Regelt § 160 StGB ausschließlich einen Spezialfall der mittelbaren Täterschaft?

Überblick

Es besteht Einigkeit darüber, dass § 160 StGB, der die Verleitung zur Falschaussage bestraft, die Lücke schließen soll, die dadurch entsteht, dass es sich bei den §§ 153 ff. StGB um eigenhändige Delikte handelt. Daraus folgt, dass nur der persönlich Aussagende die Tatbestände der §§ 153 ff. StGB täterschaftlich verwirklichen kann. Mithin ist eine täterschaftliche Teilnahme iSv. Mittäterschaft oder mittelbarer Täterschaft nicht möglich und es verbleibt lediglich die Möglichkeit der Beihilfe oder Anstiftung. Die Lücke, die vor allem im Bereich der mittelbaren Täterschaft entsteht, sollt durch § 160 StGB also geschlossen werden. Fraglich ist aber nun, ob es sich bei § 160 StGB ausschließlich um einen Spezialfall der mittelbaren Täterschaft handelt. Dieser Streit wird vor allem dann relevant, wenn der Hintermann einen vermeintlich Gutgläubigen zu einer falschen Aussage bestimmt; wenn der Hintermann also nicht merkt, dass der Aussagende bösgläubig ist und weiß, dass er falsch aussagt. Die Bestrafung des Hintermannes aus den §§ 153 (154), 26 StGB würde in einem solchen Fall daran scheitern, dass sich der Vorsatz nicht auf eine vorsätzliche Falschaussage des Aussagenden bezieht. Ob der Hintermann dann aber aus § 160 StGB zu bestrafen ist, hängt davon ab, ob man darin einen normierten Spezialfall der mittelbaren Täterschaft sieht, oder nicht. Denn eine mittelbare Täterschaft wäre de facto schon deshalb nicht möglich, weil der Aussagende aufgrund seiner Bösgläubigkeit nicht als doloses Werkzeug benutzt wird.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht

§ 160 StGB stellt einen Spezialfall der mittelbaren Täterschaft dar. Daher scheidet eine Bestrafung aus, wenn der Aussagende entgegen der Vorstellung des Hintermannes bösgläubig ist. Eine Strafbarkeit wegen Versuchs nach § 160 I Var. 3, II StGB bleibt davon indessen unberührt.1

Argumente für diese Ansicht

Nach den allgemeinen dogmatischen Grundsätzen liegt lediglich ein strafbarer Versuch vor.

Die Bewertung des Verhaltens des Hintermannes als Tatvollendung scheitert daran, dass der Aussagende in subjektiver Hinsicht mehr tut, als er tun soll, weil er statt gutgläubig vorsätzlich falsch aussagt/schwört.2

Für eine Ablehnung der Vollendung spricht bereits die Dogmatik.

Während § 26 StGB von einem Bestimmen spricht, dass sich stets auf ein vorsätzliche Haupttat bezieht, bezieht sich das in § 160 StGB geforderte Verleiten allein auf unvorsätzliche Falschaussagen.3 Liegt eine solche nicht vor, kommt nur noch die Versuchsstrafbarkeit in Betracht.

Der Vollendungserfolg ist dem Hintermann täterschaftlich nicht zuzurechnen.

Die Verleitung iSd. § 160 StGB erfordert in Zusammenschau mit § 25 StGB täterschaftliches Handeln. Der Täter will ein gutgläubiges Werkzeug in Form der Irrtumsherrschaft benutzen. Sein Beherrschungsversuch ist allerdings erfolglos. Der Aussagende handelt also eigenverantwortlich. Allein dieser ist als Vorsatztäter für die Gefährdung der staatlichen Rechtspflege verantwortlich. Die normative Verantwortung verliert der sich irrende Hintermann. Der Vollendungserfolg ist ihm täterschaftlich nicht zuzurechnen.4

2. Ansicht

Bei § 160 StGB handelt es sich nicht um einen Spezialfall der mittelbaren Täterschaft. Daraus folgt, dass der Hintermann auch dann nach § 160 StGB zu bestrafen ist, wenn er fälschlicher Weise von der Gutgläubigkeit des Aussagenden ausgeht.5

Argumente für diese Ansicht

Dem Tatbestand, der ein „Verleiten“ vorsieht, ist die ausschließliche Ausrichtung auf Fälle der mittelbaren Täterschaft nicht zu entnehmen.

Zur Aussage verleitet bereits derjenige, der die Beweisperson durch beliebige Mittel dazu bestimmt, falsch auszusagen.6

Das Verhalten des Hintermannes ist auch bei einem Irrtum über die Gutgläubigkeit des Aussagenden nicht weniger strafwürdig.

Maßgeblich ist, dass es im Ergebnis zu einer Falschaussage kommt und dadurch die Rechtspflege gefährdet wird. Der Täter des § 160 StGB will zwar eine unbewusst falsche Aussage herbeiführen, sein Tun ist aber nicht weniger strafwürdig, weil entgegen seiner Vorstellung der Aussagende nicht gutgläubig ist; denn auch bei dieser Sachlage tritt der vom Hintermann gewollte, die Rechtspflege gefährdende Erfolg ein.7

  • 1. Kretschmer in Jura 03, 535 (537f.).; Wessels/Hettinger, BT I, § 17, Rn. 783, Aufl. 38.; Geppert in Jura 02, 173 (180).
  • 2. Wessels/Hettinger, BT I, § 17, Rn. 783, Aufl. 38.
  • 3. Kretschmer in Jura 03, 535 (538).; zust.: Geppert in Jura 02, 173 (180).
  • 4. Kretschmer in Jura 03, 535 (538).
  • 5. BGHSt 21, 116.; Rengier, BT II, § 49, Rn. 57, Aufl. 16.
  • 6. Rengier, BT II, § 49, Rn. 57, Aufl. 16.
  • 7. BGHSt 21, 116 (118).

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