Was ist unter dem Begriff des „Gliedes“ im Sinne des § 226 I Nr. 2 StGB zu verstehen?

Überblick

Vorliegend wird um die Definition des Körpergliedes im Sinne des § 226 I Nr. 2 StGB gestritten.

Die Auffassungen und ihre Argumente

1. Ansicht - „Glied“ iSd. § 226 I Nr. 2 StGB ist ein Körperteil, der durch ein Gelenk mit dem Rumpf oder einem anderen Körperteil verbunden ist.1

Gemeint sind folglich Beine, Füße, Zehen, Knie, Arme, Hände, Finger und Fingerglieder

Argumente für diese Ansicht

Wortlaut und Sinngehalt

Bereits die Grenzen des Wortlautes und des Sinngehalts des Begriffs „Glied“ erfordern eine solche Auslegung.2

Verletzung von Organen bereits in § 226 I Nr. 1 und Nr. 3 StGB enthalten

Inwieweit die Beeinträchtigung von Organen strafbar sein soll, wird in § 226 I Nr. 1 und Nr. 3 StGB abschließend geregelt. Dies darf nicht durch Anwendung der Nr. 2 unterlaufen werden.3


Argumente gegen diese Ansicht

Vgl. Argumente der dritten Auffassung

2. Ansicht - Nach dieser Auffassung erfordert der Begriff des Gliedes iSd. § 226 I Nr. 2 StGB, dass das Körperteil eine in sich abgeschlossene Existenz mit besonderer Funktion im Gesamtorganismus hat. Allerdings wird auf das Erfordernis der Verbindung durch ein Gelenk verzichtet.4

Somit werden zudem auch Nasen, Ohren und die äußerlichen Genitalien erfasst.

Argumente gegen diese Ansicht

Wortlaut steht entgegen

Grenze des Wortlautes „Glied“ wird durch den Verzicht auf die Verbindung mit einem Glied überschritten.5

Ohren, Nase und und Genitalien unterliegen dann Nr. 1 oder Nr. 3 6

3. Ansicht - Der Begriff des Gliedes iSd. § 226 I Nr. 2 StGB wird nicht auf äußere Körperteile beschränkt.7
Somit werden unter den Begriff des Gliedes auch innere Organe subsumiert.

Argumente für diese Ansicht

Bei einer teleologischen Auslegung kann es keinen Unterschied zwischen äußeren Körperteilen und inneren Organen geben

Hinsichtlich der Schwere des Verlustes fallen innere Organe genauso ins Gewicht.8

Ein Organ ist ein Körperteil und kann daher auch als Körperglied umschrieben werden 9


Argumente gegen diese Ansicht

Wortlaut und Sinngehalt

Würde man ein inneres Organ als „Glied“ bezeichnen, würde dies die Grenze einer zulässigen Wortlautauslegung überschreiten.10

§ 226 StGB ist abschließend

§ 226 ist abschließend und regelt die Strafbarkeit bei Verlust von Körperteilen in den einschlägigen Fällen ebenfalls abschließend.11 So bei Geschlechtsorganen und bestimmten Sinnesorganen.

  • 1. Lackner/Kühl, § 226, Rn. 3, Aufl. 28.; Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, StGB. § 226, Rn. 2, Aufl. 29.; MüKo/Hardtung, § 226, Rn. 26, Aufl. 2..; NK/Neumann, § 226, Rn. 26, Aufl. 3.
  • 2. MüKo/Hardtung, § 226, Rn. 26, Aufl. 2.
  • 3. BGHSt 28, 100 (102).; MüKo/Hardtung, § 226, Rn. 26, Aufl. 2.
  • 4. Gössel/Dölling, BT I, § 13, Rn. 61.
  • 5. NK/Neumann, § 226, Rn. 26, Aufl. 3.
  • 6. Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, § 226, Rn. 2, Aufl. 29.
  • 7. Rengier, BT II, § 15, Rn. 9, Aufl. 13.; Eisele, BT I, Rn. 334, Aufl. 1.
  • 8. Eisele, BT I, Rn. 334, Aufl. 1.; Rengier, BT II, § 15, Rn. 9, Aufl. 13.
  • 9. Rengier, BT II, § 15, Rn. 8, Aufl. 13.
  • 10. BGHSt 28, 100 (102).; Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, § 226, Rn. 2, Aufl. 29.
  • 11. BGHSt 28, 100 (102).; Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, § 226, Rn. 2, Aufl. 29.

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