Sind bei einem Zusammentreffen von § 257 und § 258 StGB die Vorschriften des § 258 V und VI auch auf die Begünstigung anwendbar?
Überblick
Vor allem § 258 V StGB schließt grundsätzlich nur die Bestrafung wegen Strafvereitelung aus, nicht aber wegen sonstiger zugleich begangener Delikte. Daran anschließend stellt sich die Frage, ob eine begangene Fremdbegünstigung ebenfalls straflos bleibt, wenn diese zur Verhinderung der eigenen Bestrafung erforderlich ist. Das gleiche Problem stellt sich, wenn eine Strafvereitelung eines Angehörigen nur durch eine eigene Begünstigung möglich ist. Im ersten Fall frag sich also, ob die Begünstigung durch Anwendung des § 258 V, und im zweiten Fall durch § 258 VI ebenfalls straflos bleibt.
Die Auffassungen und ihre Argumente
1. Ansicht - Bei einem Zusammentreffen von § 257 und § 258 StGB, führen die Vorschriften des § 258 V und VI StGB auch zu einer Straflosigkeit der Begünstigung1
Argumente für diese Ansicht
Es muss verhindert werden, dass die Privilegierung des § 258 V und VI StGB mittels § 257 StGB umgangen wird.2
Aufgrund der notstandsähnlichen Situation, entfällt auch die Strafbarkeit nach § 257 StGB, wenn der Täter die Strafvereitelung ohne die Begünstigung nach seiner Vorstellung nicht erreichen kann.3
2. Ansicht - Das Zusammentreffen von § 257 und § 258 StGB führt nicht dazu, dass die Begünstigung in den Fällen des § 258 V und VI StGB straflos bleibt4
Argumente für diese Ansicht
Die durch das EGStGB hergestellte systematische Selbstständigkeit der §§ 257, 258 StGB bietet keinen Anlass dafür, dass der Anwendungsbereich des Abs. 5 auch die Begünstigung einschließt.5
Eine etwaige Straflosigkeit des Täters, der zur Erreichung der Strafvereitelung eine Fremdbegünstigung begeht, findet im Gesetz keinerlei Stütze. 6
Auch eine analoge Anwendung der Absätze 5 und 6 ist nicht möglich
Insoweit fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.7
- 1. Fischer, StGB, § 258, Rn. 36, 40, Aufl. 61.; Rengier, BT I, § 21, Rn. 28, Aufl. 17.
- 2. Rengier, BT I, § 21, Rn. 28, Aufl. 17.
- 3. Fischer, StGB, § 258, Rn. 40, Aufl. 61.
- 4. Lackner/Kühl, StGB, § 258, Rn. 16, Aufl. 28.; Schönke/Schröder/Stree/Hecker, StGB, § 258, Rn. 39, Aufl. 29.; Maurach/Schröder/Maiwald, BT II; § 101, Rn. 13, Aufl. 10.
- 5. Lackner/Kühl, StGB, § 258, Rn. 16, Aufl. 28.
- 6. Schönke/Schröder/Stree/Hecker, StGB, § 258, Rn. 39, Aufl. 29.
- 7. Schönke/Schröder/Stree/Hecker, StGB, § 258, Rn. 39, Aufl. 29
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