Welche Deliktsnatur weist § 323a StGB (Vollrausch) auf?

Überblick

Umstritten ist vorliegend die Deliktsnatur des § 323a StGB. Strittiger Punkt ist dabei prinzipiell die Frage nach dem strafwürdigen Tatunrecht.


Folgen und Auswirkungen des Meinungstreites

1. Ansicht - Bei § 323a StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.1

Argumente für diese Ansicht

Das strafwürdige Unrecht liegt bereits (und allein) in dem selbst herbeigeführten und verschuldeten Rauschzustand als solchem.2

Der Rausch ist seit jeher als Quelle von Gewalttaten, Sittlichkeitsverbrechen und anderen Rechtsbrüchen bekannt. Er nimmt dem Menschen die Gewalt über sich.

Wirkung des Rauschzustandes ist unberechenbar und erfordert daher besonderen Schutz der Bevölkerung.3

Die Wirkung eines Rauschzustandes ist niemals mit Gewissheit vorhersehbar. Daher muss die Allgemeinheit vor diesen unberechenbaren Gefahren geschützt werden.

2. Ansicht - Zu der im Rausch begangenen Tat muss zumindest eine bestimmte Schuldbeziehung bestehen – insoweit liegt im Ergebnis ein konkretes Gefährdungsdelikt vor.4

Innerhalb dieser Auffassung ist weiterhin umstritten, wie diese Beziehung beschaffen sein soll. (s. dazu unten)

Argumente für diese Ansicht

In dem Vollrausch an sich bereits das Unrecht zu sehen, läuft dem Schuldprinzip zuwider.

Zumindest der Alkohol-Rausch ist per se nichts Strafwürdiges, da die Bevölkerung den Rauschzustand als sozial übliche und größten Teils tolerierte Erscheinung ansehen.5

Wäre allein die Herbeiführung des Rausches der Strafgrund, wäre ein Rückgriff auf die Strafdrohung der Rauschtat obsolet.

Das Unrecht würde sich allein nach der Stärke des Rausches bemessen. Würde man die im Rausch begangene Tat allerdings nicht mehr konkret berücksichtigen, dürfte es bei der Bewertung des Vollrausches unter Unrechtsgesichtspunkten nicht drauf ankommen, ob der Berauschte einen Mord, eine Sachbeschädigung oder gar keine Straftat begeht.6

Die Gegenauffassung kann nicht erklären, wieso der Vollrausch gemäß § 323a II StGB nicht härter bestraft werden kann, als die im Rausch begangene Tat bestraft werden würde.

Es lässt sich nicht erklären, wieso die Schwere der Rauschtat bei der Strafzumessung des Vollrauschs die Höchststrafe festlegt, wenn das Unrecht der Tat allein in dem Rauschzustand an sich liegt.7

Erst die Verübung einer Straftat lässt die Grenze zwischen Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit überschritten sein.

Wenn aber die im Rausch begangenen Tat das Unrecht des Vollrauschs entscheidend mitprägt, ist der Ausweg versperrt, § 323a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt anzusehen.8

Widerspruch zu § 122 OWiG

Es leuchtet vom Standpunkt der Gegenauffassung her nicht ein, wieso die Vollrauschvorschrift nach dem OWiG (namentlich § 122 OWiG) eine bloße Geldbuße vorsieht, der Vollrauschtatbestand des § 323a StGB aber eine bis zu fünfjährige Freiheitsstrafe androht.9

  • 1. BGHSt 16, 124 (125f.).; Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 1, Aufl. 28.; im Ergebnis auch: Rengier, BT II, § 41, Rn. 9, Aufl. 16.
  • 2. BGHSt 16, 124 (125).
  • 3. BGHSt 16, 124 (125f.).; idS.: Lackner/Kühl, StGB, § 323a, Rn. 1, Aufl. 28.
  • 4. NK/Paeffgen, StGB, § 323a, Rn. 9, Aufl. 4.; MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4f., Aufl. 1.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 7, Aufl. 16.
  • 5. Roxin, AT I, § 23, Rn. 8, Aufl. 3.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 7, Aufl. 16.
  • 6. MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4, Aufl. 1.
  • 7. MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4, Aufl. 1.; Rengier, BT II, § 41, Rn. 7, Aufl. 16.
  • 8. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Hecker, StGB, § 323a StGB, Rn. 1, Aufl. 29.
  • 9. NK/Paeffgen, StGB, § 323a, Rn. 9, Aufl. 4.; MüKo/Geisler, StGB, § 323a, Rn. 4, Aufl. 1.

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