Liegt in den Fällen der sog. Chantage (Schweigegelderpressung) ein notwehrfähiger Angriff vor?

Überblick

Die sog. Chantage beschreibt Fälle, in denen der Erpresser seinem Opfer mit der Enthüllung kompromittierender wahrer Tatsachen droht und für sein Schweigen beispielsweise eine bestimmte Geldsumme verlangt. Umstritten ist, ob dieses Verhalten einen notwehrfähigen Angriff darstellt, gegen den sich das Opfer wehren darf. Betroffen von diesem Meinungsstreitigkeit sind ausschließlich drohende Nachteile des Opfers, deren Herbeiführung rechtmäßig ist, wie z.B. das berechtigte Stellen eines Strafantrags.

Die Ansichten und ihre Argumente

1. Ansicht - Es liegt ein notwehrfähiger Angriff vor.1

Dem Opfer steht ein eingeschränktes Notwehrrecht zu. Die Einschränkung ergibt sich deshalb, weil ein vorbehaltloses Notwehrrecht, das prinzipiell auch die Tötung des Erpressers rechtfertigen würde, mit dem Rechtsbewährungsprinzip nicht im Einklang steht.2

Argumente für diese Ansicht

Das Unrecht der Chantage speist sich aus der Verbindung von angedrohter Bloßstellung und erstrebten Vermögensvorteil.3

Es liegt auch in den Fällen der Chantage eine Beeinträchtigung der Willensentschließungsfreiheit vor.

Willensentschließungsfreiheit bedeutet, dass der Entschluss frei von Zwängen gefasst werden kann und beinhaltet auch die Freiheit, keinen Entschluss zu fassen. Durch die Drohung wird das Opfer jedoch vor eine Wahl gestellt und dazu gezwungen, sich zu entscheiden.4

2. Ansicht - Es liegt kein notwehrfähiger Angriff vor.5

Argumente für diese Ansicht

Es droht kein Eintritt von Rechtsgutseinbußen, die der Genötigte nicht zu tragen verpflichtet wäre.

Rechtswidrig ist allein die Darstellung des Erpressers, die den Genötigten zwar zu seiner Selbstschädigung veranlassen soll, für den Fall der Weigerung aber gerade keine unmittelbar bevorstehende, rechtswidrige Zufügung anderweitiger Beeinträchtigungen impliziert.6

Auf den Fall der Chantage ist der § 32 StGB nicht zugeschnitten.

Einen anderen durch eine rein kommunikative Konfrontation mit möglichen Nachteilen gefügig zu machen, mag rechtswidrig und strafbar sein und vom Betroffen als schwere Belastung empfunden werden. Die gegenwärtige und rechtswidrige Beeinträchtigung beschränkt sich dabei aber auf das Erleiden von Furcht vor von Rechts wegen hinzunehmenden Konsequenzen.7

  • 1. LK/Rönnau/Hohn, StGB, § 32, Rn. 91f., Aufl. 12.; NK/Herzog, StGB, § 32, Rn. 33, Aufl. 4.; Rengier, AT, § 18, Rn. 93, Aufl. 7.
  • 2. Roxin, AT I, § 15, Rn. 84, Aufl. 4.
  • 3. LK/Rönnau/Hohn, StGB, § 32, Rn. 92, Aufl. 12.
  • 4. Hohn, StGB, § 32, Rn. 91, Aufl. 12.
  • 5. MüKo/Erb, StGB, § 32, Rn. 97f., Aufl. 2.
  • 6. MüKo/Erb, StGB, § 32, Rn. 98, Aufl. 2.
  • 7. MüKo/Erb, StGB, § 32, Rn. 98, Aufl. 2.

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