nach dieser Ansicht stellen dingliche Belastungen eines Grundstücks so lange keinen rechtlichen Nachteil dar, wie sie keine persönliche Verpflichtung des Grundstückseigentümers zur Folge haben.

Argumente für diese Ansicht

Minderung des Vorteils

Im Falle einer Grundschuld oder einer Hypothek wird lediglich der Vorteil des Grundstückserwerbs gemindert, nicht aber vollständig beseitigt. Denn der Grundstückseigentümer ist gem. § 1147 BGB nur dazu verpflichtet, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden. Diese Haftung schmälert zwar den Vermögensvorteil aus dem Grundstück, führt aber nicht zu einer Minderung des persönlichen Vermögens des Minderjährigen. Im wirtschaftlich nachteiligsten Fall ist das Eigentum nichts wert. Ebenso verhält es sich mit einem Nießbrauch.

Gefahr der Rückgewährhaftung kein Nachteil

Im Falle von vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechten liegt kein Nachteil vor. Die durch Ausübung des Rücktrittsrechts entstehende Rückgewährhaftung ist Folge des schuldrechtlichen Geschäfts und stellt für den Minderjährigen keinen rechtlichen Nachteil dar.

Ausnahme bei persönlicher Haftung

Im Falle einer persönlichen Haftung des Minderjährigen oder Pflichten, die über den Erwerbsvorgang hinausgehen, ist die rechtliche Vorteilhaftigkeit abzulehnen. Dies liegt immer dann vor, wenn der Minderjährige durch Eintritt in ein Rechtsverhältnis Ansprüchen ausgesetzt wird, die eine persönliche Haftung begründen. So ist die Schenkung einer Eigentumswohnung nicht rechtlich vorteilhaft, da hiermit Pflichten aus der Mitgliedschaft in einer WEG verbunden sind. Ebenso verhält es sich mit vermieteten oder verpachteten Grundstücken. Denn hier tritt der Minderjährige in die Vermieterposition ein und ist demnach auch den Ansprüchen der Mieter bzw. Pächter ausgesetzt.

2. Ansicht - Rechtlicher Nachteil2

Nach dieser Ansicht ist die unentgeltliche Zuwendung eines dinglich belasteten Grundstückes an einen Minderjährigen rechtlich nachteilig.

Argumente für diese Ansicht

Mittelbare Nachteile

Der Minderjährige ist als Eigentümer den Ansprüchen ausgesetzt, die sich primär gegen das Grundstück richten. Selbst wenn eine Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück keinen unmittelbaren Nachteil für das sonstige Vermögen des Eigentümers darstellt, mindert sie den Wert und damit das Vermögen des Minderjährigen insgesamt. Es genügt sogar schon die bloße Möglichkeit der Zwangsvollstreckung, um die rechtliche Vorteilhaftigkeit abzulehnen.

Widerspruch gegen § 107 BGB

Der Minderjährigenschutz aus § 107 BGB würde durch eine gegenteilige Ansicht umgangen. § 107 BGB bezweckt den Schutz des Minderjährigen und seines Vermögens. Würde man nun dazu übergehen, die dinglichen Belastungen in ihrer Stärke abzustufen, würde dies der Schutzintention widersprechen. Weiterhin ist es fraglich, inwieweit wiederkehrende Belastungen als rechtlich vorteilhaft angesehen werden können, da diese naturgemäß stets auch einen Eingriff in das Vermögen des Eigentümers darstellen.

  • 1. BGH NJW 2005, 415 (417); Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81, Auflage 2022, § 107 Rn. 4.
  • 2. Röthel/Krackhardt, Jura 2006, 161 (164).

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