Stellt das Schwarzfahren im Rahmen der 3. Variante des § 265a I StGB ein „Erschleichen“ von Leistungen dar?
Überblick
Umstritten ist, ob in dem bloßen Schwarzfahren eine Leistungserschleichung iSd. § 265a I Var. 3 StGB zu sehen ist.
Folgen und Auswirkungen des Meinungstreites
1. Ansicht - In dem Schwarzfahren ist zugleich eine tatbestandliche Leistungserschleichung zu sehen.1
Argumente für diese Ansicht
Für das Erschleichen genügt ein ordnungswidriges Verhalten, bei dem sich der Täter mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt.
Der Schwarzfahrer erweckt durch das Mitfahren ohne Fahrschein den Anschein, ein ehrlicher und legitimierter Nutzer zu sein.2
Auslegung ist mit Art. 103 II GG vereinbar
Das Schwarzfahren unter den Begriff der Leistungserschleichung zu subsumieren ist vor allem mit Art. 103 II GG vereinbar, da man unter „Erschleichen“ auch die unrechtmäßige Erlangung einer Leistung verstehen kann.3
Der Abbau im Bereich der Fahrscheinkontrolle, lässt das kriminalpolitische Bedürfnis nicht entfallen
Nach der Gegenansicht (s. dazu bereits unten), setzt die tatbestandliche Erschleichung voraus, dass der Schwarzfahrer Kontrollmaßnahmen umgeht oder ausschaltet. Durch den Abbau solcher Kontrollmaßnahmen, um einen preisgünstigen und schnellen Massenverkehr zu gewährleisten, würden sich Schwarzfahrer also immer seltener und zudem situationsbedingt strafbar machen. Mit dem Abbau der Kontrollmaßnahmen sollte allerdings nicht der Wegfall dieses kriminalpolitischen Bedürfnisses statuiert werden.4
2. Ansicht - Das bloße Schwarzfahren begründet noch keine Leistungserschleichung. Vielmehr muss der Schwarzfahrer Kontroll- oder Sicherungsmaßnahmen umgehen oder ausschalten.5
Argumente für diese Ansicht
Das Umgehen einer tatsächlich vorhandenen Kontrolle durch Erwecken eines ordnungsgemäßen Anscheins und das Ausnutzen des Fehlens einer Kontrolle, können nicht gleich gesetzt werden.
Das gilt z.B. ebenso für die Manipulation eines Automaten einerseits und das bloße Ausnutzen eines Gerätedefekts andererseits.6
Der Gesetzeswortlaut lässt ein solches Begriffsverständnis nicht zu.
Der Gesetzeswortlaut und die Nähe zum Betrug lassen es nicht zu, ein Verhalten als „Erschleichen“ zu bezeichnen, das im traditionellen Sinne darauf angelegt ist, die Beförderungsleistung ohne Kontrolle und nicht an dieser „vorbei“ zu erlangen.7
- 1. BGHSt 53, 122.; Bosch in JA 09, 470f.; Rengier, BT I, § 17, Rn. 6, Aufl. 13.
- 2. BGHSt 53, 122.
- 3. Rengier, BT I, § 17, Rn. 6, Aufl. 13.
- 4. Rengier, BT I, § 17, Rn. 6, Aufl. 13.
- 5. Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 265a, Rn. 11, Aufl. 29.; MüKo/Wolters, StGB, § 265a, Rn. 59ff., Aufl. 2.; Exner in JuS 09, 990ff.
- 6. Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 265a, Rn. 11, Aufl. 29.; ähnlich auch: MüKo/Wolters, StGB, § 265a, Rn. 64, Aufl. 2.
- 7. Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 265a, Rn. 11, Aufl. 29.
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