Setzt die „mittelbare“ Falschbeurkundung nach § 271 StGB zwingend ein Handeln in mittelbarer Täterschaft voraus?

Überblick

Seinem typischen Anwendungsbereich nach soll § 271 StGB die mittelbare Täterschaft bei § 348 StGB erfassen. Dieser wiederum regelt den Fall, dass ein Amtsträger innerhalb seiner Zuständigkeit etwas vorsätzlich innerhalb einer öffentlichen Urkunde falsch beurkundet. Ausnahmsweise wird also die schriftliche Lüge unter Strafe gestellt, da hier über den Inhalt der Urkunde getäuscht wird und nicht über die Identität der ausstellenden Behörde. § 348 StGB stellt insoweit ein echtes Amtsdelikt dar, sodass Täter allein ein Amtsträger iSd. § 11 I Nr. 2 StGB sein kann. Daraus folgt, dass Personen die keine Amtsträger sind auch nicht Mittäter oder mittelbare Täter des § 348 StGB sein können.
Probleme ergeben sich daher, wenn der Amtsträger selbst nicht vorsätzlich handelt und nur der außenstehende Dritte von der Falschheit der beurkundeten Tatsachen weiß. Mangels Haupttat wäre eine Bestrafung des Dritten als Teilnehmer nach den §§ 26, 27 StGB ebenfalls ausgeschlossen. Eine mittelbare Täterschaft geht aufgrund der mangelnden Täterqualität des Dritten fehl. Diese Lücke soll durch § 271 StGB geschlossen werden.
Im Rahmen des § 271 StGB ist dann jedoch umstritten, ob der Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung ein Handeln in mittelbarer Täterschaft voraussetzt, oder ob jede andere Handlung ausreicht, die bewirkt, dass der Amtsträger den objektiven Tatbestand des § 348 StGB erfüllt.1

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht

Das Merkmal „Bewirken“ ist weit zu verstehen und muss die Anforderungen der mittelbaren Täterschaft nicht zwingend erfüllen.2

Argumente für diese Ansicht

Funktion des § 271 StGB.

Nur so kann die Funktion des § 271 StGB, namentlich ein lückenfüllender Tatbestand gegenüber § 348 StGB, erfüllt werden, der immer dann greift, wenn eine Bestrafung wegen einer Tatbeteiligung nach § 348 StGB aus Gründen in der Person des Täters oder des Amtsträgers scheitert.3

2. Ansicht

Bei § 271 StGB handelt es sich um einen Fall der mittelbaren Täterschaft, sodass die Voraussetzung derselben für die Begründung des Tatbestandes vorliegen müssen.4
Dies hat vor allem zur Konsequenz, dass § 271 StGB ausscheidet, wenn der Dritte den bösgläubigen Amtsträger irrtümlich für gutgläubig hält. In diesem Fall „bewirkt“ der Täter nicht die Falschbeurkundung, weil ihm objektiv die Tatherrschaft fehlt und damit keine vollendete Konstellation der mittelbaren Täterschaft vorliegt. Ein Versuchstrafbarkeit gemäß § 271 IV StGB bleibt davon indessen unberührt.
Hält der Dritte den Amtsträger demgegenüber irrtümlich für bösgläubig, scheitert § 271 StGB daran, dass dem Hintermann das Bewusstsein fehlt, Tatherrschaft im Sinne der mittelbaren Täterschaft über ein Werkzeug zu besitzen.5

Argumente für diese Ansicht

Es handelt sich bei § 271 StGB im Verhältnis zu § 348 StGB nicht um eine Auffangvorschrift.

Daher muss der vermeintlichen Funktion des § 271 als lückenfüllender Tatbestand nicht durch eine weite Auslegung des Merkmals „Bewirken“ genügt werden.6

  • 1. Zum Ganzen: Rengier, BT II, § 37, Rn. 1ff., Aufl. 15.
  • 2. Satzger/Schluckebier/Widmaier/Wittig, StGB, § 271, Rn. 22ff., Aufl. 2.; Lackner/Kühl, StGB, § 271, Rn. 6, Aufl. 27.; Rengier, BT II, § 37, Rn. 9, Aufl. 15.
  • 3. Satzger/Schluckebier/Widmaier/Wittig, StGB, § 271, Rn. 24, Aufl. 2.
  • 4. LK/Zieschang, StGB, § 271, Rn. 86ff., Aufl. 12.; ähnlich: NK/Puppe, § 271, Rn. 40ff., Aufl. 4.
  • 5. LK/Zieschang, StGB, § 271, Rn. 87f., Aufl. 12.
  • 6. LK/Zieschang, StGB, § 271, Rn. 86, Aufl. 12.

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